Amelungsborn geträumet? Ei, ei, ja, es war ein un¬ ruhiger Tag über und unter der Erde, und es ist recht kalt und ein schneidender Wind. Hast Recht, Kind, wir wollen nach Hause, da das Kanon und die Musketerie schweigt. Wir wollen uns schicken in die Zeit und wollen sehen, wie sie sich zu Hause -- in Amelungsborn darein geschickt haben. Ei, ei, wie wunderlich hat mir doch eben von unserm guten Junker, unserm Münchhausen, unserm Thedel von Münchhausen unter den umgeworfenen Schulbänken und Tischen geträumet!"
Er schüttelte den Frost und die Ermüdung wie die Betäubung von sich, der alte zähe Schulmeister von Amelungsborn, der Männerfürst und Magister omnium artium Buchius. Sie zwängten sich noch einmal durch das dichte, verwachsene Unterholz des Katthagens, das ihnen den letzten Schutz während der Schlacht am Ith gewährt hatte, und traten von Neuem hinaus auf des Magister Buchii Wodans Feld, auf das Odfeld. Vor¬ sichtig, scheu, steckten sie zuerst nur die Köpfe vor aus dem verworrenen Busch -- ausgenommen den alten Buchius trauten sie dem alten Göttervater in Walhall wenig, und heute auf seinem -- dem nach ihm be¬ nannten Felde -- garnicht mehr.
"Es lebt nichts weiter, als nur was liegt und nur noch beißen, spucken und kratzen kann," sagte Knecht Heinrich. "Die Gesunden sind alle schon mit den beiden Herren von Münchhausen über den Stadtoldendorf'schen Galgenbrink weg. Was hier noch lebt, das liegt und
Amelungsborn geträumet? Ei, ei, ja, es war ein un¬ ruhiger Tag über und unter der Erde, und es iſt recht kalt und ein ſchneidender Wind. Haſt Recht, Kind, wir wollen nach Hauſe, da das Kanon und die Musketerie ſchweigt. Wir wollen uns ſchicken in die Zeit und wollen ſehen, wie ſie ſich zu Hauſe — in Amelungsborn darein geſchickt haben. Ei, ei, wie wunderlich hat mir doch eben von unſerm guten Junker, unſerm Münchhauſen, unſerm Thedel von Münchhauſen unter den umgeworfenen Schulbänken und Tiſchen geträumet!“
Er ſchüttelte den Froſt und die Ermüdung wie die Betäubung von ſich, der alte zähe Schulmeiſter von Amelungsborn, der Männerfürſt und Magiſter omnium artium Buchius. Sie zwängten ſich noch einmal durch das dichte, verwachſene Unterholz des Katthagens, das ihnen den letzten Schutz während der Schlacht am Ith gewährt hatte, und traten von Neuem hinaus auf des Magiſter Buchii Wodans Feld, auf das Odfeld. Vor¬ ſichtig, ſcheu, ſteckten ſie zuerſt nur die Köpfe vor aus dem verworrenen Buſch — ausgenommen den alten Buchius trauten ſie dem alten Göttervater in Walhall wenig, und heute auf ſeinem — dem nach ihm be¬ nannten Felde — garnicht mehr.
„Es lebt nichts weiter, als nur was liegt und nur noch beißen, ſpucken und kratzen kann,“ ſagte Knecht Heinrich. „Die Geſunden ſind alle ſchon mit den beiden Herren von Münchhauſen über den Stadtoldendorf'ſchen Galgenbrink weg. Was hier noch lebt, das liegt und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0279"n="271"/>
Amelungsborn geträumet? Ei, ei, ja, es war ein un¬<lb/>
ruhiger Tag über und unter der Erde, und es iſt recht<lb/>
kalt und ein ſchneidender Wind. Haſt Recht, Kind, wir<lb/>
wollen nach Hauſe, da das Kanon und die Musketerie<lb/>ſchweigt. Wir wollen uns ſchicken in die Zeit und wollen<lb/>ſehen, wie ſie ſich zu Hauſe — in Amelungsborn darein<lb/>
geſchickt haben. Ei, ei, wie wunderlich hat mir doch<lb/>
eben von unſerm guten Junker, unſerm Münchhauſen,<lb/>
unſerm Thedel von Münchhauſen unter den umgeworfenen<lb/>
Schulbänken und Tiſchen geträumet!“</p><lb/><p>Er ſchüttelte den Froſt und die Ermüdung wie die<lb/>
Betäubung von ſich, der alte zähe Schulmeiſter von<lb/>
Amelungsborn, der Männerfürſt und Magiſter <hirendition="#aq">omnium<lb/>
artium</hi> Buchius. Sie zwängten ſich noch einmal durch<lb/>
das dichte, verwachſene Unterholz des Katthagens, das<lb/>
ihnen den letzten Schutz während der Schlacht am Ith<lb/>
gewährt hatte, und traten von Neuem hinaus auf des<lb/>
Magiſter Buchii Wodans Feld, auf das Odfeld. Vor¬<lb/>ſichtig, ſcheu, ſteckten ſie zuerſt nur die Köpfe vor aus<lb/>
dem verworrenen Buſch — ausgenommen den alten<lb/>
Buchius trauten ſie dem alten Göttervater in Walhall<lb/>
wenig, und heute auf ſeinem — dem nach ihm be¬<lb/>
nannten Felde — garnicht mehr.</p><lb/><p>„Es lebt nichts weiter, als nur was liegt und nur<lb/>
noch beißen, ſpucken und kratzen kann,“ſagte Knecht<lb/>
Heinrich. „Die Geſunden ſind alle ſchon mit den beiden<lb/>
Herren von Münchhauſen über den Stadtoldendorf'ſchen<lb/>
Galgenbrink weg. Was hier noch lebt, das liegt und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[271/0279]
Amelungsborn geträumet? Ei, ei, ja, es war ein un¬
ruhiger Tag über und unter der Erde, und es iſt recht
kalt und ein ſchneidender Wind. Haſt Recht, Kind, wir
wollen nach Hauſe, da das Kanon und die Musketerie
ſchweigt. Wir wollen uns ſchicken in die Zeit und wollen
ſehen, wie ſie ſich zu Hauſe — in Amelungsborn darein
geſchickt haben. Ei, ei, wie wunderlich hat mir doch
eben von unſerm guten Junker, unſerm Münchhauſen,
unſerm Thedel von Münchhauſen unter den umgeworfenen
Schulbänken und Tiſchen geträumet!“
Er ſchüttelte den Froſt und die Ermüdung wie die
Betäubung von ſich, der alte zähe Schulmeiſter von
Amelungsborn, der Männerfürſt und Magiſter omnium
artium Buchius. Sie zwängten ſich noch einmal durch
das dichte, verwachſene Unterholz des Katthagens, das
ihnen den letzten Schutz während der Schlacht am Ith
gewährt hatte, und traten von Neuem hinaus auf des
Magiſter Buchii Wodans Feld, auf das Odfeld. Vor¬
ſichtig, ſcheu, ſteckten ſie zuerſt nur die Köpfe vor aus
dem verworrenen Buſch — ausgenommen den alten
Buchius trauten ſie dem alten Göttervater in Walhall
wenig, und heute auf ſeinem — dem nach ihm be¬
nannten Felde — garnicht mehr.
„Es lebt nichts weiter, als nur was liegt und nur
noch beißen, ſpucken und kratzen kann,“ ſagte Knecht
Heinrich. „Die Geſunden ſind alle ſchon mit den beiden
Herren von Münchhauſen über den Stadtoldendorf'ſchen
Galgenbrink weg. Was hier noch lebt, das liegt und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/279>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.