Haare aus der Stirn streichend. Er versuchte es sogar zu grinsen:
"Sieht Er, da sind wir doch auf dem Wege zum Herzog Ferdinand, Herr Magister! Mit allen Ehren noch an uns. Aber von blutigen Platten und zer¬ schlagenen Knochen schwanete mir gleich so was, als Er uns sein schwarzes Unthier auf den Hof trug."
Er lachte und stöhnte wieder und verlor von Neuem die Besinnung. Magister Buchius hatte das, was diesem armen Volk unter dem fremden Volk in einem andern Theil des Klosters Amelungsborn passirt war, während man ihm selber den Strick um den Hals legte, so deutlich vor sich, als -- ob er's beim Iburgischen Schloßprediger Kampf gedruckt gelesen habe.
"Ich habe ihn auf dem Buckel bis hierher geschleppt auf's Odfeld und habe selber dabei fast nichts von mir gewußt," schluchzte das Mädchen. "Der liebe Gott hat uns in seinen Rauch wie in einen Mantel genommen. Nun wacht er, und dann weiß er wieder nichts von sich und wir müssen nun hier doch eingehen, alle Beide, er in seinem Blute und ich in meiner höchsten Noth!"
"Das verhüte der Himmel!" rief der Magister seinerseits unter den todten Streitern der Rabenschlacht auf dem Odfelde niederknieend und den Dickschädel Heinrich Schelze's zwischen seine hagern, harten und doch milden Schulmeistertatzen nehmend.
"Eine Mistgabel gegen ein Dutzend Flintenkolben, juchhe!" murmelte der Knecht. "Ein paar von den
Haare aus der Stirn ſtreichend. Er verſuchte es ſogar zu grinſen:
„Sieht Er, da ſind wir doch auf dem Wege zum Herzog Ferdinand, Herr Magiſter! Mit allen Ehren noch an uns. Aber von blutigen Platten und zer¬ ſchlagenen Knochen ſchwanete mir gleich ſo was, als Er uns ſein ſchwarzes Unthier auf den Hof trug.“
Er lachte und ſtöhnte wieder und verlor von Neuem die Beſinnung. Magiſter Buchius hatte das, was dieſem armen Volk unter dem fremden Volk in einem andern Theil des Kloſters Amelungsborn paſſirt war, während man ihm ſelber den Strick um den Hals legte, ſo deutlich vor ſich, als — ob er's beim Iburgiſchen Schloßprediger Kampf gedruckt geleſen habe.
„Ich habe ihn auf dem Buckel bis hierher geſchleppt auf's Odfeld und habe ſelber dabei faſt nichts von mir gewußt,“ ſchluchzte das Mädchen. „Der liebe Gott hat uns in ſeinen Rauch wie in einen Mantel genommen. Nun wacht er, und dann weiß er wieder nichts von ſich und wir müſſen nun hier doch eingehen, alle Beide, er in ſeinem Blute und ich in meiner höchſten Noth!“
„Das verhüte der Himmel!“ rief der Magiſter ſeinerſeits unter den todten Streitern der Rabenſchlacht auf dem Odfelde niederknieend und den Dickſchädel Heinrich Schelze's zwiſchen ſeine hagern, harten und doch milden Schulmeiſtertatzen nehmend.
„Eine Miſtgabel gegen ein Dutzend Flintenkolben, juchhe!“ murmelte der Knecht. „Ein paar von den
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Haare aus der Stirn ſtreichend. Er verſuchte es ſogar
zu grinſen:
„Sieht Er, da ſind wir doch auf dem Wege zum
Herzog Ferdinand, Herr Magiſter! Mit allen Ehren
noch an uns. Aber von blutigen Platten und zer¬
ſchlagenen Knochen ſchwanete mir gleich ſo was, als Er
uns ſein ſchwarzes Unthier auf den Hof trug.“
Er lachte und ſtöhnte wieder und verlor von Neuem
die Beſinnung. Magiſter Buchius hatte das, was dieſem
armen Volk unter dem fremden Volk in einem andern Theil
des Kloſters Amelungsborn paſſirt war, während man
ihm ſelber den Strick um den Hals legte, ſo deutlich
vor ſich, als — ob er's beim Iburgiſchen Schloßprediger
Kampf gedruckt geleſen habe.
„Ich habe ihn auf dem Buckel bis hierher geſchleppt
auf's Odfeld und habe ſelber dabei faſt nichts von mir
gewußt,“ ſchluchzte das Mädchen. „Der liebe Gott hat
uns in ſeinen Rauch wie in einen Mantel genommen.
Nun wacht er, und dann weiß er wieder nichts von
ſich und wir müſſen nun hier doch eingehen, alle Beide,
er in ſeinem Blute und ich in meiner höchſten Noth!“
„Das verhüte der Himmel!“ rief der Magiſter
ſeinerſeits unter den todten Streitern der Rabenſchlacht
auf dem Odfelde niederknieend und den Dickſchädel
Heinrich Schelze's zwiſchen ſeine hagern, harten und
doch milden Schulmeiſtertatzen nehmend.
„Eine Miſtgabel gegen ein Dutzend Flintenkolben,
juchhe!“ murmelte der Knecht. „Ein paar von den
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/167>, abgerufen am 16.02.2025.
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