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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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sonst so überleidigen Hausgenossen beide Hände hin¬
haltend.

Und Magister Buchius ergriff sie beide, während
die Kinder alle an seinen zerfetzten schwarzen Rock¬
schößen hingen, um seine Kniee sich klammerten und
ihm die Beine fast unterm Leibe wegzogen.

"Liebste, beste Frau," stammelte er, "Kinderchen,
armes kleines Volk, arme liebe Schelme, es ist wohl
gleich gewesen, wo wir uns heute verkrochen haben: ob
über der Erde, ob unter ihr. Des Herrn Hand hat
uns doch gefunden und herausgezogen unter die Ge¬
wappneten und uns hingeworfen unter ihren Fuß und
Huf; aber seine Güte hat auch bis dahin gereichet: er
hat uns aufbehalten und bewahret Einen für den
Andern bis auf Einen. Den hat er hingenommen und
weggeführet in seiner Jugend: -- er wird es ja wohl
wissen, was das Beste für Den war. Kinderchen und
Frau Amtmännin, draußen liegt er auf dem Odfelde
in seinem eignen Blute, der letzte, der schlimmste, der
beste Primus der Prima der alten echten wirklichen
großen Schule zu Kloster Amelungsborn!"

"Himmel, Herr Magister, doch nicht der Schlingel
der Thedel?" rief die Frau Klosteramtmännin!

"Der letzte Münchhausen aus Bevern! Seine Durch¬
laucht, Herzog Ferdinand von Braunschweig-Bevern
haben ihn mit dem Herrn Vetter von Bodenwerder
unter den englischen Reitern gegen den Franzosen ge¬
schickt und er hat den letzten Schlag auf ihn heute

ſonſt ſo überleidigen Hausgenoſſen beide Hände hin¬
haltend.

Und Magiſter Buchius ergriff ſie beide, während
die Kinder alle an ſeinen zerfetzten ſchwarzen Rock¬
ſchößen hingen, um ſeine Kniee ſich klammerten und
ihm die Beine faſt unterm Leibe wegzogen.

„Liebſte, beſte Frau,“ ſtammelte er, „Kinderchen,
armes kleines Volk, arme liebe Schelme, es iſt wohl
gleich geweſen, wo wir uns heute verkrochen haben: ob
über der Erde, ob unter ihr. Des Herrn Hand hat
uns doch gefunden und herausgezogen unter die Ge¬
wappneten und uns hingeworfen unter ihren Fuß und
Huf; aber ſeine Güte hat auch bis dahin gereichet: er
hat uns aufbehalten und bewahret Einen für den
Andern bis auf Einen. Den hat er hingenommen und
weggeführet in ſeiner Jugend: — er wird es ja wohl
wiſſen, was das Beſte für Den war. Kinderchen und
Frau Amtmännin, draußen liegt er auf dem Odfelde
in ſeinem eignen Blute, der letzte, der ſchlimmſte, der
beſte Primus der Prima der alten echten wirklichen
großen Schule zu Kloſter Amelungsborn!“

„Himmel, Herr Magiſter, doch nicht der Schlingel
der Thedel?“ rief die Frau Kloſteramtmännin!

„Der letzte Münchhauſen aus Bevern! Seine Durch¬
laucht, Herzog Ferdinand von Braunſchweig-Bevern
haben ihn mit dem Herrn Vetter von Bodenwerder
unter den engliſchen Reitern gegen den Franzoſen ge¬
ſchickt und er hat den letzten Schlag auf ihn heute

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[288/0296] ſonſt ſo überleidigen Hausgenoſſen beide Hände hin¬ haltend. Und Magiſter Buchius ergriff ſie beide, während die Kinder alle an ſeinen zerfetzten ſchwarzen Rock¬ ſchößen hingen, um ſeine Kniee ſich klammerten und ihm die Beine faſt unterm Leibe wegzogen. „Liebſte, beſte Frau,“ ſtammelte er, „Kinderchen, armes kleines Volk, arme liebe Schelme, es iſt wohl gleich geweſen, wo wir uns heute verkrochen haben: ob über der Erde, ob unter ihr. Des Herrn Hand hat uns doch gefunden und herausgezogen unter die Ge¬ wappneten und uns hingeworfen unter ihren Fuß und Huf; aber ſeine Güte hat auch bis dahin gereichet: er hat uns aufbehalten und bewahret Einen für den Andern bis auf Einen. Den hat er hingenommen und weggeführet in ſeiner Jugend: — er wird es ja wohl wiſſen, was das Beſte für Den war. Kinderchen und Frau Amtmännin, draußen liegt er auf dem Odfelde in ſeinem eignen Blute, der letzte, der ſchlimmſte, der beſte Primus der Prima der alten echten wirklichen großen Schule zu Kloſter Amelungsborn!“ „Himmel, Herr Magiſter, doch nicht der Schlingel der Thedel?“ rief die Frau Kloſteramtmännin! „Der letzte Münchhauſen aus Bevern! Seine Durch¬ laucht, Herzog Ferdinand von Braunſchweig-Bevern haben ihn mit dem Herrn Vetter von Bodenwerder unter den engliſchen Reitern gegen den Franzoſen ge¬ ſchickt und er hat den letzten Schlag auf ihn heute

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/296>, abgerufen am 23.11.2024.