Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.So endete mein erster Besuch bei dem Karikaturen- Am 10. December. -- Es ist jetzt vollständig Winter geworden; der Schnee Was ist das für ein bleiches, verfallenes Gesicht, Drei Monate waren hingegangen, seit man die todte "Höre, Johannes, ich muß Dir eine Geschichte er- "Ich muß weit dazu ausholen, ich muß in unsere So endete mein erſter Beſuch bei dem Karikaturen- Am 10. December. — Es iſt jetzt vollſtändig Winter geworden; der Schnee Was iſt das für ein bleiches, verfallenes Geſicht, Drei Monate waren hingegangen, ſeit man die todte „Höre, Johannes, ich muß Dir eine Geſchichte er- „Ich muß weit dazu ausholen, ich muß in unſere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0054" n="44"/> <p>So endete mein erſter Beſuch bei dem Karikaturen-<lb/> zeichner Ulrich Strobel.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="1"> <dateline> <hi rendition="#right">Am 10. December. —</hi> </dateline><lb/> <p>Es iſt jetzt vollſtändig Winter geworden; der Schnee<lb/> liegt zu hoch in den Straßen, als daß man den Schritt<lb/> der verſpäteten Fußgänger, das Rollen der Wagen hö-<lb/> ren könnte. Es iſt tiefe Nacht.</p><lb/> <p>Was iſt das für ein bleiches, verfallenes Geſicht,<lb/> welches da vor mir auftaucht? Iſt das Franz, — der<lb/> lebensmuthige, lebensglühende Franz Ralff, den ich einſt<lb/> kannte? —</p><lb/> <p>Drei Monate waren hingegangen, ſeit man die todte<lb/> Marie zu ihrer ſtillen Ruheſtätte hinausgetragen hatte.<lb/> Ich ſaß neben meinem Freunde, der, auf die graugrun-<lb/> dirte Leinwand vor ihm ſtarrend, plötzlich begann:</p><lb/> <p>„Höre, Johannes, ich muß Dir eine Geſchichte er-<lb/> zählen. Es wird gut ſein, daß Du ſie kennſt, auch<lb/> könnte wohl der Fall eintreten, daß mein Kind ſie er-<lb/> fahren müßte. Letzteres will ich dann Dir überlaſſen,<lb/> Johannes.“</p><lb/> <p>„Ich muß weit dazu ausholen, ich muß in unſere<lb/> früheſte Jugendzeit zurückgehen, wo wir glückliche, ah-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [44/0054]
So endete mein erſter Beſuch bei dem Karikaturen-
zeichner Ulrich Strobel.
Am 10. December. —
Es iſt jetzt vollſtändig Winter geworden; der Schnee
liegt zu hoch in den Straßen, als daß man den Schritt
der verſpäteten Fußgänger, das Rollen der Wagen hö-
ren könnte. Es iſt tiefe Nacht.
Was iſt das für ein bleiches, verfallenes Geſicht,
welches da vor mir auftaucht? Iſt das Franz, — der
lebensmuthige, lebensglühende Franz Ralff, den ich einſt
kannte? —
Drei Monate waren hingegangen, ſeit man die todte
Marie zu ihrer ſtillen Ruheſtätte hinausgetragen hatte.
Ich ſaß neben meinem Freunde, der, auf die graugrun-
dirte Leinwand vor ihm ſtarrend, plötzlich begann:
„Höre, Johannes, ich muß Dir eine Geſchichte er-
zählen. Es wird gut ſein, daß Du ſie kennſt, auch
könnte wohl der Fall eintreten, daß mein Kind ſie er-
fahren müßte. Letzteres will ich dann Dir überlaſſen,
Johannes.“
„Ich muß weit dazu ausholen, ich muß in unſere
früheſte Jugendzeit zurückgehen, wo wir glückliche, ah-
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