Seeburg, die da seit alter Zeit auf dem Neste saßen. Hab's gelesen in alten Chroniken, wie sie die Leute plag- ten und die Kaufleute fingen. Trieb's auch die neue Art, die damals in seidenen Strümpfen und Schuhen ging, nicht viel besser, wenn auch anders. Halt's Maul, Burchhard, weiß, was Du sagen willst. -- Ich war da- mals ein schmucker Bursch', wußte trefflich mit der Büchse umzugehen und war Andreas Ralff bekannt als Meisterschütze auf Kirchweihen und Vogelschießen weit und breit, wie Deine Mutter, Franz, meine Schwester, als das schönste Mädchen im Lande. Sagte mir da- mals der junge Graf, der eben von Reisen zurückkam: "Hör' Andreas, tritt in meinen Dienst, will Dich gut halten und soll es Dein Schaden nicht sein. -- Da faßte mich der Satan, daß ich's für mein Glück hielt und einschlug."
Der Alte stöhnte hier laut auf und barg den Kopf in den Kissen, während Burchhard aufstand und leise eine Jägerweise aus dem Fenster pfiff. Ich beschwor den Ohm, seine Erzählung abzubrechen und zu ver- schieben.
"Hab' das nie gethan," sagte der alte, eiserne Mann, "ist nicht rechte Jägermanier, eine Kreatur angeschossen umherlaufen zu lassen. Reine Büchse, reiner Schuß. -- Schuf's der böse Feind, daß der Graf die Louise zu
Seeburg, die da ſeit alter Zeit auf dem Neſte ſaßen. Hab’s geleſen in alten Chroniken, wie ſie die Leute plag- ten und die Kaufleute fingen. Trieb’s auch die neue Art, die damals in ſeidenen Strümpfen und Schuhen ging, nicht viel beſſer, wenn auch anders. Halt’s Maul, Burchhard, weiß, was Du ſagen willſt. — Ich war da- mals ein ſchmucker Burſch’, wußte trefflich mit der Büchſe umzugehen und war Andreas Ralff bekannt als Meiſterſchütze auf Kirchweihen und Vogelſchießen weit und breit, wie Deine Mutter, Franz, meine Schweſter, als das ſchönſte Mädchen im Lande. Sagte mir da- mals der junge Graf, der eben von Reiſen zurückkam: „Hör’ Andreas, tritt in meinen Dienſt, will Dich gut halten und ſoll es Dein Schaden nicht ſein. — Da faßte mich der Satan, daß ich’s für mein Glück hielt und einſchlug.“
Der Alte ſtöhnte hier laut auf und barg den Kopf in den Kiſſen, während Burchhard aufſtand und leiſe eine Jägerweiſe aus dem Fenſter pfiff. Ich beſchwor den Ohm, ſeine Erzählung abzubrechen und zu ver- ſchieben.
„Hab’ das nie gethan,“ ſagte der alte, eiſerne Mann, „iſt nicht rechte Jägermanier, eine Kreatur angeſchoſſen umherlaufen zu laſſen. Reine Büchſe, reiner Schuß. — Schuf’s der böſe Feind, daß der Graf die Louiſe zu
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Seeburg, die da ſeit alter Zeit auf dem Neſte ſaßen.
Hab’s geleſen in alten Chroniken, wie ſie die Leute plag-
ten und die Kaufleute fingen. Trieb’s auch die neue
Art, die damals in ſeidenen Strümpfen und Schuhen
ging, nicht viel beſſer, wenn auch anders. Halt’s Maul,
Burchhard, weiß, was Du ſagen willſt. — Ich war da-
mals ein ſchmucker Burſch’, wußte trefflich mit der
Büchſe umzugehen und war Andreas Ralff bekannt als
Meiſterſchütze auf Kirchweihen und Vogelſchießen weit
und breit, wie Deine Mutter, Franz, meine Schweſter,
als das ſchönſte Mädchen im Lande. Sagte mir da-
mals der junge Graf, der eben von Reiſen zurückkam:
„Hör’ Andreas, tritt in meinen Dienſt, will Dich gut
halten und ſoll es Dein Schaden nicht ſein. — Da
faßte mich der Satan, daß ich’s für mein Glück hielt
und einſchlug.“
Der Alte ſtöhnte hier laut auf und barg den Kopf
in den Kiſſen, während Burchhard aufſtand und leiſe
eine Jägerweiſe aus dem Fenſter pfiff. Ich beſchwor
den Ohm, ſeine Erzählung abzubrechen und zu ver-
ſchieben.
„Hab’ das nie gethan,“ ſagte der alte, eiſerne Mann,
„iſt nicht rechte Jägermanier, eine Kreatur angeſchoſſen
umherlaufen zu laſſen. Reine Büchſe, reiner Schuß. —
Schuf’s der böſe Feind, daß der Graf die Louiſe zu
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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/63>, abgerufen am 16.02.2025.
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