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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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Sommer oder Herbst; vom Winter aber wußten sie
nichts, -- da schlafen sie. Dabei hörte ich aber immer
den Herrn Lehrer lesen und Herr Brennnessel brummte
dann dazwischen. Der war auch der Einzige, welcher vom
Winter erzählen wollte, es ward aber nicht gelitten.
-- Auf einmal hörte Herr Roder auf zu lesen und ich
lag wieder bei Dir, Onkel Wachholder, im Grase und
Rezensent steckte dicht vor meinem Gesicht seine schwarze
Nase zwischen den Halmen durch und schaute mich groß
an! Das habe ich gesehen! -- War das nicht hübsch?
Und nun Herr Roder -- lesen Sie Ihre Geschichten
noch einmal -- bitte, bitte!"

"Danke schön," sagte lachend der Lehrer. "Der kluge
Herr Brennnessel hatte ganz Recht, und jetzt sehe ich auch
ein; meine Geschichten sind gar nicht hübsch!" -- Wie
lange haben wir so geträumt und erzählt und im grünen
Gras und weichen Moos gelegen? -- Schon steigt die
Sonne wieder abwärts am blauen Himmel! -- Muß
nicht der Doctor heute noch durch den Wald nach der
nächsten Eisenbahnstation? -- Auf, Lise, winde dem
Rezensenten den letzten Kranz um den schwarzen Pelz!
Laßt nichts zurück von Euern Sachen! Vorwärts! --
-- -- Auf engen schattigen Waldpfaden geht's nun
quer durch das Holz, bis wir endlich das Rollen der
Wagen auf der großen Landstraße hören und zuletzt den

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Sommer oder Herbſt; vom Winter aber wußten ſie
nichts, — da ſchlafen ſie. Dabei hörte ich aber immer
den Herrn Lehrer leſen und Herr Brennneſſel brummte
dann dazwiſchen. Der war auch der Einzige, welcher vom
Winter erzählen wollte, es ward aber nicht gelitten.
— Auf einmal hörte Herr Roder auf zu leſen und ich
lag wieder bei Dir, Onkel Wachholder, im Graſe und
Rezenſent ſteckte dicht vor meinem Geſicht ſeine ſchwarze
Naſe zwiſchen den Halmen durch und ſchaute mich groß
an! Das habe ich geſehen! — War das nicht hübſch?
Und nun Herr Roder — leſen Sie Ihre Geſchichten
noch einmal — bitte, bitte!“

„Danke ſchön,“ ſagte lachend der Lehrer. „Der kluge
Herr Brennneſſel hatte ganz Recht, und jetzt ſehe ich auch
ein; meine Geſchichten ſind gar nicht hübſch!“ — Wie
lange haben wir ſo geträumt und erzählt und im grünen
Gras und weichen Moos gelegen? — Schon ſteigt die
Sonne wieder abwärts am blauen Himmel! — Muß
nicht der Doctor heute noch durch den Wald nach der
nächſten Eiſenbahnſtation? — Auf, Liſe, winde dem
Rezenſenten den letzten Kranz um den ſchwarzen Pelz!
Laßt nichts zurück von Euern Sachen! Vorwärts! —
— — Auf engen ſchattigen Waldpfaden geht’s nun
quer durch das Holz, bis wir endlich das Rollen der
Wagen auf der großen Landſtraße hören und zuletzt den

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[129/0139] Sommer oder Herbſt; vom Winter aber wußten ſie nichts, — da ſchlafen ſie. Dabei hörte ich aber immer den Herrn Lehrer leſen und Herr Brennneſſel brummte dann dazwiſchen. Der war auch der Einzige, welcher vom Winter erzählen wollte, es ward aber nicht gelitten. — Auf einmal hörte Herr Roder auf zu leſen und ich lag wieder bei Dir, Onkel Wachholder, im Graſe und Rezenſent ſteckte dicht vor meinem Geſicht ſeine ſchwarze Naſe zwiſchen den Halmen durch und ſchaute mich groß an! Das habe ich geſehen! — War das nicht hübſch? Und nun Herr Roder — leſen Sie Ihre Geſchichten noch einmal — bitte, bitte!“ „Danke ſchön,“ ſagte lachend der Lehrer. „Der kluge Herr Brennneſſel hatte ganz Recht, und jetzt ſehe ich auch ein; meine Geſchichten ſind gar nicht hübſch!“ — Wie lange haben wir ſo geträumt und erzählt und im grünen Gras und weichen Moos gelegen? — Schon ſteigt die Sonne wieder abwärts am blauen Himmel! — Muß nicht der Doctor heute noch durch den Wald nach der nächſten Eiſenbahnſtation? — Auf, Liſe, winde dem Rezenſenten den letzten Kranz um den ſchwarzen Pelz! Laßt nichts zurück von Euern Sachen! Vorwärts! — — — Auf engen ſchattigen Waldpfaden geht’s nun quer durch das Holz, bis wir endlich das Rollen der Wagen auf der großen Landſtraße hören und zuletzt den 9

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/139>, abgerufen am 24.11.2024.