Es ist gar kein übler Monat dieser Februar, man muß ihn nur zu nehmen wissen! -- Da ist erstlich die ungeheuere Merkwürdigkeit der fehlenden Tage. Was habe ich mir einst, vor langen Jahren, den Kopf über ihr Verbleiben zerbrochen. Jeder andere Monat paßte auf's Haar mit Einunddreißig auf den Knöchel der Hand, mit Dreißig in das Grübchen und nur dieser eine Fe- bruar -- 's war zu merkwürdig! -- Das ist ein Stück aus der formellen Seite der Vorzüge dieses Monats, jetzt wollen wir aber auch die inhaltvolle in Betrach- tung ziehen: Was ist an diesem Regen auszusetzen? Thut er nicht sein Möglichstes, die Pflicht eines braven Regen zu erfüllen? Macht er nicht naß, was das Zeug halten will und mehr? -- Der alte Marquart in sei- nem Keller ist freilich übel dran, seine Barrikaden, die er brummend anbringt, werden weggeschwemmt, seine Treppe verwandelt sich in einen Niagarafall. Alles, was Loch heißt, nimmt der Regen von Gottes Gnaden in Besitz. Immer ist er da; seine Ausdauer gränzt fast an Hartnäckigkeit! Man sollte meinen, Nachts würde er sich doch wohl etwas Ruhe gönnen. Bewahre! Da pladdert er erst recht. Da wäscht er Nachtschwärmer von Außen, nachdem sie sich von Innen gewaschen haben; da wäscht er Doktoren und Hebammen auf ihren Berufs-
Am 28. Februar. —
Es iſt gar kein übler Monat dieſer Februar, man muß ihn nur zu nehmen wiſſen! — Da iſt erſtlich die ungeheuere Merkwürdigkeit der fehlenden Tage. Was habe ich mir einſt, vor langen Jahren, den Kopf über ihr Verbleiben zerbrochen. Jeder andere Monat paßte auf’s Haar mit Einunddreißig auf den Knöchel der Hand, mit Dreißig in das Grübchen und nur dieſer eine Fe- bruar — ’s war zu merkwürdig! — Das iſt ein Stück aus der formellen Seite der Vorzüge dieſes Monats, jetzt wollen wir aber auch die inhaltvolle in Betrach- tung ziehen: Was iſt an dieſem Regen auszuſetzen? Thut er nicht ſein Möglichſtes, die Pflicht eines braven Regen zu erfüllen? Macht er nicht naß, was das Zeug halten will und mehr? — Der alte Marquart in ſei- nem Keller iſt freilich übel dran, ſeine Barrikaden, die er brummend anbringt, werden weggeſchwemmt, ſeine Treppe verwandelt ſich in einen Niagarafall. Alles, was Loch heißt, nimmt der Regen von Gottes Gnaden in Beſitz. Immer iſt er da; ſeine Ausdauer gränzt faſt an Hartnäckigkeit! Man ſollte meinen, Nachts würde er ſich doch wohl etwas Ruhe gönnen. Bewahre! Da pladdert er erſt recht. Da wäſcht er Nachtſchwärmer von Außen, nachdem ſie ſich von Innen gewaſchen haben; da wäſcht er Doktoren und Hebammen auf ihren Berufs-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0182"n="172"/></div><divn="1"><dateline><hirendition="#right">Am 28. Februar. —</hi></dateline><lb/><p>Es iſt gar kein übler Monat dieſer Februar, man<lb/>
muß ihn nur zu nehmen wiſſen! — Da iſt erſtlich die<lb/>
ungeheuere Merkwürdigkeit der fehlenden Tage. Was habe<lb/>
ich mir einſt, vor langen Jahren, den Kopf über ihr<lb/>
Verbleiben zerbrochen. Jeder andere Monat paßte auf’s<lb/>
Haar mit Einunddreißig auf den Knöchel der Hand,<lb/>
mit Dreißig in das Grübchen und nur dieſer eine Fe-<lb/>
bruar —’s war zu merkwürdig! — Das iſt ein Stück<lb/>
aus der formellen Seite der Vorzüge dieſes Monats,<lb/>
jetzt wollen wir aber auch die inhaltvolle in Betrach-<lb/>
tung ziehen: Was iſt an dieſem Regen auszuſetzen?<lb/>
Thut er nicht ſein Möglichſtes, die Pflicht eines braven<lb/>
Regen zu erfüllen? Macht er nicht naß, was das Zeug<lb/>
halten will und mehr? — Der alte Marquart in ſei-<lb/>
nem Keller iſt freilich übel dran, ſeine Barrikaden, die<lb/>
er brummend anbringt, werden weggeſchwemmt, ſeine<lb/>
Treppe verwandelt ſich in einen Niagarafall. Alles,<lb/>
was Loch heißt, nimmt der Regen von Gottes Gnaden<lb/>
in Beſitz. Immer iſt er da; ſeine Ausdauer gränzt faſt<lb/>
an Hartnäckigkeit! Man ſollte meinen, Nachts würde<lb/>
er ſich doch wohl etwas Ruhe gönnen. Bewahre! Da<lb/>
pladdert er erſt recht. Da wäſcht er Nachtſchwärmer von<lb/>
Außen, nachdem ſie ſich von Innen gewaſchen haben; da<lb/>
wäſcht er Doktoren und Hebammen auf ihren Berufs-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[172/0182]
Am 28. Februar. —
Es iſt gar kein übler Monat dieſer Februar, man
muß ihn nur zu nehmen wiſſen! — Da iſt erſtlich die
ungeheuere Merkwürdigkeit der fehlenden Tage. Was habe
ich mir einſt, vor langen Jahren, den Kopf über ihr
Verbleiben zerbrochen. Jeder andere Monat paßte auf’s
Haar mit Einunddreißig auf den Knöchel der Hand,
mit Dreißig in das Grübchen und nur dieſer eine Fe-
bruar — ’s war zu merkwürdig! — Das iſt ein Stück
aus der formellen Seite der Vorzüge dieſes Monats,
jetzt wollen wir aber auch die inhaltvolle in Betrach-
tung ziehen: Was iſt an dieſem Regen auszuſetzen?
Thut er nicht ſein Möglichſtes, die Pflicht eines braven
Regen zu erfüllen? Macht er nicht naß, was das Zeug
halten will und mehr? — Der alte Marquart in ſei-
nem Keller iſt freilich übel dran, ſeine Barrikaden, die
er brummend anbringt, werden weggeſchwemmt, ſeine
Treppe verwandelt ſich in einen Niagarafall. Alles,
was Loch heißt, nimmt der Regen von Gottes Gnaden
in Beſitz. Immer iſt er da; ſeine Ausdauer gränzt faſt
an Hartnäckigkeit! Man ſollte meinen, Nachts würde
er ſich doch wohl etwas Ruhe gönnen. Bewahre! Da
pladdert er erſt recht. Da wäſcht er Nachtſchwärmer von
Außen, nachdem ſie ſich von Innen gewaſchen haben; da
wäſcht er Doktoren und Hebammen auf ihren Berufs-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/182>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.