Nach drei Uhr Nachmittags wurde es ganz still. So still, daß es fast zu einem neuen Schrecken wurde. Nur die Rauchwolke vom brennenden französischen Lager bei Stadtoldendorf stieg noch immer auf, und man roch den Krieg nur noch; man hörte ihn nicht mehr. Der Feind war, wenn auch arg zerkratzt, ausgewichen nach Osten und Süden; Hardenberg war bei Stadtoldendorf angelangt und hatte Stellung daselbst genommen und den Herzog Ferdinand in seinem Hauptquartier Wickensen auch schon persönlich gesprochen: viel Angenehmes hatte er wahrscheinlich nicht zu hören gekriegt, der Herr General¬ lieutenant; und die beste Rechtfertigung hilft nur zu häufig nur dazu, den Verdruß noch größer zu machen.
Bald nachdem der Geschützdonner schwieg, machte der Wind sich stärker auf. Es war Herbst, und es wollte Winter werden und augenblicklich auch noch Abend dazu: "Hoho," sagte der kalte Novemberwind im Katt¬ hagen, "was sollte nun der Lärm? Ich bin auch noch da und pfeife auf euer Gepolter und blase in euern Qualm. Hui, hui, es ist mir Ein Spiel mit euern
Dreiundzwanzigſtes Kapitel.
Nach drei Uhr Nachmittags wurde es ganz ſtill. So ſtill, daß es faſt zu einem neuen Schrecken wurde. Nur die Rauchwolke vom brennenden franzöſiſchen Lager bei Stadtoldendorf ſtieg noch immer auf, und man roch den Krieg nur noch; man hörte ihn nicht mehr. Der Feind war, wenn auch arg zerkratzt, ausgewichen nach Oſten und Süden; Hardenberg war bei Stadtoldendorf angelangt und hatte Stellung daſelbſt genommen und den Herzog Ferdinand in ſeinem Hauptquartier Wickenſen auch ſchon perſönlich geſprochen: viel Angenehmes hatte er wahrſcheinlich nicht zu hören gekriegt, der Herr General¬ lieutenant; und die beſte Rechtfertigung hilft nur zu häufig nur dazu, den Verdruß noch größer zu machen.
Bald nachdem der Geſchützdonner ſchwieg, machte der Wind ſich ſtärker auf. Es war Herbſt, und es wollte Winter werden und augenblicklich auch noch Abend dazu: „Hoho,“ ſagte der kalte Novemberwind im Katt¬ hagen, „was ſollte nun der Lärm? Ich bin auch noch da und pfeife auf euer Gepolter und blaſe in euern Qualm. Hui, hui, es iſt mir Ein Spiel mit euern
<TEI><text><body><pbfacs="#f0275"n="[267]"/><divn="1"><head><hirendition="#b">Dreiundzwanzigſtes Kapitel.</hi><lb/></head><p>Nach drei Uhr Nachmittags wurde es ganz ſtill.<lb/>
So ſtill, daß es faſt zu einem neuen Schrecken wurde.<lb/>
Nur die Rauchwolke vom brennenden franzöſiſchen Lager<lb/>
bei Stadtoldendorf ſtieg noch immer auf, und man roch<lb/>
den Krieg nur noch; man hörte ihn nicht mehr. Der<lb/>
Feind war, wenn auch arg zerkratzt, ausgewichen nach<lb/>
Oſten und Süden; Hardenberg war bei Stadtoldendorf<lb/>
angelangt und hatte Stellung daſelbſt genommen und<lb/>
den Herzog Ferdinand in ſeinem Hauptquartier Wickenſen<lb/>
auch ſchon perſönlich geſprochen: viel Angenehmes hatte<lb/>
er wahrſcheinlich nicht zu hören gekriegt, der Herr General¬<lb/>
lieutenant; und die beſte Rechtfertigung hilft nur zu<lb/>
häufig nur dazu, den Verdruß noch größer zu machen.</p><lb/><p>Bald nachdem der Geſchützdonner ſchwieg, machte<lb/>
der Wind ſich ſtärker auf. Es war Herbſt, und es<lb/>
wollte Winter werden und augenblicklich auch noch Abend<lb/>
dazu: „Hoho,“ſagte der kalte Novemberwind im Katt¬<lb/>
hagen, „was ſollte nun der Lärm? Ich bin auch noch<lb/>
da und pfeife auf euer Gepolter und blaſe in euern<lb/>
Qualm. Hui, hui, es iſt mir Ein Spiel mit euern<lb/></p></div></body></text></TEI>
[[267]/0275]
Dreiundzwanzigſtes Kapitel.
Nach drei Uhr Nachmittags wurde es ganz ſtill.
So ſtill, daß es faſt zu einem neuen Schrecken wurde.
Nur die Rauchwolke vom brennenden franzöſiſchen Lager
bei Stadtoldendorf ſtieg noch immer auf, und man roch
den Krieg nur noch; man hörte ihn nicht mehr. Der
Feind war, wenn auch arg zerkratzt, ausgewichen nach
Oſten und Süden; Hardenberg war bei Stadtoldendorf
angelangt und hatte Stellung daſelbſt genommen und
den Herzog Ferdinand in ſeinem Hauptquartier Wickenſen
auch ſchon perſönlich geſprochen: viel Angenehmes hatte
er wahrſcheinlich nicht zu hören gekriegt, der Herr General¬
lieutenant; und die beſte Rechtfertigung hilft nur zu
häufig nur dazu, den Verdruß noch größer zu machen.
Bald nachdem der Geſchützdonner ſchwieg, machte
der Wind ſich ſtärker auf. Es war Herbſt, und es
wollte Winter werden und augenblicklich auch noch Abend
dazu: „Hoho,“ ſagte der kalte Novemberwind im Katt¬
hagen, „was ſollte nun der Lärm? Ich bin auch noch
da und pfeife auf euer Gepolter und blaſe in euern
Qualm. Hui, hui, es iſt mir Ein Spiel mit euern
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. [267]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/275>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.