sein Lager sich zubereitet in seinem betrübten finstern Leben. Nun, die Gnade Gottes wird ihn itzo wohl auch in ein klareres Licht erhoben und zu besserer Einsicht verholfen haben. Ich habe seinen Kochtopf zu Hause in meinem Museo, wenn der nicht --" kopfschüttelnd und seufzend brach er ab in der Ueberlegung darob, wie es augenblicklich wohl in seinem "Museo" aussehen möge. Und er fuhr erst nach wiedererrungenem philo¬ sophischen Gleichmuth fort: "Wir könnten ihn, den Topf meine ich, doch nicht heute hier von Neuem gebrauchen, des Rauches vom Küchenherd wegen, der durch die Stein¬ ritzen dem Feind von unserm Dasein hier unten Kunde geben möchte. Liegt Er jetzo gut, Schelze?"
Knecht Heinrich faßte winselnd nach der Hand des Alten.
"O Herre, Herre, Herre! ohne den Herrn Magister und mein Wieschen, wo läge ich jetzt?!"
"Vergiß des Herrn Amtmanns Schimmel nicht, Kamerad", meinte der Junker. "Und Mademoiselle Se¬ linde hat Dir ihren Sitz im Sattel auch aus ihrem himm¬ lischen Herzen abgetreten ohne Querelen. O was meinet Sie, schönste Mademoisell? wir kommen doch noch heil aus dem Jammer! Ei, wissen der Herr Magister wohl noch, wie Sie mir privatim den Propheten Jeremias auslegeten nach der Bataille bei Kolin: Ach, daß ich Wasser genug hätte in meinem Haupte zu beweinen die Erschlagenen in meinem Volke?! Der Herr Magister hatten mir bei Sonnenuntergang wieder mal den Carcer
ſein Lager ſich zubereitet in ſeinem betrübten finſtern Leben. Nun, die Gnade Gottes wird ihn itzo wohl auch in ein klareres Licht erhoben und zu beſſerer Einſicht verholfen haben. Ich habe ſeinen Kochtopf zu Hauſe in meinem Muſeo, wenn der nicht —“ kopfſchüttelnd und ſeufzend brach er ab in der Ueberlegung darob, wie es augenblicklich wohl in ſeinem „Muſeo“ ausſehen möge. Und er fuhr erſt nach wiedererrungenem philo¬ ſophiſchen Gleichmuth fort: „Wir könnten ihn, den Topf meine ich, doch nicht heute hier von Neuem gebrauchen, des Rauches vom Küchenherd wegen, der durch die Stein¬ ritzen dem Feind von unſerm Daſein hier unten Kunde geben möchte. Liegt Er jetzo gut, Schelze?“
Knecht Heinrich faßte winſelnd nach der Hand des Alten.
„O Herre, Herre, Herre! ohne den Herrn Magiſter und mein Wieſchen, wo läge ich jetzt?!“
„Vergiß des Herrn Amtmanns Schimmel nicht, Kamerad“, meinte der Junker. „Und Mademoiſelle Se¬ linde hat Dir ihren Sitz im Sattel auch aus ihrem himm¬ liſchen Herzen abgetreten ohne Querelen. O was meinet Sie, ſchönſte Mademoiſell? wir kommen doch noch heil aus dem Jammer! Ei, wiſſen der Herr Magiſter wohl noch, wie Sie mir privatim den Propheten Jeremias auslegeten nach der Bataille bei Kolin: Ach, daß ich Waſſer genug hätte in meinem Haupte zu beweinen die Erſchlagenen in meinem Volke?! Der Herr Magiſter hatten mir bei Sonnenuntergang wieder mal den Carcer
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[202/0210]
ſein Lager ſich zubereitet in ſeinem betrübten finſtern
Leben. Nun, die Gnade Gottes wird ihn itzo wohl auch
in ein klareres Licht erhoben und zu beſſerer Einſicht
verholfen haben. Ich habe ſeinen Kochtopf zu Hauſe
in meinem Muſeo, wenn der nicht —“ kopfſchüttelnd
und ſeufzend brach er ab in der Ueberlegung darob,
wie es augenblicklich wohl in ſeinem „Muſeo“ ausſehen
möge. Und er fuhr erſt nach wiedererrungenem philo¬
ſophiſchen Gleichmuth fort: „Wir könnten ihn, den Topf
meine ich, doch nicht heute hier von Neuem gebrauchen,
des Rauches vom Küchenherd wegen, der durch die Stein¬
ritzen dem Feind von unſerm Daſein hier unten Kunde
geben möchte. Liegt Er jetzo gut, Schelze?“
Knecht Heinrich faßte winſelnd nach der Hand des
Alten.
„O Herre, Herre, Herre! ohne den Herrn Magiſter
und mein Wieſchen, wo läge ich jetzt?!“
„Vergiß des Herrn Amtmanns Schimmel nicht,
Kamerad“, meinte der Junker. „Und Mademoiſelle Se¬
linde hat Dir ihren Sitz im Sattel auch aus ihrem himm¬
liſchen Herzen abgetreten ohne Querelen. O was meinet
Sie, ſchönſte Mademoiſell? wir kommen doch noch heil
aus dem Jammer! Ei, wiſſen der Herr Magiſter wohl
noch, wie Sie mir privatim den Propheten Jeremias
auslegeten nach der Bataille bei Kolin: Ach, daß ich
Waſſer genug hätte in meinem Haupte zu beweinen
die Erſchlagenen in meinem Volke?! Der Herr Magiſter
hatten mir bei Sonnenuntergang wieder mal den Carcer
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/210>, abgerufen am 16.02.2025.
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