Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.hatte -- einsam und allein! -- Einsam und verlassen Unter den Wenigen, die von Zeit zu Zeit das Haus hatte — einſam und allein! — Einſam und verlaſſen Unter den Wenigen, die von Zeit zu Zeit das Haus <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0169" n="159"/> hatte — einſam und allein! — Einſam und verlaſſen<lb/> war aber auch ſie jetzt, ein junges Mädchen in einer<lb/> großen fremden Stadt, die ſie nicht kannte, wo Niemand<lb/> ſie kannte. — Es fand ſich, daß die Hinterlaſſenſchaft<lb/> ihres Vaters kaum hinreichte, die während ſeines Auf-<lb/> enthalts in Wien gemachten Schulden zu bezahlen.</p><lb/> <p>Unter den Wenigen, die von Zeit zu Zeit das Haus<lb/> ihres Vaters betreten hatten, war ein Doctor Berg, ein<lb/> nicht mehr ganz junger Mann, und dieſer war der Ein-<lb/> zige, der, an das Todtenbett des alten Grafen ge-<lb/> rufen, nachdem er ihm die Augen zugedrückt hatte, ſich<lb/> der jungen Waiſe annahm. Er brachte ihre Vermögens-<lb/> verhältniſſe in Ordnung; er führte ſie, die ebenfalls faſt<lb/> menſchenſcheu Gewordene, zu guten Menſchen, zu ſeiner<lb/> alten freundlichen Mutter. — Er ſchien Alles, was er<lb/> that, nur als ſeine Pflicht anzuſehen und er, — der ihr<lb/> anfangs gleichgültig war, gewann ihre Zuneigung mehr<lb/> und mehr. Da bot er ihr ſeine Hand, und die Gräfin<lb/> Helene Seeburg ward ſeine zufriedene glückliche Gattin,<lb/> bald noch glücklicher durch die Geburt eines Sohnes, der<lb/> Guſtav genannt wurde. Da zwangen Verhältniſſe —<lb/> auch ſeine Mutter war geſtorben — den Doctor Berg,<lb/> Wien zu verlaſſen; er zog hierher und bemühte ſich, eine<lb/> Praxis zu gewinnen. Eben ſchien es ihm zu gelingen,<lb/> als eine heftige Seuche, die verheerend von Oſten kam<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [159/0169]
hatte — einſam und allein! — Einſam und verlaſſen
war aber auch ſie jetzt, ein junges Mädchen in einer
großen fremden Stadt, die ſie nicht kannte, wo Niemand
ſie kannte. — Es fand ſich, daß die Hinterlaſſenſchaft
ihres Vaters kaum hinreichte, die während ſeines Auf-
enthalts in Wien gemachten Schulden zu bezahlen.
Unter den Wenigen, die von Zeit zu Zeit das Haus
ihres Vaters betreten hatten, war ein Doctor Berg, ein
nicht mehr ganz junger Mann, und dieſer war der Ein-
zige, der, an das Todtenbett des alten Grafen ge-
rufen, nachdem er ihm die Augen zugedrückt hatte, ſich
der jungen Waiſe annahm. Er brachte ihre Vermögens-
verhältniſſe in Ordnung; er führte ſie, die ebenfalls faſt
menſchenſcheu Gewordene, zu guten Menſchen, zu ſeiner
alten freundlichen Mutter. — Er ſchien Alles, was er
that, nur als ſeine Pflicht anzuſehen und er, — der ihr
anfangs gleichgültig war, gewann ihre Zuneigung mehr
und mehr. Da bot er ihr ſeine Hand, und die Gräfin
Helene Seeburg ward ſeine zufriedene glückliche Gattin,
bald noch glücklicher durch die Geburt eines Sohnes, der
Guſtav genannt wurde. Da zwangen Verhältniſſe —
auch ſeine Mutter war geſtorben — den Doctor Berg,
Wien zu verlaſſen; er zog hierher und bemühte ſich, eine
Praxis zu gewinnen. Eben ſchien es ihm zu gelingen,
als eine heftige Seuche, die verheerend von Oſten kam
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