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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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herzigkeit; aber für Unsereinen hat Er kein Auge mehr
übrig. Alles sucht Er sich zusammen im Himmel und
auf Erden und läßt es sich von den Jungens oder
unsern Knechten bringen, wenn sie meinen, daß es was
für Ihn ist; aber für uns hat Er keine Zeit mehr
übrig. Ach du lieber Gott und wir kuken doch Alle in
der Bedrängniß nach Ihm, wenn der Herr Magister
es auch nicht wissen. Und wenn Er über den Hof
geht, hat Er hinter jeder Stallthür und hinter jedem
Fenster Einen, der mit Ihm sprechen möchte; wenn der
Herr Magister auch keinen Gedanken daran haben.
Und merken lassen kann es ja Keiner von uns, wie es
sich für solch' einen gelehrten Herrn schickt, wie wir uns
zu gern auf Ihn um Rath und That und Trost verlassen
möchten. Mit der Schrift kann es ja Keiner vom Kloster
Ihm zu wissen thun, daß wir Alle wissen, daß Er allein
hier in Amelungsborn aus der alten Zeit her und der
frühern Gelehrsamkeit uns zu Trost und Rath und
Hülfe sein kann, wenn der Herr Magister nur wollen.
Aber Er will ja nicht --"

"Gütiger Himmel, weßhalb will er denn nicht?"
stammelte Magister und Exkollaborator Buchius, zum
allerersten Mal in seinem Leben, und zwar jetzt zu
seiner zitternden Ueberraschung, gewahr werdend, daß
auch er auf der Wagschaale mitwiege, daß auch er von
wirklicher angsthaft gefühlter Bedeutung für ein anderes
Menschenkind, für andere -- ausgewachsene Leute sein
könne. "So laß doch das Gejammere, das Geweine,

herzigkeit; aber für Unſereinen hat Er kein Auge mehr
übrig. Alles ſucht Er ſich zuſammen im Himmel und
auf Erden und läßt es ſich von den Jungens oder
unſern Knechten bringen, wenn ſie meinen, daß es was
für Ihn iſt; aber für uns hat Er keine Zeit mehr
übrig. Ach du lieber Gott und wir kuken doch Alle in
der Bedrängniß nach Ihm, wenn der Herr Magiſter
es auch nicht wiſſen. Und wenn Er über den Hof
geht, hat Er hinter jeder Stallthür und hinter jedem
Fenſter Einen, der mit Ihm ſprechen möchte; wenn der
Herr Magiſter auch keinen Gedanken daran haben.
Und merken laſſen kann es ja Keiner von uns, wie es
ſich für ſolch' einen gelehrten Herrn ſchickt, wie wir uns
zu gern auf Ihn um Rath und That und Troſt verlaſſen
möchten. Mit der Schrift kann es ja Keiner vom Kloſter
Ihm zu wiſſen thun, daß wir Alle wiſſen, daß Er allein
hier in Amelungsborn aus der alten Zeit her und der
frühern Gelehrſamkeit uns zu Troſt und Rath und
Hülfe ſein kann, wenn der Herr Magiſter nur wollen.
Aber Er will ja nicht —“

„Gütiger Himmel, weßhalb will er denn nicht?“
ſtammelte Magiſter und Exkollaborator Buchius, zum
allererſten Mal in ſeinem Leben, und zwar jetzt zu
ſeiner zitternden Ueberraſchung, gewahr werdend, daß
auch er auf der Wagſchaale mitwiege, daß auch er von
wirklicher angſthaft gefühlter Bedeutung für ein anderes
Menſchenkind, für andere — ausgewachſene Leute ſein
könne. „So laß doch das Gejammere, das Geweine,

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[60/0068] herzigkeit; aber für Unſereinen hat Er kein Auge mehr übrig. Alles ſucht Er ſich zuſammen im Himmel und auf Erden und läßt es ſich von den Jungens oder unſern Knechten bringen, wenn ſie meinen, daß es was für Ihn iſt; aber für uns hat Er keine Zeit mehr übrig. Ach du lieber Gott und wir kuken doch Alle in der Bedrängniß nach Ihm, wenn der Herr Magiſter es auch nicht wiſſen. Und wenn Er über den Hof geht, hat Er hinter jeder Stallthür und hinter jedem Fenſter Einen, der mit Ihm ſprechen möchte; wenn der Herr Magiſter auch keinen Gedanken daran haben. Und merken laſſen kann es ja Keiner von uns, wie es ſich für ſolch' einen gelehrten Herrn ſchickt, wie wir uns zu gern auf Ihn um Rath und That und Troſt verlaſſen möchten. Mit der Schrift kann es ja Keiner vom Kloſter Ihm zu wiſſen thun, daß wir Alle wiſſen, daß Er allein hier in Amelungsborn aus der alten Zeit her und der frühern Gelehrſamkeit uns zu Troſt und Rath und Hülfe ſein kann, wenn der Herr Magiſter nur wollen. Aber Er will ja nicht —“ „Gütiger Himmel, weßhalb will er denn nicht?“ ſtammelte Magiſter und Exkollaborator Buchius, zum allererſten Mal in ſeinem Leben, und zwar jetzt zu ſeiner zitternden Ueberraſchung, gewahr werdend, daß auch er auf der Wagſchaale mitwiege, daß auch er von wirklicher angſthaft gefühlter Bedeutung für ein anderes Menſchenkind, für andere — ausgewachſene Leute ſein könne. „So laß doch das Gejammere, das Geweine,

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/68>, abgerufen am 23.11.2024.