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Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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den rothen Glanz im Westen, und silbern überflutete es Berg und Thal, Stadt und Ebene. Roth flimmerten in der Tiefe die Lichter aus den Fenstern von Rothenburg; die Frösche quakten, die Grillen zirpten, Nachtschmetterlinge und Nachtvögel begannen ihren Flug. Die Fledermaus zog ihre irren Kreise; junges Volk sang einzeln oder in Chören. Es war, als seien alle Plagen, welche die Menschheit bedrängen, wieder zurückgescheucht in die Büchse der Pandora, als sei der Deckel niedergefallen und siebenfältig versiegelt.

Aus seiner Dienstwohnung unter den Bogen des Rathhauses trat der Rathsnachtwächter mit Horn, Spieß und Hund. Der Hund ging zum nächsten Eckstein; seinen Spieß stieß der Wächter auf den Boden, sein Horn setzte er an den Mund, blies dreimal hinein, dumpfes Getön hervorlockend, dann sang er mit rauher Stimme:

"Seine Noth und seine Plag' Hat der liebe lange Tag; Hort, ihr Herren, hört, ihr Frau'n, In und um euch sollt ihr schau'n In der Nacht."

Zum Beschluß verkündete Joachim Schaufele kaiserlich freier Reichsstadt Rothenburg im Thal die neunte Abenstunde.

Gegen zehn Uhr knarrte die Hinterthür der Silberburg, eine Gestalt trat vorsichtig hinaus und glitt unhörbaren Schrittes in den Garten. In dem verworrenen Gebüsch saß eine Nachtigall, der im Frühling das Liebchen vom Weih getödtet worden war. Nun sang sie

den rothen Glanz im Westen, und silbern überflutete es Berg und Thal, Stadt und Ebene. Roth flimmerten in der Tiefe die Lichter aus den Fenstern von Rothenburg; die Frösche quakten, die Grillen zirpten, Nachtschmetterlinge und Nachtvögel begannen ihren Flug. Die Fledermaus zog ihre irren Kreise; junges Volk sang einzeln oder in Chören. Es war, als seien alle Plagen, welche die Menschheit bedrängen, wieder zurückgescheucht in die Büchse der Pandora, als sei der Deckel niedergefallen und siebenfältig versiegelt.

Aus seiner Dienstwohnung unter den Bogen des Rathhauses trat der Rathsnachtwächter mit Horn, Spieß und Hund. Der Hund ging zum nächsten Eckstein; seinen Spieß stieß der Wächter auf den Boden, sein Horn setzte er an den Mund, blies dreimal hinein, dumpfes Getön hervorlockend, dann sang er mit rauher Stimme:

“Seine Noth und seine Plag' Hat der liebe lange Tag; Hort, ihr Herren, hört, ihr Frau'n, In und um euch sollt ihr schau’n In der Nacht.“

Zum Beschluß verkündete Joachim Schaufele kaiserlich freier Reichsstadt Rothenburg im Thal die neunte Abenstunde.

Gegen zehn Uhr knarrte die Hinterthür der Silberburg, eine Gestalt trat vorsichtig hinaus und glitt unhörbaren Schrittes in den Garten. In dem verworrenen Gebüsch saß eine Nachtigall, der im Frühling das Liebchen vom Weih getödtet worden war. Nun sang sie

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T09:56:25Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-23T09:56:25Z)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_recht_1910/34>, abgerufen am 24.11.2024.