worden, der sich nur durch erborgte und erheuchelte Sta- cheln zu schützen weiß, bis er endlich nach langem Um- herschweifen in der Welt hervorgeht aus dem Kampf, ein ernster, sehender Mann, der Freund seines Freundes und dessen jungen Weibes. --
Ich lebe durch ein kurzes Jahr von Glück und Ruhe; ich sehe während dieses Jahres eine feine blondlockige Gestalt lächelnd, wie unser guter Genius, Franz und mich umschweben und ihre schützende Hand ausstrecken über seine leicht auflodernde Wildheit und meine hinbrütende Traurigkeit; -- ich sehe bald ein kleines Kind -- Elise genannt in den Blättern dieser Chronik -- des Abends aus den Armen der Mutter in die des Vaters und aus den Armen des Vaters in die des Freundes übergehen, mit großen, verwunderten Augen zu uns aufschauend -- -- -- --
Plötzlich hört der Regen auf, an die Fenster zu schla- gen; ich schrecke auf; -- es ist späte Nacht. Einen letz- ten Blick werfe ich noch in die Gasse hinunter. Sie ist dunkel und öde; der unzureichende Schein der einen Gas- laterne spiegelt sich in den Sümpfen des Pflasters, in den Rinnsteinen wieder. Eine verhüllte Gestalt schleicht langsam und vorsichtig dicht an den Häusern hin. Von Zeit zu Zeit schaut sie sich um. Geht sie zu einem Verbrechen, oder geht sie ein gutes Werk zu thun?
worden, der ſich nur durch erborgte und erheuchelte Sta- cheln zu ſchützen weiß, bis er endlich nach langem Um- herſchweifen in der Welt hervorgeht aus dem Kampf, ein ernſter, ſehender Mann, der Freund ſeines Freundes und deſſen jungen Weibes. —
Ich lebe durch ein kurzes Jahr von Glück und Ruhe; ich ſehe während dieſes Jahres eine feine blondlockige Geſtalt lächelnd, wie unſer guter Genius, Franz und mich umſchweben und ihre ſchützende Hand ausſtrecken über ſeine leicht auflodernde Wildheit und meine hinbrütende Traurigkeit; — ich ſehe bald ein kleines Kind — Eliſe genannt in den Blättern dieſer Chronik — des Abends aus den Armen der Mutter in die des Vaters und aus den Armen des Vaters in die des Freundes übergehen, mit großen, verwunderten Augen zu uns aufſchauend — — — —
Plötzlich hört der Regen auf, an die Fenſter zu ſchla- gen; ich ſchrecke auf; — es iſt ſpäte Nacht. Einen letz- ten Blick werfe ich noch in die Gaſſe hinunter. Sie iſt dunkel und öde; der unzureichende Schein der einen Gas- laterne ſpiegelt ſich in den Sümpfen des Pflaſters, in den Rinnſteinen wieder. Eine verhüllte Geſtalt ſchleicht langſam und vorſichtig dicht an den Häuſern hin. Von Zeit zu Zeit ſchaut ſie ſich um. Geht ſie zu einem Verbrechen, oder geht ſie ein gutes Werk zu thun?
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0030"n="20"/>
worden, der ſich nur durch erborgte und erheuchelte Sta-<lb/>
cheln zu ſchützen weiß, bis er endlich nach langem Um-<lb/>
herſchweifen in der Welt hervorgeht aus dem Kampf,<lb/>
ein ernſter, ſehender Mann, der Freund ſeines Freundes<lb/>
und deſſen jungen Weibes. —</p><lb/><p>Ich lebe durch ein kurzes Jahr von Glück und Ruhe;<lb/>
ich ſehe während dieſes Jahres eine feine blondlockige<lb/>
Geſtalt lächelnd, wie unſer guter Genius, Franz und mich<lb/>
umſchweben und ihre ſchützende Hand ausſtrecken über<lb/>ſeine leicht auflodernde Wildheit und meine hinbrütende<lb/>
Traurigkeit; — ich ſehe bald ein kleines Kind — Eliſe<lb/>
genannt in den Blättern dieſer Chronik — des Abends<lb/>
aus den Armen der Mutter in die des Vaters und aus<lb/>
den Armen des Vaters in die des Freundes übergehen,<lb/>
mit großen, verwunderten Augen zu uns aufſchauend<lb/>————</p><lb/><p>Plötzlich hört der Regen auf, an die Fenſter zu ſchla-<lb/>
gen; ich ſchrecke auf; — es iſt ſpäte Nacht. Einen letz-<lb/>
ten Blick werfe ich noch in die Gaſſe hinunter. Sie iſt<lb/>
dunkel und öde; der unzureichende Schein der einen Gas-<lb/>
laterne ſpiegelt ſich in den Sümpfen des Pflaſters, in<lb/>
den Rinnſteinen wieder. Eine verhüllte Geſtalt ſchleicht<lb/>
langſam und vorſichtig dicht an den Häuſern hin. Von<lb/>
Zeit zu Zeit ſchaut ſie ſich um. Geht ſie zu einem<lb/>
Verbrechen, oder geht ſie ein gutes Werk zu thun?<lb/></p></div></body></text></TEI>
[20/0030]
worden, der ſich nur durch erborgte und erheuchelte Sta-
cheln zu ſchützen weiß, bis er endlich nach langem Um-
herſchweifen in der Welt hervorgeht aus dem Kampf,
ein ernſter, ſehender Mann, der Freund ſeines Freundes
und deſſen jungen Weibes. —
Ich lebe durch ein kurzes Jahr von Glück und Ruhe;
ich ſehe während dieſes Jahres eine feine blondlockige
Geſtalt lächelnd, wie unſer guter Genius, Franz und mich
umſchweben und ihre ſchützende Hand ausſtrecken über
ſeine leicht auflodernde Wildheit und meine hinbrütende
Traurigkeit; — ich ſehe bald ein kleines Kind — Eliſe
genannt in den Blättern dieſer Chronik — des Abends
aus den Armen der Mutter in die des Vaters und aus
den Armen des Vaters in die des Freundes übergehen,
mit großen, verwunderten Augen zu uns aufſchauend
— — — —
Plötzlich hört der Regen auf, an die Fenſter zu ſchla-
gen; ich ſchrecke auf; — es iſt ſpäte Nacht. Einen letz-
ten Blick werfe ich noch in die Gaſſe hinunter. Sie iſt
dunkel und öde; der unzureichende Schein der einen Gas-
laterne ſpiegelt ſich in den Sümpfen des Pflaſters, in
den Rinnſteinen wieder. Eine verhüllte Geſtalt ſchleicht
langſam und vorſichtig dicht an den Häuſern hin. Von
Zeit zu Zeit ſchaut ſie ſich um. Geht ſie zu einem
Verbrechen, oder geht ſie ein gutes Werk zu thun?
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/30>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.