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Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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tete es nachdenklich und gerührt. Zwischen Blumen und Früchten saß ein lächelnder Knabe mit Flügeln, Köcher, Bogen und Pfeil und zielte aus der altersdunkeln Leinwand auf die Beschauerin. Vor langen, langen Jahren hatte nach Art der Zeit der Stadtmaler Aloysius Murkele auf Bestellung der Großmutter den Vater Laurentia's als Amor abconterfeit; -- wie fuhr die Enkelin und Tochter zusammen, als sie sich endlich von diesem jetzt so gespenstischen Bilde abwandte.

Sie stieg die Treppe hinab in das Erdgeschoß, wo in der Küche die alte Magd bereits wirthschaftete und die Jungfrau mit vielen und erregten Ausrufungen und Schilderungen des vom Sturm in der Stadt und in der Umgegend angerichteten Schadens empfing. Der Bronn vor des Schöffen Marklinger's Haus war umgerissen, in Sanct Agathenvorstadt waren eine Kuh und ein Pferd von einem einstürzenden Stall erschlagen und so weiter und so weiter.

So, Jungfrau, rief die Alte, die Hände zusammenschlagend, so grausam hat der böse Feind gewüthet, daß es nicht zu glauben ist. Stimmen hat man im Wind gehört, Kreischen und Jauchzen; Weiber hat man reiten sehen auf Besen und Gabeln in den Wolken; es ist nicht auszusagen. Die große Linde vor der Rathsapotheke lieget auch darnieder, und nun schauet nur, wie's in unserem eigenen Garten aussiehet. Was mich am meisten wundert, ist, daß der Thurm dort oben auf der Römerhöhe noch aufrecht stehet; der grause Wind hat

tete es nachdenklich und gerührt. Zwischen Blumen und Früchten saß ein lächelnder Knabe mit Flügeln, Köcher, Bogen und Pfeil und zielte aus der altersdunkeln Leinwand auf die Beschauerin. Vor langen, langen Jahren hatte nach Art der Zeit der Stadtmaler Aloysius Murkele auf Bestellung der Großmutter den Vater Laurentia's als Amor abconterfeit; — wie fuhr die Enkelin und Tochter zusammen, als sie sich endlich von diesem jetzt so gespenstischen Bilde abwandte.

Sie stieg die Treppe hinab in das Erdgeschoß, wo in der Küche die alte Magd bereits wirthschaftete und die Jungfrau mit vielen und erregten Ausrufungen und Schilderungen des vom Sturm in der Stadt und in der Umgegend angerichteten Schadens empfing. Der Bronn vor des Schöffen Marklinger's Haus war umgerissen, in Sanct Agathenvorstadt waren eine Kuh und ein Pferd von einem einstürzenden Stall erschlagen und so weiter und so weiter.

So, Jungfrau, rief die Alte, die Hände zusammenschlagend, so grausam hat der böse Feind gewüthet, daß es nicht zu glauben ist. Stimmen hat man im Wind gehört, Kreischen und Jauchzen; Weiber hat man reiten sehen auf Besen und Gabeln in den Wolken; es ist nicht auszusagen. Die große Linde vor der Rathsapotheke lieget auch darnieder, und nun schauet nur, wie's in unserem eigenen Garten aussiehet. Was mich am meisten wundert, ist, daß der Thurm dort oben auf der Römerhöhe noch aufrecht stehet; der grause Wind hat

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T09:56:25Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-23T09:56:25Z)

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_recht_1910/55>, abgerufen am 23.11.2024.