Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.Und nun sieh da, im Grase ausgestreckt, da bin auch Die Glocken der heimkehrenden Heerden erklingen Aber warum öffnet sich nicht dort unten die braune Wo ist der alte Mann mit den ehrwürdigen grauen Wo ist -- wo ist meine Mutter? Meine Mutter! Keine freundliche Stimme antwortet! Ich selbst habe Plötzlich verändert sich das sonnige, sommerliche Bild. Und nun ſieh da, im Graſe ausgeſtreckt, da bin auch Die Glocken der heimkehrenden Heerden erklingen Aber warum öffnet ſich nicht dort unten die braune Wo iſt der alte Mann mit den ehrwürdigen grauen Wo iſt — wo iſt meine Mutter? Meine Mutter! Keine freundliche Stimme antwortet! Ich ſelbſt habe Plötzlich verändert ſich das ſonnige, ſommerliche Bild. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0026" n="16"/> <p>Und nun ſieh da, im Graſe ausgeſtreckt, da bin auch<lb/> ich, der kleine Hans Wachholder, der Sohn aus dem<lb/> Pfarrhauſe; blinzelnd zu dem blauen Himmel hinauf-<lb/> ſchauend und den kleinen weißen „Schäfchen“ in der<lb/> reinen Luft nachträumend! —</p><lb/> <p>Die Glocken der heimkehrenden Heerden erklingen<lb/> zwiſchen den Bergen, rings umher ſummt und tönt un-<lb/> endliches Leben; im Gras, in den Bäumen, in der Luft,<lb/> und das Kinderherz verſteht Alles, es iſt ja noch eins<lb/> mit der Natur, eins mit — Gott! —</p><lb/> <p>Aber warum öffnet ſich nicht dort unten die braune<lb/> Thür, die aus dem hübſchen, vom Weinſtock überſponne-<lb/> nen Hauſe mit den hellglänzenden Fenſtern, in den Gar-<lb/> ten führt?</p><lb/> <p>Wo iſt der alte Mann mit den ehrwürdigen grauen<lb/> Haaren, der da allabendlich ſeine Blumen zu begießen<lb/> pflegt?</p><lb/> <p>Wo iſt — wo iſt meine Mutter? Meine Mutter!</p><lb/> <p>Keine freundliche Stimme antwortet! Ich ſelbſt habe<lb/> ja graue Haare. Vater und Mutter ſchlummern lange<lb/> in ihren vergeſſenen eingeſunkenen Gräbern auf dem<lb/> kleinen Stadtkirchhof zu Ulfelden. Jüngere Geſchlechter<lb/> ſind ſeitdem hinab gegangen. — —</p><lb/> <p>Plötzlich verändert ſich das ſonnige, ſommerliche Bild.<lb/> — Da iſt ſchon die große Stadt! Diesmal iſt es nicht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0026]
Und nun ſieh da, im Graſe ausgeſtreckt, da bin auch
ich, der kleine Hans Wachholder, der Sohn aus dem
Pfarrhauſe; blinzelnd zu dem blauen Himmel hinauf-
ſchauend und den kleinen weißen „Schäfchen“ in der
reinen Luft nachträumend! —
Die Glocken der heimkehrenden Heerden erklingen
zwiſchen den Bergen, rings umher ſummt und tönt un-
endliches Leben; im Gras, in den Bäumen, in der Luft,
und das Kinderherz verſteht Alles, es iſt ja noch eins
mit der Natur, eins mit — Gott! —
Aber warum öffnet ſich nicht dort unten die braune
Thür, die aus dem hübſchen, vom Weinſtock überſponne-
nen Hauſe mit den hellglänzenden Fenſtern, in den Gar-
ten führt?
Wo iſt der alte Mann mit den ehrwürdigen grauen
Haaren, der da allabendlich ſeine Blumen zu begießen
pflegt?
Wo iſt — wo iſt meine Mutter? Meine Mutter!
Keine freundliche Stimme antwortet! Ich ſelbſt habe
ja graue Haare. Vater und Mutter ſchlummern lange
in ihren vergeſſenen eingeſunkenen Gräbern auf dem
kleinen Stadtkirchhof zu Ulfelden. Jüngere Geſchlechter
ſind ſeitdem hinab gegangen. — —
Plötzlich verändert ſich das ſonnige, ſommerliche Bild.
— Da iſt ſchon die große Stadt! Diesmal iſt es nicht
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