Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.burg vorgelesen wurde, hielt der Secretär seinen Clienten. Es war kein Glück, was der Zinsmeister von Rothenburg mit der Silberburg erlangt hatte! Im Jahre 1695 starb Traugott Scheffer, weniger an der Abzehrung, als an dem Schmerz und Verdruß über die Verlegung des Reichskammergerichts von Regensburg nach Wetzlar. Auch auf seinem Besitz haftete kein Glück; das Vermögen, welches der Eheherr zusammengescharrt hatte, zerfloß und zerging der trauernden Wittwe; Niemand wußte recht, auf welche Weise. Schlecht schlug das Söhnlein aus, that nach Kräften das Seinige zum Ruin der Mutter und lief zuletzt unter die Soldaten. Verlumpt und verludert kam es im Jahre 1703 heim aus dem Kriege, grade zur rechten Zeit, um dem Sarge der Mutter aus dem Hospital nach dem Kirchhof zu folgen. Als Wolf Scheffer dann die wenigen Habseligkeiten der verschiedenen Frau durchstöberte, fand er das Blatt, welches ihn zum reichen Mann in Rothenburg im Thal machen konnte. Es war eine zerbrochene silberne Haarnadel, ein dito Löffelstiel und eine Kette von Bernsteinperlen hineingewickelt. Wolf that einen Pfiff über den Fund, machte die drei Werthgegenstände zu Geld und zog gen Rothenburg, wo er grade recht kam, den bedrängten Rath von dem fressenden Delinquenten im Thurm zu erlösen. Mit einer gewissen wilden Ironie und um nicht zu verhungern bis zum 1. April 1705, übernahm der einstige Profoß vom Regiment Deutschmeister-Infan- burg vorgelesen wurde, hielt der Secretär seinen Clienten. Es war kein Glück, was der Zinsmeister von Rothenburg mit der Silberburg erlangt hatte! Im Jahre 1695 starb Traugott Scheffer, weniger an der Abzehrung, als an dem Schmerz und Verdruß über die Verlegung des Reichskammergerichts von Regensburg nach Wetzlar. Auch auf seinem Besitz haftete kein Glück; das Vermögen, welches der Eheherr zusammengescharrt hatte, zerfloß und zerging der trauernden Wittwe; Niemand wußte recht, auf welche Weise. Schlecht schlug das Söhnlein aus, that nach Kräften das Seinige zum Ruin der Mutter und lief zuletzt unter die Soldaten. Verlumpt und verludert kam es im Jahre 1703 heim aus dem Kriege, grade zur rechten Zeit, um dem Sarge der Mutter aus dem Hospital nach dem Kirchhof zu folgen. Als Wolf Scheffer dann die wenigen Habseligkeiten der verschiedenen Frau durchstöberte, fand er das Blatt, welches ihn zum reichen Mann in Rothenburg im Thal machen konnte. Es war eine zerbrochene silberne Haarnadel, ein dito Löffelstiel und eine Kette von Bernsteinperlen hineingewickelt. Wolf that einen Pfiff über den Fund, machte die drei Werthgegenstände zu Geld und zog gen Rothenburg, wo er grade recht kam, den bedrängten Rath von dem fressenden Delinquenten im Thurm zu erlösen. Mit einer gewissen wilden Ironie und um nicht zu verhungern bis zum 1. April 1705, übernahm der einstige Profoß vom Regiment Deutschmeister-Infan- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="7"> <p><pb facs="#f0066"/> burg vorgelesen wurde, hielt der Secretär seinen Clienten. Es war kein Glück, was der Zinsmeister von Rothenburg mit der Silberburg erlangt hatte!</p><lb/> <p>Im Jahre 1695 starb Traugott Scheffer, weniger an der Abzehrung, als an dem Schmerz und Verdruß über die Verlegung des Reichskammergerichts von Regensburg nach Wetzlar. Auch auf seinem Besitz haftete kein Glück; das Vermögen, welches der Eheherr zusammengescharrt hatte, zerfloß und zerging der trauernden Wittwe; Niemand wußte recht, auf welche Weise. Schlecht schlug das Söhnlein aus, that nach Kräften das Seinige zum Ruin der Mutter und lief zuletzt unter die Soldaten. Verlumpt und verludert kam es im Jahre 1703 heim aus dem Kriege, grade zur rechten Zeit, um dem Sarge der Mutter aus dem Hospital nach dem Kirchhof zu folgen.</p><lb/> <p>Als Wolf Scheffer dann die wenigen Habseligkeiten der verschiedenen Frau durchstöberte, fand er das Blatt, welches ihn zum reichen Mann in Rothenburg im Thal machen konnte. Es war eine zerbrochene silberne Haarnadel, ein dito Löffelstiel und eine Kette von Bernsteinperlen hineingewickelt. Wolf that einen Pfiff über den Fund, machte die drei Werthgegenstände zu Geld und zog gen Rothenburg, wo er grade recht kam, den bedrängten Rath von dem fressenden Delinquenten im Thurm zu erlösen. Mit einer gewissen wilden Ironie und um nicht zu verhungern bis zum 1. April 1705, übernahm der einstige Profoß vom Regiment Deutschmeister-Infan-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0066]
burg vorgelesen wurde, hielt der Secretär seinen Clienten. Es war kein Glück, was der Zinsmeister von Rothenburg mit der Silberburg erlangt hatte!
Im Jahre 1695 starb Traugott Scheffer, weniger an der Abzehrung, als an dem Schmerz und Verdruß über die Verlegung des Reichskammergerichts von Regensburg nach Wetzlar. Auch auf seinem Besitz haftete kein Glück; das Vermögen, welches der Eheherr zusammengescharrt hatte, zerfloß und zerging der trauernden Wittwe; Niemand wußte recht, auf welche Weise. Schlecht schlug das Söhnlein aus, that nach Kräften das Seinige zum Ruin der Mutter und lief zuletzt unter die Soldaten. Verlumpt und verludert kam es im Jahre 1703 heim aus dem Kriege, grade zur rechten Zeit, um dem Sarge der Mutter aus dem Hospital nach dem Kirchhof zu folgen.
Als Wolf Scheffer dann die wenigen Habseligkeiten der verschiedenen Frau durchstöberte, fand er das Blatt, welches ihn zum reichen Mann in Rothenburg im Thal machen konnte. Es war eine zerbrochene silberne Haarnadel, ein dito Löffelstiel und eine Kette von Bernsteinperlen hineingewickelt. Wolf that einen Pfiff über den Fund, machte die drei Werthgegenstände zu Geld und zog gen Rothenburg, wo er grade recht kam, den bedrängten Rath von dem fressenden Delinquenten im Thurm zu erlösen. Mit einer gewissen wilden Ironie und um nicht zu verhungern bis zum 1. April 1705, übernahm der einstige Profoß vom Regiment Deutschmeister-Infan-
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Zitationshilfe: | Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_recht_1910/66>, abgerufen am 16.02.2025. |