ster und schaue in die Nacht hinaus. Der Regen schlägt noch immer gegen die Scheiben; aus einem Tanzlokal der niedrigsten Volksklasse dringen die schrillen, schnei- denden Töne einer Geige bis hier herauf. -- Jetzt zieht der Doctor die Uhr hervor und sagt leise und ernst:
"Sie muß sich beeilen!"
Das Kind stöhnt in seinem unruhigen Schlaf; die Hand des Todes drückt schwer und schwerer auf das kleine unwissende Herz, dem sich gleich ein Geheimniß enthüllen wird, vor welchem alle Weisheit der Erde rathlos steht. --
Auf der Sophienkirche schlägt es dumpf Zehn. Der Wind macht sich plötzlich auf und rüttelt an den schlecht- verwahrten Fenstern. Die Februarnacht wird immer un- heimlicher und düsterer. -- --
Unter Blumenkränzen sich verneigend, steht jetzt im Theater die große, berühmte Künstlerin, die Menge jubelt und klatscht Beifall; der König, die Königin, das Publikum hat sich erhoben; -- der schwere, goldbesternte Vorhang rollt langsam nieder. Die bleiche Königin ist müde in ihren Wagen gestiegen; die große Künstlerin nimmt die Glückwünsche und Schmeicheleien der sie Um- gebenden in Empfang; leer wird das eben noch so Men- schengefüllte Opernhaus und -- die arme Choristin ist halb bewußtlos an einer Coulisse zu Boden gesunken,
ſter und ſchaue in die Nacht hinaus. Der Regen ſchlägt noch immer gegen die Scheiben; aus einem Tanzlokal der niedrigſten Volksklaſſe dringen die ſchrillen, ſchnei- denden Töne einer Geige bis hier herauf. — Jetzt zieht der Doctor die Uhr hervor und ſagt leiſe und ernſt:
„Sie muß ſich beeilen!“
Das Kind ſtöhnt in ſeinem unruhigen Schlaf; die Hand des Todes drückt ſchwer und ſchwerer auf das kleine unwiſſende Herz, dem ſich gleich ein Geheimniß enthüllen wird, vor welchem alle Weisheit der Erde rathlos ſteht. —
Auf der Sophienkirche ſchlägt es dumpf Zehn. Der Wind macht ſich plötzlich auf und rüttelt an den ſchlecht- verwahrten Fenſtern. Die Februarnacht wird immer un- heimlicher und düſterer. — —
Unter Blumenkränzen ſich verneigend, ſteht jetzt im Theater die große, berühmte Künſtlerin, die Menge jubelt und klatſcht Beifall; der König, die Königin, das Publikum hat ſich erhoben; — der ſchwere, goldbeſternte Vorhang rollt langſam nieder. Die bleiche Königin iſt müde in ihren Wagen geſtiegen; die große Künſtlerin nimmt die Glückwünſche und Schmeicheleien der ſie Um- gebenden in Empfang; leer wird das eben noch ſo Men- ſchengefüllte Opernhaus und — die arme Choriſtin iſt halb bewußtlos an einer Couliſſe zu Boden geſunken,
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ſter und ſchaue in die Nacht hinaus. Der Regen ſchlägt
noch immer gegen die Scheiben; aus einem Tanzlokal
der niedrigſten Volksklaſſe dringen die ſchrillen, ſchnei-
denden Töne einer Geige bis hier herauf. — Jetzt zieht
der Doctor die Uhr hervor und ſagt leiſe und ernſt:
„Sie muß ſich beeilen!“
Das Kind ſtöhnt in ſeinem unruhigen Schlaf; die
Hand des Todes drückt ſchwer und ſchwerer auf das
kleine unwiſſende Herz, dem ſich gleich ein Geheimniß
enthüllen wird, vor welchem alle Weisheit der Erde
rathlos ſteht. —
Auf der Sophienkirche ſchlägt es dumpf Zehn. Der
Wind macht ſich plötzlich auf und rüttelt an den ſchlecht-
verwahrten Fenſtern. Die Februarnacht wird immer un-
heimlicher und düſterer. — —
Unter Blumenkränzen ſich verneigend, ſteht jetzt im
Theater die große, berühmte Künſtlerin, die Menge
jubelt und klatſcht Beifall; der König, die Königin, das
Publikum hat ſich erhoben; — der ſchwere, goldbeſternte
Vorhang rollt langſam nieder. Die bleiche Königin iſt
müde in ihren Wagen geſtiegen; die große Künſtlerin
nimmt die Glückwünſche und Schmeicheleien der ſie Um-
gebenden in Empfang; leer wird das eben noch ſo Men-
ſchengefüllte Opernhaus und — die arme Choriſtin iſt
halb bewußtlos an einer Couliſſe zu Boden geſunken,
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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/197>, abgerufen am 05.07.2024.
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