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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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weg gegeben hatte.) Der Karikaturenzeichner holte einen
Tannenzweig, den er auf der Straße gefunden hatte,
hervor und hielt ihn ins Licht.

"Das ist der wahre Weihnachtsduft," sagte er, "und
in Ermangelung eines Bessern muß man sich zu helfen
wissen."

Horch! was trappelt auf einmal da draußen auf der
Treppe? Ein leises Kichern erschallt auf dem Vorsaal
und scheint noch eine Treppe höher steigen zu wollen.
"Zu mir?" sagt Rosalie und springt verwundert nach
der Thür. -- --

Ach, da ist sie?! schallt es draußen, und auch ich
stecke meinen Kopf heraus.

"Guten Abend alter Herr! Guten Abend Rosalie!
Guten Abend Röschen!" erschallte ein Chor heller lusti-
ger Stimmen.

"Wo ist Alfred, wir bringen ihm einen Weihnachts-
baum!" --

"Hurrah, das ist's, was wir eben brauchen!" schreit
der Zeichner seine Knarre schwingend. "Schönen guten
Abend meine Damen und fröhliche Weihnachten!"

Aus dunkeln Mänteln und Shawls und Pelzkragen
entwickelt sich jetzt ein halbes Dutzend kleiner Theater-
feen, die alle jubelnd und lachend meine Stube füllen
und -- auf einmal alle ein verschiedenes Musikinstrument

weg gegeben hatte.) Der Karikaturenzeichner holte einen
Tannenzweig, den er auf der Straße gefunden hatte,
hervor und hielt ihn ins Licht.

„Das iſt der wahre Weihnachtsduft,“ ſagte er, „und
in Ermangelung eines Beſſern muß man ſich zu helfen
wiſſen.“

Horch! was trappelt auf einmal da draußen auf der
Treppe? Ein leiſes Kichern erſchallt auf dem Vorſaal
und ſcheint noch eine Treppe höher ſteigen zu wollen.
„Zu mir?“ ſagt Roſalie und ſpringt verwundert nach
der Thür. — —

Ach, da iſt ſie?! ſchallt es draußen, und auch ich
ſtecke meinen Kopf heraus.

„Guten Abend alter Herr! Guten Abend Roſalie!
Guten Abend Röschen!“ erſchallte ein Chor heller luſti-
ger Stimmen.

„Wo iſt Alfred, wir bringen ihm einen Weihnachts-
baum!“ —

„Hurrah, das iſt’s, was wir eben brauchen!“ ſchreit
der Zeichner ſeine Knarre ſchwingend. „Schönen guten
Abend meine Damen und fröhliche Weihnachten!“

Aus dunkeln Mänteln und Shawls und Pelzkragen
entwickelt ſich jetzt ein halbes Dutzend kleiner Theater-
feen, die alle jubelnd und lachend meine Stube füllen
und — auf einmal alle ein verſchiedenes Muſikinſtrument

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[69/0079] weg gegeben hatte.) Der Karikaturenzeichner holte einen Tannenzweig, den er auf der Straße gefunden hatte, hervor und hielt ihn ins Licht. „Das iſt der wahre Weihnachtsduft,“ ſagte er, „und in Ermangelung eines Beſſern muß man ſich zu helfen wiſſen.“ Horch! was trappelt auf einmal da draußen auf der Treppe? Ein leiſes Kichern erſchallt auf dem Vorſaal und ſcheint noch eine Treppe höher ſteigen zu wollen. „Zu mir?“ ſagt Roſalie und ſpringt verwundert nach der Thür. — — Ach, da iſt ſie?! ſchallt es draußen, und auch ich ſtecke meinen Kopf heraus. „Guten Abend alter Herr! Guten Abend Roſalie! Guten Abend Röschen!“ erſchallte ein Chor heller luſti- ger Stimmen. „Wo iſt Alfred, wir bringen ihm einen Weihnachts- baum!“ — „Hurrah, das iſt’s, was wir eben brauchen!“ ſchreit der Zeichner ſeine Knarre ſchwingend. „Schönen guten Abend meine Damen und fröhliche Weihnachten!“ Aus dunkeln Mänteln und Shawls und Pelzkragen entwickelt ſich jetzt ein halbes Dutzend kleiner Theater- feen, die alle jubelnd und lachend meine Stube füllen und — auf einmal alle ein verſchiedenes Muſikinſtrument

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/79>, abgerufen am 22.11.2024.