bei Tage gewesen, so hätte man es ihm wohl ange¬ sehen, daß ihm das Gezweig im Dickicht häufig genug den Hut vom Kopfe gestoßen habe, daß er nicht selten der ausgefahrenen Heerstraße aus dem Wege gegangen sei und einen Umweg durch die Wildniß nicht gescheut habe, um einem unnöthigen oder gar niederträchtigen Aufenthalt auf seinem Marsche auszuweichen.
Mehr denn einmal hatte ihn das Marodevolk von Auvergne, Pikardie, oder hatten ihn welche von den Freiwilligen von Austrasien zum Führer brauchen wollen; doch auf die Gefahr hin, am nächsten Baum zu baumeln, war er den Zumuthungen entgangen. Auf Stunden Weges wenigstens hatte er, wie er ver¬ meinte, den Herrn Herzog von Broglio hinter sich ge¬ lassen; und seine blauen, grünen und gelben Dragoner oft recht nahe auf den Fersen gehabt. Wie konnte der Holzmindensche Schüler genau wissen, wo der große französische Oberfeldherr in diesen Tagen sich persön¬ lich aufhielt? Hinter Lobach unter dem Eberstein hatte er aber seinetwegen jeden gebahnten Weg ganz auf¬ gegeben und sich ganz im Walde verloren. Verloren? das nun wohl nicht im wörtlichsten Sinne des Wortes. Dazu kannte er -- leidergottes -- das Revier zu gut als der schlimmste nächtliche Wilderer der Sekunda und der Prima der frommen und hochgelahrten Kloster¬ schule von Amelungsborn. Daß er dem Strick des Herrn Generals von Poyanne entging, war eigentlich gar kein Wunder, da ihm die Büchsenkugeln der herzoglich
bei Tage geweſen, ſo hätte man es ihm wohl ange¬ ſehen, daß ihm das Gezweig im Dickicht häufig genug den Hut vom Kopfe geſtoßen habe, daß er nicht ſelten der ausgefahrenen Heerſtraße aus dem Wege gegangen ſei und einen Umweg durch die Wildniß nicht geſcheut habe, um einem unnöthigen oder gar niederträchtigen Aufenthalt auf ſeinem Marſche auszuweichen.
Mehr denn einmal hatte ihn das Marodevolk von Auvergne, Pikardie, oder hatten ihn welche von den Freiwilligen von Auſtraſien zum Führer brauchen wollen; doch auf die Gefahr hin, am nächſten Baum zu baumeln, war er den Zumuthungen entgangen. Auf Stunden Weges wenigſtens hatte er, wie er ver¬ meinte, den Herrn Herzog von Broglio hinter ſich ge¬ laſſen; und ſeine blauen, grünen und gelben Dragoner oft recht nahe auf den Ferſen gehabt. Wie konnte der Holzmindenſche Schüler genau wiſſen, wo der große franzöſiſche Oberfeldherr in dieſen Tagen ſich perſön¬ lich aufhielt? Hinter Lobach unter dem Eberſtein hatte er aber ſeinetwegen jeden gebahnten Weg ganz auf¬ gegeben und ſich ganz im Walde verloren. Verloren? das nun wohl nicht im wörtlichſten Sinne des Wortes. Dazu kannte er — leidergottes — das Revier zu gut als der ſchlimmſte nächtliche Wilderer der Sekunda und der Prima der frommen und hochgelahrten Kloſter¬ ſchule von Amelungsborn. Daß er dem Strick des Herrn Generals von Poyanne entging, war eigentlich gar kein Wunder, da ihm die Büchſenkugeln der herzoglich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0094"n="86"/>
bei Tage geweſen, ſo hätte man es ihm wohl ange¬<lb/>ſehen, daß ihm das Gezweig im Dickicht häufig genug<lb/>
den Hut vom Kopfe geſtoßen habe, daß er nicht ſelten<lb/>
der ausgefahrenen Heerſtraße aus dem Wege gegangen<lb/>ſei und einen Umweg durch die Wildniß nicht geſcheut<lb/>
habe, um einem unnöthigen oder gar niederträchtigen<lb/>
Aufenthalt auf ſeinem Marſche auszuweichen.</p><lb/><p>Mehr denn einmal hatte ihn das Marodevolk von<lb/>
Auvergne, Pikardie, oder hatten ihn welche von den<lb/>
Freiwilligen von Auſtraſien zum Führer brauchen<lb/>
wollen; doch auf die Gefahr hin, am nächſten Baum<lb/>
zu baumeln, war er den Zumuthungen entgangen.<lb/>
Auf Stunden Weges wenigſtens hatte er, wie er ver¬<lb/>
meinte, den Herrn Herzog von Broglio hinter ſich ge¬<lb/>
laſſen; und ſeine blauen, grünen und gelben Dragoner<lb/>
oft recht nahe auf den Ferſen gehabt. Wie konnte der<lb/>
Holzmindenſche Schüler genau wiſſen, wo der große<lb/>
franzöſiſche Oberfeldherr in dieſen Tagen ſich perſön¬<lb/>
lich aufhielt? Hinter Lobach unter dem Eberſtein hatte<lb/>
er aber ſeinetwegen jeden gebahnten Weg ganz auf¬<lb/>
gegeben und ſich ganz im Walde verloren. Verloren?<lb/>
das nun wohl nicht im wörtlichſten Sinne des Wortes.<lb/>
Dazu kannte er — leidergottes — das Revier zu<lb/>
gut als der ſchlimmſte nächtliche Wilderer der Sekunda<lb/>
und der Prima der frommen und hochgelahrten Kloſter¬<lb/>ſchule von Amelungsborn. Daß er dem Strick des<lb/>
Herrn Generals von Poyanne entging, war eigentlich<lb/>
gar kein Wunder, da ihm die Büchſenkugeln der herzoglich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[86/0094]
bei Tage geweſen, ſo hätte man es ihm wohl ange¬
ſehen, daß ihm das Gezweig im Dickicht häufig genug
den Hut vom Kopfe geſtoßen habe, daß er nicht ſelten
der ausgefahrenen Heerſtraße aus dem Wege gegangen
ſei und einen Umweg durch die Wildniß nicht geſcheut
habe, um einem unnöthigen oder gar niederträchtigen
Aufenthalt auf ſeinem Marſche auszuweichen.
Mehr denn einmal hatte ihn das Marodevolk von
Auvergne, Pikardie, oder hatten ihn welche von den
Freiwilligen von Auſtraſien zum Führer brauchen
wollen; doch auf die Gefahr hin, am nächſten Baum
zu baumeln, war er den Zumuthungen entgangen.
Auf Stunden Weges wenigſtens hatte er, wie er ver¬
meinte, den Herrn Herzog von Broglio hinter ſich ge¬
laſſen; und ſeine blauen, grünen und gelben Dragoner
oft recht nahe auf den Ferſen gehabt. Wie konnte der
Holzmindenſche Schüler genau wiſſen, wo der große
franzöſiſche Oberfeldherr in dieſen Tagen ſich perſön¬
lich aufhielt? Hinter Lobach unter dem Eberſtein hatte
er aber ſeinetwegen jeden gebahnten Weg ganz auf¬
gegeben und ſich ganz im Walde verloren. Verloren?
das nun wohl nicht im wörtlichſten Sinne des Wortes.
Dazu kannte er — leidergottes — das Revier zu
gut als der ſchlimmſte nächtliche Wilderer der Sekunda
und der Prima der frommen und hochgelahrten Kloſter¬
ſchule von Amelungsborn. Daß er dem Strick des
Herrn Generals von Poyanne entging, war eigentlich
gar kein Wunder, da ihm die Büchſenkugeln der herzoglich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/94>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.