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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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vierten Novembers 1761 vor der Seele und im Ge¬
dächtniß.

Auch das Titelblatt war ausgerissen worden; aber
Magister Buchius wußte doch, was er wieder in den
zitternden Händen hielt; nämlich den Wunderbaren
Todesboten, oder die schrift- und vernunftmäßige Unter¬
suchung, was zu halten sei von etc. -- an's Licht ge¬
geben von Theodoro Kampf, Schloßpredigern zu Iburg:

"O mein Sohn Diedericus! mein Thedel! mein
armer Thedel von Münchhausen. So bin ich alter
unnützer Knecht unverdientermaaßen erhalten in meinem
Eigenthum und Du liegest draußen auf dem Odfelde
in Deinem erstarrten jungen Blut, und wenn ich
morgen reden will von Dir, werden sie mir den Mund
verbieten und sprechen: Du habest Dein Theil nur
verdientermaaßen empfangen, habest nur Das erhalten,
was Du gewollt habest!"

Er hielt ein Blatt aus dem zerrissenen wunder¬
lichen Buch und entzifferte, schwimmenden Auges, noch
Eine Zeile beim letzten Abendgrauen:

"Bringet mir Diesen zur Ruhe!"

In diesem Augenblick fuhr er heftig erschrocken zu¬
sammen, er, der den halben Tag über das Krachen
des Kleingewehrs und den Donner des groben Geschützes
aus der Schlacht am Ith im Ohr gehabt hatte. Und
es zupfte ihn doch nur Jemand unten am Rock, und
hackte in seine Schuhschnallen und sagte:

"Krah!".....

vierten Novembers 1761 vor der Seele und im Ge¬
dächtniß.

Auch das Titelblatt war ausgeriſſen worden; aber
Magiſter Buchius wußte doch, was er wieder in den
zitternden Händen hielt; nämlich den Wunderbaren
Todesboten, oder die ſchrift- und vernunftmäßige Unter¬
ſuchung, was zu halten ſei von ꝛc. — an's Licht ge¬
geben von Theodoro Kampf, Schloßpredigern zu Iburg:

„O mein Sohn Diedericus! mein Thedel! mein
armer Thedel von Münchhauſen. So bin ich alter
unnützer Knecht unverdientermaaßen erhalten in meinem
Eigenthum und Du liegeſt draußen auf dem Odfelde
in Deinem erſtarrten jungen Blut, und wenn ich
morgen reden will von Dir, werden ſie mir den Mund
verbieten und ſprechen: Du habeſt Dein Theil nur
verdientermaaßen empfangen, habeſt nur Das erhalten,
was Du gewollt habeſt!“

Er hielt ein Blatt aus dem zerriſſenen wunder¬
lichen Buch und entzifferte, ſchwimmenden Auges, noch
Eine Zeile beim letzten Abendgrauen:

Bringet mir Dieſen zur Ruhe!“

In dieſem Augenblick fuhr er heftig erſchrocken zu¬
ſammen, er, der den halben Tag über das Krachen
des Kleingewehrs und den Donner des groben Geſchützes
aus der Schlacht am Ith im Ohr gehabt hatte. Und
es zupfte ihn doch nur Jemand unten am Rock, und
hackte in ſeine Schuhſchnallen und ſagte:

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[295/0303] vierten Novembers 1761 vor der Seele und im Ge¬ dächtniß. Auch das Titelblatt war ausgeriſſen worden; aber Magiſter Buchius wußte doch, was er wieder in den zitternden Händen hielt; nämlich den Wunderbaren Todesboten, oder die ſchrift- und vernunftmäßige Unter¬ ſuchung, was zu halten ſei von ꝛc. — an's Licht ge¬ geben von Theodoro Kampf, Schloßpredigern zu Iburg: „O mein Sohn Diedericus! mein Thedel! mein armer Thedel von Münchhauſen. So bin ich alter unnützer Knecht unverdientermaaßen erhalten in meinem Eigenthum und Du liegeſt draußen auf dem Odfelde in Deinem erſtarrten jungen Blut, und wenn ich morgen reden will von Dir, werden ſie mir den Mund verbieten und ſprechen: Du habeſt Dein Theil nur verdientermaaßen empfangen, habeſt nur Das erhalten, was Du gewollt habeſt!“ Er hielt ein Blatt aus dem zerriſſenen wunder¬ lichen Buch und entzifferte, ſchwimmenden Auges, noch Eine Zeile beim letzten Abendgrauen: „Bringet mir Dieſen zur Ruhe!“ In dieſem Augenblick fuhr er heftig erſchrocken zu¬ ſammen, er, der den halben Tag über das Krachen des Kleingewehrs und den Donner des groben Geſchützes aus der Schlacht am Ith im Ohr gehabt hatte. Und es zupfte ihn doch nur Jemand unten am Rock, und hackte in ſeine Schuhſchnallen und ſagte: „Krah!“.....

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/303>, abgerufen am 24.11.2024.