fangen habe. ,Geh' da weg, Junge,' sprach die junge Dame, mir die Zunge zeigend: ,Die Hecke gehört meinem Vater, und da hat Keiner ein Recht daran als wir.' -- ,Bauergans! dumme Trine,' sagte ich, und damit war die erste Bekanntschaft gemacht. Sehr mit eurem Zuthun, lieber Eduard; denn was ließet ihr mich so allein im Grase unterm Haselnußbusch in Vater Quakatzens Reich? ,Ich bin keine Bauern- gans, und ich bin keine Trine,' rief die Krabbe. ,Ich bin Tine Quakatz. Geh' weg von unserem Brinke, Stadtjunge! Das sind meine Nüsse, dies ist unsere Hecke und unser Brink; und weil es unser Brink und unsere Hecke ist, so werfen sie auch gleich mit Dreck. Sie haben's mir wieder in der Nach- mittagsschule verabredet und es sich versprochen.' -- Ob das eine Warnung sein sollte, kann ich nicht sagen; jedenfalls kam die Benachrichtigung zu spät. Denn im selbigen Augenblick schon hatte ich die Pastete über den Kopf, an die Nase, in die Augen und theil- weise auch ins weitoffene Auslaßthor der Rede; war jedoch, trotz meiner weichen Füße, wieder im nächsten Augenblick über die Hecke und hatte den ländlich- sittlichen Attentäter mit seiner Faust voll frischaufge- griffener Ackerkrume am Kragen und zu Boden. Im allernächsten Augenblick die ganze junge Dorfsbande, Jungen und Mädchen und Köter über mich her, und Tinchen mit den Nägeln in den Gesichtern und den Fäusten in den Haaren der Gespielen und Gespielinnen, und sämmtliche Hundewachtmannschaft von der rothen Schanze über den Dammweg uns zu Hülfe! Reizend!
fangen habe. ‚Geh' da weg, Junge,‘ ſprach die junge Dame, mir die Zunge zeigend: ‚Die Hecke gehört meinem Vater, und da hat Keiner ein Recht daran als wir.‘ — ‚Bauergans! dumme Trine,‘ ſagte ich, und damit war die erſte Bekanntſchaft gemacht. Sehr mit eurem Zuthun, lieber Eduard; denn was ließet ihr mich ſo allein im Graſe unterm Haſelnußbuſch in Vater Quakatzens Reich? ‚Ich bin keine Bauern- gans, und ich bin keine Trine,‘ rief die Krabbe. ‚Ich bin Tine Quakatz. Geh' weg von unſerem Brinke, Stadtjunge! Das ſind meine Nüſſe, dies iſt unſere Hecke und unſer Brink; und weil es unſer Brink und unſere Hecke iſt, ſo werfen ſie auch gleich mit Dreck. Sie haben's mir wieder in der Nach- mittagsſchule verabredet und es ſich verſprochen.‘ — Ob das eine Warnung ſein ſollte, kann ich nicht ſagen; jedenfalls kam die Benachrichtigung zu ſpät. Denn im ſelbigen Augenblick ſchon hatte ich die Paſtete über den Kopf, an die Naſe, in die Augen und theil- weiſe auch ins weitoffene Auslaßthor der Rede; war jedoch, trotz meiner weichen Füße, wieder im nächſten Augenblick über die Hecke und hatte den ländlich- ſittlichen Attentäter mit ſeiner Fauſt voll friſchaufge- griffener Ackerkrume am Kragen und zu Boden. Im allernächſten Augenblick die ganze junge Dorfsbande, Jungen und Mädchen und Köter über mich her, und Tinchen mit den Nägeln in den Geſichtern und den Fäuſten in den Haaren der Geſpielen und Geſpielinnen, und ſämmtliche Hundewachtmannſchaft von der rothen Schanze über den Dammweg uns zu Hülfe! Reizend!
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fangen habe. ‚Geh' da weg, Junge,‘ ſprach die junge
Dame, mir die Zunge zeigend: ‚Die Hecke gehört
meinem Vater, und da hat Keiner ein Recht daran
als wir.‘ — ‚Bauergans! dumme Trine,‘ ſagte ich,
und damit war die erſte Bekanntſchaft gemacht. Sehr
mit eurem Zuthun, lieber Eduard; denn was ließet
ihr mich ſo allein im Graſe unterm Haſelnußbuſch
in Vater Quakatzens Reich? ‚Ich bin keine Bauern-
gans, und ich bin keine Trine,‘ rief die Krabbe.
‚Ich bin Tine Quakatz. Geh' weg von unſerem
Brinke, Stadtjunge! Das ſind meine Nüſſe, dies
iſt unſere Hecke und unſer Brink; und weil es unſer
Brink und unſere Hecke iſt, ſo werfen ſie auch gleich
mit Dreck. Sie haben's mir wieder in der Nach-
mittagsſchule verabredet und es ſich verſprochen.‘ —
Ob das eine Warnung ſein ſollte, kann ich nicht
ſagen; jedenfalls kam die Benachrichtigung zu ſpät.
Denn im ſelbigen Augenblick ſchon hatte ich die Paſtete
über den Kopf, an die Naſe, in die Augen und theil-
weiſe auch ins weitoffene Auslaßthor der Rede; war
jedoch, trotz meiner weichen Füße, wieder im nächſten
Augenblick über die Hecke und hatte den ländlich-
ſittlichen Attentäter mit ſeiner Fauſt voll friſchaufge-
griffener Ackerkrume am Kragen und zu Boden. Im
allernächſten Augenblick die ganze junge Dorfsbande,
Jungen und Mädchen und Köter über mich her, und
Tinchen mit den Nägeln in den Geſichtern und den
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/119>, abgerufen am 24.11.2024.
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