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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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abführt; er liebte die todte Marie so gut wie Alle, die
mit ihr je in Berührung gekommen waren. Hatte sie
nicht für jeden fremden Schmerz eine Thräne, für jede
fremde Freude ein theilnehmendes Lächeln? War sie
nicht in der dunkeln Sperlingsgasse wie jene sonnige,
gute, kleine Fee, die überall wo sie hintrat, eine Blume
aus dem Boden hervorrief? --

Auf dem Hausflur standen flüsternde Frauen, die mir
traurig, als ich vorüberging, zunickten und auf einer
Treppenstufe saß ein kleines schluchzendes Mädchen, eine
zerbrochene Puppe im Schooß. -- O, ich weiß das Alles
noch! Und jetzt trat ich ein -- -- --

Da lag sie in ihrem weißen, mit rothen Schleifen
besetzten Kleide, eine aufgeblühte Rose auf der Brust,
in ihrem schwarzen Sarge; die einst so klaren innigen
Augen geschlossen, die ewige ernste Ruhe des Todes auf
der reinen Stirn! Franz fiel mir weinend um den
Hals; junge Nachbarinnen in weißen Sonntagskleidern
befestigten Guirlanden von Tannenzweigen und Immer-
grün, aus denen hier und da eine einsame Blume her-
vorschaute, um den schwarzen Schrein.

Ach, die Armuth und der Winter erlaubten nicht,
allzu viel:
"Süßes der Süßen"
zu streuen! --

abführt; er liebte die todte Marie ſo gut wie Alle, die
mit ihr je in Berührung gekommen waren. Hatte ſie
nicht für jeden fremden Schmerz eine Thräne, für jede
fremde Freude ein theilnehmendes Lächeln? War ſie
nicht in der dunkeln Sperlingsgaſſe wie jene ſonnige,
gute, kleine Fee, die überall wo ſie hintrat, eine Blume
aus dem Boden hervorrief? —

Auf dem Hausflur ſtanden flüſternde Frauen, die mir
traurig, als ich vorüberging, zunickten und auf einer
Treppenſtufe ſaß ein kleines ſchluchzendes Mädchen, eine
zerbrochene Puppe im Schooß. — O, ich weiß das Alles
noch! Und jetzt trat ich ein — — —

Da lag ſie in ihrem weißen, mit rothen Schleifen
beſetzten Kleide, eine aufgeblühte Roſe auf der Bruſt,
in ihrem ſchwarzen Sarge; die einſt ſo klaren innigen
Augen geſchloſſen, die ewige ernſte Ruhe des Todes auf
der reinen Stirn! Franz fiel mir weinend um den
Hals; junge Nachbarinnen in weißen Sonntagskleidern
befeſtigten Guirlanden von Tannenzweigen und Immer-
grün, aus denen hier und da eine einſame Blume her-
vorſchaute, um den ſchwarzen Schrein.

Ach, die Armuth und der Winter erlaubten nicht,
allzu viel:
„Süßes der Süßen“
zu ſtreuen! —

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[28/0038] abführt; er liebte die todte Marie ſo gut wie Alle, die mit ihr je in Berührung gekommen waren. Hatte ſie nicht für jeden fremden Schmerz eine Thräne, für jede fremde Freude ein theilnehmendes Lächeln? War ſie nicht in der dunkeln Sperlingsgaſſe wie jene ſonnige, gute, kleine Fee, die überall wo ſie hintrat, eine Blume aus dem Boden hervorrief? — Auf dem Hausflur ſtanden flüſternde Frauen, die mir traurig, als ich vorüberging, zunickten und auf einer Treppenſtufe ſaß ein kleines ſchluchzendes Mädchen, eine zerbrochene Puppe im Schooß. — O, ich weiß das Alles noch! Und jetzt trat ich ein — — — Da lag ſie in ihrem weißen, mit rothen Schleifen beſetzten Kleide, eine aufgeblühte Roſe auf der Bruſt, in ihrem ſchwarzen Sarge; die einſt ſo klaren innigen Augen geſchloſſen, die ewige ernſte Ruhe des Todes auf der reinen Stirn! Franz fiel mir weinend um den Hals; junge Nachbarinnen in weißen Sonntagskleidern befeſtigten Guirlanden von Tannenzweigen und Immer- grün, aus denen hier und da eine einſame Blume her- vorſchaute, um den ſchwarzen Schrein. Ach, die Armuth und der Winter erlaubten nicht, allzu viel: „Süßes der Süßen“ zu ſtreuen! —

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/38>, abgerufen am 24.11.2024.