Diese wurde gebracht, als der greise Benemeritus seinen Gefangenen, oder lieber seinen Geretteten, aus der Bataille auf dem Campus Odini aus dem Sacktuch, in welchem er ihn hergetragen hatte, loslöste.
Mit hängendem Flügel hüpfte der wunde schwarze Kämpfer hervor, versuchte zu flattern, gab es auf, hüpfte auf gottlob gesunden Füßen hierhin und dahin durch das Gemach, stellte sich fest unter dem Tische, legte den Kopf auf die Seite, den Magister Buchius genau zu betrachten und sprach rauh, heiser und klagend:
"Krah! krr, krr, krr!"
"Komme Er her; ich thue Ihm weiter nichts," sagte der Magister Buchius, wie er das vordem von seinem Katheder herunter hätte sagen können. "Lasse Er mich wenigstens nach Seinem Fittich sehen," sagte der Magister zuredend und dabei unter den Tisch nach seinem neuen Stubengenossen greifend. Noch traute dieser aber nicht gänzlich. Krächzend hüpfte er vor der begütigenden, mitleidigen Hand zurück in's Dunkel, und in demselben Augenblick klopfte es an der Zellenthür.
Es war Wieschen, von der Frau Klosteramtmannin geschickt mit dem Abendbrod des Emeritus der großen Schule von Amelungsborn, des zu Tode zu fütternden gelehrten übersinnigen Haus- und Hof-Genossen.
"Krah!" kreischte der Rab, mit dem ganzen Witz seines Geschlechts eine offene Thür sofort von einer ge¬ schlossenen unterscheidend. Noch einmal versuchte er zu fliegen und flatterte wenigstens gegen das erschreckt
Dieſe wurde gebracht, als der greiſe Benemeritus ſeinen Gefangenen, oder lieber ſeinen Geretteten, aus der Bataille auf dem Campus Odini aus dem Sacktuch, in welchem er ihn hergetragen hatte, loslöſte.
Mit hängendem Flügel hüpfte der wunde ſchwarze Kämpfer hervor, verſuchte zu flattern, gab es auf, hüpfte auf gottlob geſunden Füßen hierhin und dahin durch das Gemach, ſtellte ſich feſt unter dem Tiſche, legte den Kopf auf die Seite, den Magiſter Buchius genau zu betrachten und ſprach rauh, heiſer und klagend:
„Krah! krr, krr, krr!“
„Komme Er her; ich thue Ihm weiter nichts,“ ſagte der Magiſter Buchius, wie er das vordem von ſeinem Katheder herunter hätte ſagen können. „Laſſe Er mich wenigſtens nach Seinem Fittich ſehen,“ ſagte der Magiſter zuredend und dabei unter den Tiſch nach ſeinem neuen Stubengenoſſen greifend. Noch traute dieſer aber nicht gänzlich. Krächzend hüpfte er vor der begütigenden, mitleidigen Hand zurück in's Dunkel, und in demſelben Augenblick klopfte es an der Zellenthür.
Es war Wieſchen, von der Frau Kloſteramtmannin geſchickt mit dem Abendbrod des Emeritus der großen Schule von Amelungsborn, des zu Tode zu fütternden gelehrten überſinnigen Haus- und Hof-Genoſſen.
„Krah!“ kreiſchte der Rab, mit dem ganzen Witz ſeines Geſchlechts eine offene Thür ſofort von einer ge¬ ſchloſſenen unterſcheidend. Noch einmal verſuchte er zu fliegen und flatterte wenigſtens gegen das erſchreckt
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Dieſe wurde gebracht, als der greiſe Benemeritus
ſeinen Gefangenen, oder lieber ſeinen Geretteten, aus der
Bataille auf dem Campus Odini aus dem Sacktuch, in
welchem er ihn hergetragen hatte, loslöſte.
Mit hängendem Flügel hüpfte der wunde ſchwarze
Kämpfer hervor, verſuchte zu flattern, gab es auf, hüpfte
auf gottlob geſunden Füßen hierhin und dahin durch
das Gemach, ſtellte ſich feſt unter dem Tiſche, legte
den Kopf auf die Seite, den Magiſter Buchius genau
zu betrachten und ſprach rauh, heiſer und klagend:
„Krah! krr, krr, krr!“
„Komme Er her; ich thue Ihm weiter nichts,“ ſagte
der Magiſter Buchius, wie er das vordem von ſeinem
Katheder herunter hätte ſagen können. „Laſſe Er mich
wenigſtens nach Seinem Fittich ſehen,“ ſagte der Magiſter
zuredend und dabei unter den Tiſch nach ſeinem neuen
Stubengenoſſen greifend. Noch traute dieſer aber nicht
gänzlich. Krächzend hüpfte er vor der begütigenden,
mitleidigen Hand zurück in's Dunkel, und in demſelben
Augenblick klopfte es an der Zellenthür.
Es war Wieſchen, von der Frau Kloſteramtmannin
geſchickt mit dem Abendbrod des Emeritus der großen
Schule von Amelungsborn, des zu Tode zu fütternden
gelehrten überſinnigen Haus- und Hof-Genoſſen.
„Krah!“ kreiſchte der Rab, mit dem ganzen Witz
ſeines Geſchlechts eine offene Thür ſofort von einer ge¬
ſchloſſenen unterſcheidend. Noch einmal verſuchte er zu
fliegen und flatterte wenigſtens gegen das erſchreckt
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/65>, abgerufen am 16.02.2025.
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