Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

hierbleiben bis es dunkel geworden ist, Stadtjunge.
Sie lauern Dir sicher am Dorfe auf; da kenne ich
sie. Sie prügeln Dich durch, und so ist es Dir viel-
leicht lieber, Du läßt Dich Abends wegen Ausbleiben
von Deinem Vater oder Deiner Mutter durchprügeln.'
Ihr habt mich nie in der Schaar eurer Helden mit-
gezählt, Eduard. Von euch hellumschienten Achaiern
hätte ich nimmer das beste und also auch ehrenvollste
Stück vom Schweinebraten in die Hände gelegt be-
kommen. Wieviel mehr Heroenthum, unter Umständen,
in mir als wie in euch steckte, davon hattet ihr
natürlich keine Ahnung. Wenn ich mein Rückenstück
vom Spieß mit gebräuntem Mehl bestreut haben
wollte, so hatte ich es mir hinter eurem Rücken selber
anzurenommiren: ,Ich fürchte mich vor nichts in der
Welt und vor dem Pack aus Maiholzen garnicht.
Derentwegen gehe ich schon bei Tage zu jeder Zeit;
aber weil Du dies gesagt hast bleibe ich doch hier,
jetzt gerade!' Der Herr Registrator Schwartner und
der Prinz Xaver von Sachsen hatten in diesem
Augenblick nichts mit dem gruselnd-süßen Gefühl,
endlich innerhalb der verrufenen, geheimnißvollen
rothen Schanze zu stehen, zu thun. ,Der Vater ist
wieder im Haus, und wir sind vor ihm sicher,' sagte
meine jetzige Frau. ,Du bist gut gegen mich ge-
wesen, Stadtjunge, Du brauchst Dich diesmal also
nicht vor mir zu fürchten. Ich werfe Dich nicht in
den Brunnen. Sollen wir zuerst in den Birnbaum
steigen, oder willst Du lieber erst meine Kaninchen
sehen und meine Ziegen? Wir haben auch kleine

hierbleiben bis es dunkel geworden iſt, Stadtjunge.
Sie lauern Dir ſicher am Dorfe auf; da kenne ich
ſie. Sie prügeln Dich durch, und ſo iſt es Dir viel-
leicht lieber, Du läßt Dich Abends wegen Ausbleiben
von Deinem Vater oder Deiner Mutter durchprügeln.‘
Ihr habt mich nie in der Schaar eurer Helden mit-
gezählt, Eduard. Von euch hellumſchienten Achaiern
hätte ich nimmer das beſte und alſo auch ehrenvollſte
Stück vom Schweinebraten in die Hände gelegt be-
kommen. Wieviel mehr Heroenthum, unter Umſtänden,
in mir als wie in euch ſteckte, davon hattet ihr
natürlich keine Ahnung. Wenn ich mein Rückenſtück
vom Spieß mit gebräuntem Mehl beſtreut haben
wollte, ſo hatte ich es mir hinter eurem Rücken ſelber
anzurenommiren: ‚Ich fürchte mich vor nichts in der
Welt und vor dem Pack aus Maiholzen garnicht.
Derentwegen gehe ich ſchon bei Tage zu jeder Zeit;
aber weil Du dies geſagt haſt bleibe ich doch hier,
jetzt gerade!‘ Der Herr Regiſtrator Schwartner und
der Prinz Xaver von Sachſen hatten in dieſem
Augenblick nichts mit dem gruſelnd-ſüßen Gefühl,
endlich innerhalb der verrufenen, geheimnißvollen
rothen Schanze zu ſtehen, zu thun. ‚Der Vater iſt
wieder im Haus, und wir ſind vor ihm ſicher,‘ ſagte
meine jetzige Frau. ‚Du biſt gut gegen mich ge-
weſen, Stadtjunge, Du brauchſt Dich diesmal alſo
nicht vor mir zu fürchten. Ich werfe Dich nicht in
den Brunnen. Sollen wir zuerſt in den Birnbaum
ſteigen, oder willſt Du lieber erſt meine Kaninchen
ſehen und meine Ziegen? Wir haben auch kleine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0122" n="112"/>
hierbleiben bis es dunkel geworden i&#x017F;t, Stadtjunge.<lb/>
Sie lauern Dir &#x017F;icher am Dorfe auf; da kenne ich<lb/>
&#x017F;ie. Sie prügeln Dich durch, und &#x017F;o i&#x017F;t es Dir viel-<lb/>
leicht lieber, Du läßt Dich Abends wegen Ausbleiben<lb/>
von Deinem Vater oder Deiner Mutter durchprügeln.&#x2018;<lb/>
Ihr habt mich nie in der Schaar eurer Helden mit-<lb/>
gezählt, Eduard. Von euch hellum&#x017F;chienten Achaiern<lb/>
hätte ich nimmer das be&#x017F;te und al&#x017F;o auch ehrenvoll&#x017F;te<lb/>
Stück vom Schweinebraten in die Hände gelegt be-<lb/>
kommen. Wieviel mehr Heroenthum, unter Um&#x017F;tänden,<lb/>
in mir als wie in euch &#x017F;teckte, davon hattet ihr<lb/>
natürlich keine Ahnung. Wenn ich mein Rücken&#x017F;tück<lb/>
vom Spieß mit gebräuntem Mehl be&#x017F;treut haben<lb/>
wollte, &#x017F;o hatte ich es mir hinter eurem Rücken &#x017F;elber<lb/>
anzurenommiren: &#x201A;Ich fürchte mich vor nichts in der<lb/>
Welt und vor dem Pack aus Maiholzen garnicht.<lb/>
Derentwegen gehe ich &#x017F;chon bei Tage zu jeder Zeit;<lb/>
aber weil Du dies ge&#x017F;agt ha&#x017F;t bleibe ich doch hier,<lb/>
jetzt gerade!&#x2018; Der Herr Regi&#x017F;trator Schwartner und<lb/>
der Prinz Xaver von Sach&#x017F;en hatten in die&#x017F;em<lb/>
Augenblick nichts mit dem gru&#x017F;elnd-&#x017F;üßen Gefühl,<lb/>
endlich innerhalb der verrufenen, geheimnißvollen<lb/>
rothen Schanze zu &#x017F;tehen, zu thun. &#x201A;Der Vater i&#x017F;t<lb/>
wieder im Haus, und wir &#x017F;ind vor ihm &#x017F;icher,&#x2018; &#x017F;agte<lb/>
meine jetzige Frau. &#x201A;Du bi&#x017F;t gut gegen mich ge-<lb/>
we&#x017F;en, Stadtjunge, Du brauch&#x017F;t Dich diesmal al&#x017F;o<lb/>
nicht vor mir zu fürchten. Ich werfe Dich nicht in<lb/>
den Brunnen. Sollen wir zuer&#x017F;t in den Birnbaum<lb/>
&#x017F;teigen, oder will&#x017F;t Du lieber er&#x017F;t meine Kaninchen<lb/>
&#x017F;ehen und meine Ziegen? Wir haben auch kleine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0122] hierbleiben bis es dunkel geworden iſt, Stadtjunge. Sie lauern Dir ſicher am Dorfe auf; da kenne ich ſie. Sie prügeln Dich durch, und ſo iſt es Dir viel- leicht lieber, Du läßt Dich Abends wegen Ausbleiben von Deinem Vater oder Deiner Mutter durchprügeln.‘ Ihr habt mich nie in der Schaar eurer Helden mit- gezählt, Eduard. Von euch hellumſchienten Achaiern hätte ich nimmer das beſte und alſo auch ehrenvollſte Stück vom Schweinebraten in die Hände gelegt be- kommen. Wieviel mehr Heroenthum, unter Umſtänden, in mir als wie in euch ſteckte, davon hattet ihr natürlich keine Ahnung. Wenn ich mein Rückenſtück vom Spieß mit gebräuntem Mehl beſtreut haben wollte, ſo hatte ich es mir hinter eurem Rücken ſelber anzurenommiren: ‚Ich fürchte mich vor nichts in der Welt und vor dem Pack aus Maiholzen garnicht. Derentwegen gehe ich ſchon bei Tage zu jeder Zeit; aber weil Du dies geſagt haſt bleibe ich doch hier, jetzt gerade!‘ Der Herr Regiſtrator Schwartner und der Prinz Xaver von Sachſen hatten in dieſem Augenblick nichts mit dem gruſelnd-ſüßen Gefühl, endlich innerhalb der verrufenen, geheimnißvollen rothen Schanze zu ſtehen, zu thun. ‚Der Vater iſt wieder im Haus, und wir ſind vor ihm ſicher,‘ ſagte meine jetzige Frau. ‚Du biſt gut gegen mich ge- weſen, Stadtjunge, Du brauchſt Dich diesmal alſo nicht vor mir zu fürchten. Ich werfe Dich nicht in den Brunnen. Sollen wir zuerſt in den Birnbaum ſteigen, oder willſt Du lieber erſt meine Kaninchen ſehen und meine Ziegen? Wir haben auch kleine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/122
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/122>, abgerufen am 28.11.2024.