Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.nur die Hand auszustrecken brauchte, um Glück, Ruhm Den Wald hatte ich fast ganz vergessen; ich sehnte Da wurde ich eines Tages zurückgerufen in das ein- Als ich, -- jetzt ein neunzehnjähriger Jüngling, -- "Er gleicht ihm immer mehr," murmelte er. Als "Franz, -- Du siehst, es ist vorbei mit mir; ich 4*
nur die Hand auszuſtrecken brauchte, um Glück, Ruhm Den Wald hatte ich faſt ganz vergeſſen; ich ſehnte Da wurde ich eines Tages zurückgerufen in das ein- Als ich, — jetzt ein neunzehnjähriger Jüngling, — „Er gleicht ihm immer mehr,“ murmelte er. Als „Franz, — Du ſiehſt, es iſt vorbei mit mir; ich 4*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0061" n="51"/> nur die Hand auszuſtrecken brauchte, um Glück, Ruhm<lb/> und Reichthum zu erfaſſen.</p><lb/> <p>Den Wald hatte ich faſt ganz vergeſſen; ich ſehnte<lb/> mich gar nicht zurück; hinaus wollte ich in die Welt,<lb/> Maler werden, tauſend Träume machte ich und — in<lb/> allen ſchwebte Mariens holdes Bild! —</p><lb/> <p>Da wurde ich eines Tages zurückgerufen in das ein-<lb/> ſame Jägerhaus und fand — meinen alten Oheim<lb/> auf dem Sterbebette. Eine Erkältung, die er ſich zu-<lb/> gezogen und nicht beachtet, hatte bei ſeinem vorgerück-<lb/> ten Alter eine tödtliche Wendung genommen. Alle ärzt-<lb/> liche und geiſtliche Hülfe verſchmähend, hatte er nur<lb/> nach mir verlangt. Eine ſchreckliche Enthüllung erwar-<lb/> tete mich am Bette des Mannes, an deſſen Seite ich<lb/> nur den alten Burchhard traf, während die Waldgrethe,<lb/> die bejahrte Magd des Förſterhauſes, ab und zu ging. —</p><lb/> <p>Als ich, — jetzt ein neunzehnjähriger Jüngling, —<lb/> an das Lager meines Ohms trat, ſah mich dieſer, eben<lb/> aus einem kurzen, unruhigen Schlummer erwachend,<lb/> ſtarr an.</p><lb/> <p>„Er gleicht ihm immer mehr,“ murmelte er. Als<lb/> ich mich über ihn beugte, küßte mich der alte, ſtrenge<lb/> Mann und ſagte mit erloſchener Stimme:</p><lb/> <p>„Franz, — Du ſiehſt, es iſt vorbei mit mir; ich<lb/> brauche den Jagdranzen nicht zu füllen und nicht für<lb/> <fw place="bottom" type="sig">4*</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [51/0061]
nur die Hand auszuſtrecken brauchte, um Glück, Ruhm
und Reichthum zu erfaſſen.
Den Wald hatte ich faſt ganz vergeſſen; ich ſehnte
mich gar nicht zurück; hinaus wollte ich in die Welt,
Maler werden, tauſend Träume machte ich und — in
allen ſchwebte Mariens holdes Bild! —
Da wurde ich eines Tages zurückgerufen in das ein-
ſame Jägerhaus und fand — meinen alten Oheim
auf dem Sterbebette. Eine Erkältung, die er ſich zu-
gezogen und nicht beachtet, hatte bei ſeinem vorgerück-
ten Alter eine tödtliche Wendung genommen. Alle ärzt-
liche und geiſtliche Hülfe verſchmähend, hatte er nur
nach mir verlangt. Eine ſchreckliche Enthüllung erwar-
tete mich am Bette des Mannes, an deſſen Seite ich
nur den alten Burchhard traf, während die Waldgrethe,
die bejahrte Magd des Förſterhauſes, ab und zu ging. —
Als ich, — jetzt ein neunzehnjähriger Jüngling, —
an das Lager meines Ohms trat, ſah mich dieſer, eben
aus einem kurzen, unruhigen Schlummer erwachend,
ſtarr an.
„Er gleicht ihm immer mehr,“ murmelte er. Als
ich mich über ihn beugte, küßte mich der alte, ſtrenge
Mann und ſagte mit erloſchener Stimme:
„Franz, — Du ſiehſt, es iſt vorbei mit mir; ich
brauche den Jagdranzen nicht zu füllen und nicht für
4*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |