"Jeses, man kriegt so schon keine Luft vor Angst und in der Pechrabenschwärze, -- dichter braucht Er mir nicht auf den Leib zu rücken, Thedel. So lasse Er doch das Drängeln, Herr von Münchhausen!" klang es plötzlich aus einem Winkel der Spelunca, weinerlich, verdrießlich, abwehrend.
"Münchhausen!" erscholl es von der andern Seite her, vermahnend, abmahnend; "aber lieber Münchhausen, wenn Er da drüben keinen Platz findet, so krieche Er hier herüber zu mir her und belästige Er nicht Made¬ moiselle unnöthigerweise. Hier ist des Raumes zur Ge¬ nüge für Ihn und mich."
"Mademoisell Selinde, o mein Licht im Dunkel," flüsterte es drüben, während Magister Buchius vergeblich auf Antwort und Folgsamkeit wartete. "Mein Wiesen¬ stern, mein Rosenstrauch, mein Schönheitspiegel, je tiefer der Abgrund desto höher meine Seligkeit; je finsterer die Hölle desto heller meine Sonne: je kälter der Keller desto heißer meine Amour! .."
"Er ist ein ganz dummer Kerl, Herr von Münch¬ hausen, und wenn mir nicht alle Glieder vor Nässe, Frost und Aengsten beberten, so sollte Er schon -- jetzt aber lasse Er ab -- ist das ein Ort und eine Stunde für dumme Flattusen und Dumme-Jungens-Kindereien? So höre Er doch auf Seinen alten verrückten Schulmeister, Thedel!" flüsterte es zurück.
"Lieber Münchhausen, es ist Heldenart in großen Drangsalen, sich von den Schrecknissen und Molesten
„Jeſes, man kriegt ſo ſchon keine Luft vor Angſt und in der Pechrabenſchwärze, — dichter braucht Er mir nicht auf den Leib zu rücken, Thedel. So laſſe Er doch das Drängeln, Herr von Münchhauſen!“ klang es plötzlich aus einem Winkel der Spelunca, weinerlich, verdrießlich, abwehrend.
„Münchhauſen!“ erſcholl es von der andern Seite her, vermahnend, abmahnend; „aber lieber Münchhauſen, wenn Er da drüben keinen Platz findet, ſo krieche Er hier herüber zu mir her und beläſtige Er nicht Made¬ moiſelle unnöthigerweiſe. Hier iſt des Raumes zur Ge¬ nüge für Ihn und mich.“
„Mademoiſell Selinde, o mein Licht im Dunkel,“ flüſterte es drüben, während Magiſter Buchius vergeblich auf Antwort und Folgſamkeit wartete. „Mein Wieſen¬ ſtern, mein Roſenſtrauch, mein Schönheitſpiegel, je tiefer der Abgrund deſto höher meine Seligkeit; je finſterer die Hölle deſto heller meine Sonne: je kälter der Keller deſto heißer meine Amour! ..“
„Er iſt ein ganz dummer Kerl, Herr von Münch¬ hauſen, und wenn mir nicht alle Glieder vor Näſſe, Froſt und Aengſten beberten, ſo ſollte Er ſchon — jetzt aber laſſe Er ab — iſt das ein Ort und eine Stunde für dumme Flattuſen und Dumme-Jungens-Kindereien? So höre Er doch auf Seinen alten verrückten Schulmeiſter, Thedel!“ flüſterte es zurück.
„Lieber Münchhauſen, es iſt Heldenart in großen Drangſalen, ſich von den Schreckniſſen und Moleſten
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„Jeſes, man kriegt ſo ſchon keine Luft vor Angſt
und in der Pechrabenſchwärze, — dichter braucht Er
mir nicht auf den Leib zu rücken, Thedel. So laſſe
Er doch das Drängeln, Herr von Münchhauſen!“ klang
es plötzlich aus einem Winkel der Spelunca, weinerlich,
verdrießlich, abwehrend.
„Münchhauſen!“ erſcholl es von der andern Seite
her, vermahnend, abmahnend; „aber lieber Münchhauſen,
wenn Er da drüben keinen Platz findet, ſo krieche Er
hier herüber zu mir her und beläſtige Er nicht Made¬
moiſelle unnöthigerweiſe. Hier iſt des Raumes zur Ge¬
nüge für Ihn und mich.“
„Mademoiſell Selinde, o mein Licht im Dunkel,“
flüſterte es drüben, während Magiſter Buchius vergeblich
auf Antwort und Folgſamkeit wartete. „Mein Wieſen¬
ſtern, mein Roſenſtrauch, mein Schönheitſpiegel, je tiefer
der Abgrund deſto höher meine Seligkeit; je finſterer
die Hölle deſto heller meine Sonne: je kälter der Keller
deſto heißer meine Amour! ..“
„Er iſt ein ganz dummer Kerl, Herr von Münch¬
hauſen, und wenn mir nicht alle Glieder vor Näſſe,
Froſt und Aengſten beberten, ſo ſollte Er ſchon — jetzt
aber laſſe Er ab — iſt das ein Ort und eine Stunde
für dumme Flattuſen und Dumme-Jungens-Kindereien?
So höre Er doch auf Seinen alten verrückten Schulmeiſter,
Thedel!“ flüſterte es zurück.
„Lieber Münchhauſen, es iſt Heldenart in großen
Drangſalen, ſich von den Schreckniſſen und Moleſten
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/220>, abgerufen am 16.02.2025.
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