tet ein Pärchen unter eine laubige Akazie, dort ein dicker alter Herr unter den Vorsprung eines Hauses; hier schlüpft leichtfüßig ein junges Mädchen dicht an den Häuserwän- den hin, dort wandelt langsam und gleichmüthig ein Na- turmensch daher, nichts vor dem Regen schützend als seine glühende Cigarre.
Die Droschken scheinen sich zu vervielfältigen und -- "süß ist's vom sichern Hafen Schiffbrüchige zu sehen" -- an allen Fenstern erscheinen lachende Gesichter. Studen- ten, Referendare, junge Theologen u. s. w. wischen ihre Brillen ab; Maler verlassen ihre Palette und Staffelein und machen Studien nach dem Leben; Tanten und Müt- ter schelten über Indecenz. -- Platsch! platsch! alle Dachrinnen senden, wie hämische Ungeheuer ihre Wasser- güsse der dahertrabenden Menschheit in den Nacken. Es ist lächerlich-schrecklich! bei Tage, schrecklich bei Nacht!
"Siehst Du Lischen, das hast Du erst gewollt, -- so lange hast Du mit dem Wasser gespielt! Das kommt davon!" ruft ärgerlich die Tante Helene. Gustav's Ju- bel erreicht den höchsten Grad und lachend schleppt er seine Mutter nach, während diesmal ich mit Lisen vor- auslaufe. Nach allen Seiten haben sich unsere Freunde und Freundinnen von vorhin zerstreut. Das Gewitter kommt immer näher, der Donner brummt ganz artig und die Blitze sind gar nicht übel. Selbst Gustav meint:
tet ein Pärchen unter eine laubige Akazie, dort ein dicker alter Herr unter den Vorſprung eines Hauſes; hier ſchlüpft leichtfüßig ein junges Mädchen dicht an den Häuſerwän- den hin, dort wandelt langſam und gleichmüthig ein Na- turmenſch daher, nichts vor dem Regen ſchützend als ſeine glühende Cigarre.
Die Droſchken ſcheinen ſich zu vervielfältigen und — „ſüß iſt’s vom ſichern Hafen Schiffbrüchige zu ſehen“ — an allen Fenſtern erſcheinen lachende Geſichter. Studen- ten, Referendare, junge Theologen u. ſ. w. wiſchen ihre Brillen ab; Maler verlaſſen ihre Palette und Staffelein und machen Studien nach dem Leben; Tanten und Müt- ter ſchelten über Indecenz. — Platſch! platſch! alle Dachrinnen ſenden, wie hämiſche Ungeheuer ihre Waſſer- güſſe der dahertrabenden Menſchheit in den Nacken. Es iſt lächerlich-ſchrecklich! bei Tage, ſchrecklich bei Nacht!
„Siehſt Du Lischen, das haſt Du erſt gewollt, — ſo lange haſt Du mit dem Waſſer geſpielt! Das kommt davon!“ ruft ärgerlich die Tante Helene. Guſtav’s Ju- bel erreicht den höchſten Grad und lachend ſchleppt er ſeine Mutter nach, während diesmal ich mit Liſen vor- auslaufe. Nach allen Seiten haben ſich unſere Freunde und Freundinnen von vorhin zerſtreut. Das Gewitter kommt immer näher, der Donner brummt ganz artig und die Blitze ſind gar nicht übel. Selbſt Guſtav meint:
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0255"n="245"/>
tet ein Pärchen unter eine laubige Akazie, dort ein dicker<lb/>
alter Herr unter den Vorſprung eines Hauſes; hier ſchlüpft<lb/>
leichtfüßig ein junges Mädchen dicht an den Häuſerwän-<lb/>
den hin, dort wandelt langſam und gleichmüthig ein Na-<lb/>
turmenſch daher, nichts vor dem Regen ſchützend als<lb/>ſeine glühende Cigarre.</p><lb/><p>Die Droſchken ſcheinen ſich zu vervielfältigen und —<lb/>„ſüß iſt’s vom ſichern Hafen Schiffbrüchige zu ſehen“—<lb/>
an allen Fenſtern erſcheinen lachende Geſichter. Studen-<lb/>
ten, Referendare, junge Theologen u. ſ. w. wiſchen ihre<lb/>
Brillen ab; Maler verlaſſen ihre Palette und Staffelein<lb/>
und machen Studien nach dem Leben; Tanten und Müt-<lb/>
ter ſchelten über Indecenz. — Platſch! platſch! alle<lb/>
Dachrinnen ſenden, wie hämiſche Ungeheuer ihre Waſſer-<lb/>
güſſe der dahertrabenden Menſchheit in den Nacken. Es<lb/>
iſt lächerlich-ſchrecklich! bei Tage, ſchrecklich bei Nacht!</p><lb/><p>„Siehſt Du Lischen, das haſt Du erſt gewollt, —<lb/>ſo lange haſt Du mit dem Waſſer geſpielt! Das kommt<lb/>
davon!“ ruft ärgerlich die Tante Helene. Guſtav’s Ju-<lb/>
bel erreicht den höchſten Grad und lachend ſchleppt er<lb/>ſeine Mutter nach, während diesmal ich mit Liſen vor-<lb/>
auslaufe. Nach allen Seiten haben ſich unſere Freunde<lb/>
und Freundinnen von vorhin zerſtreut. Das Gewitter<lb/>
kommt immer näher, der Donner brummt ganz artig und<lb/>
die Blitze ſind gar nicht übel. Selbſt Guſtav meint:<lb/></p></div></body></text></TEI>
[245/0255]
tet ein Pärchen unter eine laubige Akazie, dort ein dicker
alter Herr unter den Vorſprung eines Hauſes; hier ſchlüpft
leichtfüßig ein junges Mädchen dicht an den Häuſerwän-
den hin, dort wandelt langſam und gleichmüthig ein Na-
turmenſch daher, nichts vor dem Regen ſchützend als
ſeine glühende Cigarre.
Die Droſchken ſcheinen ſich zu vervielfältigen und —
„ſüß iſt’s vom ſichern Hafen Schiffbrüchige zu ſehen“ —
an allen Fenſtern erſcheinen lachende Geſichter. Studen-
ten, Referendare, junge Theologen u. ſ. w. wiſchen ihre
Brillen ab; Maler verlaſſen ihre Palette und Staffelein
und machen Studien nach dem Leben; Tanten und Müt-
ter ſchelten über Indecenz. — Platſch! platſch! alle
Dachrinnen ſenden, wie hämiſche Ungeheuer ihre Waſſer-
güſſe der dahertrabenden Menſchheit in den Nacken. Es
iſt lächerlich-ſchrecklich! bei Tage, ſchrecklich bei Nacht!
„Siehſt Du Lischen, das haſt Du erſt gewollt, —
ſo lange haſt Du mit dem Waſſer geſpielt! Das kommt
davon!“ ruft ärgerlich die Tante Helene. Guſtav’s Ju-
bel erreicht den höchſten Grad und lachend ſchleppt er
ſeine Mutter nach, während diesmal ich mit Liſen vor-
auslaufe. Nach allen Seiten haben ſich unſere Freunde
und Freundinnen von vorhin zerſtreut. Das Gewitter
kommt immer näher, der Donner brummt ganz artig und
die Blitze ſind gar nicht übel. Selbſt Guſtav meint:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/255>, abgerufen am 05.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.