herrschung in Amelungsborn so gut als möglich, wenn freilich auch so unzurechnungsfähig als möglich.
Sie hatten sich natürlich wieder aufgerappelt vom zerstampften nassen Boden, sowohl der Amtmann wie der Magister. Der Erstere befand sich in den Armen von Weib und Kind, der Zweite griff sich an den Hals, weniger um die Binde als um den französischen Strick, der sich so bedenklich darum zusammengezogen hatte, zu lockern. Er löste die infame Schleife und hob sie über den Kopf, um sie mit einem Dankgebet gegen den Herrn der Heerschaaren so weit als möglich von sich zu schleudern, als -- er plötzlich seine Hand gepackt und den heißen, zornigen, wüthenden Athem seines widerwilligen Hospes dicht vor seinem Gesichte fühlte. Der Nebel gestattete jetzo kaum noch auf zwei Schritte weit, einem Nebenmenschen Zärtlichkeit oder Grimm aus den Augen abzulesen und dem einen wie dem andern in der richtigen Weise mit dem Herzen oder der Gallen¬ blase, mit den geöffneten Armen oder mit der Faust entgegen zu kommen.
"Herr," schrie der seiner Zeiten Noth völlig unter¬ liegende, völlig unterlegene Klosteramtmann von Ame¬ lungsborn, aus den Armen von Weib und Kind sich losmachend, den letzten wirklichen Kollaborator der großen Schule von Amelungsborn an. "Herr, Er ist es, der mir als schwarzer Unglücksrabe auf dem Dach unter meinem Dache sitzt. Er ist's, den mir der Satan als Spuk bei Tage und bei Nacht aufgeladen hat! Was
10 *
herrſchung in Amelungsborn ſo gut als möglich, wenn freilich auch ſo unzurechnungsfähig als möglich.
Sie hatten ſich natürlich wieder aufgerappelt vom zerſtampften naſſen Boden, ſowohl der Amtmann wie der Magiſter. Der Erſtere befand ſich in den Armen von Weib und Kind, der Zweite griff ſich an den Hals, weniger um die Binde als um den franzöſiſchen Strick, der ſich ſo bedenklich darum zuſammengezogen hatte, zu lockern. Er löſte die infame Schleife und hob ſie über den Kopf, um ſie mit einem Dankgebet gegen den Herrn der Heerſchaaren ſo weit als möglich von ſich zu ſchleudern, als — er plötzlich ſeine Hand gepackt und den heißen, zornigen, wüthenden Athem ſeines widerwilligen Hospes dicht vor ſeinem Geſichte fühlte. Der Nebel geſtattete jetzo kaum noch auf zwei Schritte weit, einem Nebenmenſchen Zärtlichkeit oder Grimm aus den Augen abzuleſen und dem einen wie dem andern in der richtigen Weiſe mit dem Herzen oder der Gallen¬ blaſe, mit den geöffneten Armen oder mit der Fauſt entgegen zu kommen.
„Herr,“ ſchrie der ſeiner Zeiten Noth völlig unter¬ liegende, völlig unterlegene Kloſteramtmann von Ame¬ lungsborn, aus den Armen von Weib und Kind ſich losmachend, den letzten wirklichen Kollaborator der großen Schule von Amelungsborn an. „Herr, Er iſt es, der mir als ſchwarzer Unglücksrabe auf dem Dach unter meinem Dache ſitzt. Er iſt's, den mir der Satan als Spuk bei Tage und bei Nacht aufgeladen hat! Was
10 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0155"n="147"/>
herrſchung in Amelungsborn ſo gut als möglich, wenn<lb/>
freilich auch ſo unzurechnungsfähig als möglich.</p><lb/><p>Sie hatten ſich natürlich wieder aufgerappelt vom<lb/>
zerſtampften naſſen Boden, ſowohl der Amtmann wie<lb/>
der Magiſter. Der Erſtere befand ſich in den Armen<lb/>
von Weib und Kind, der Zweite griff ſich an den Hals,<lb/>
weniger um die Binde als um den franzöſiſchen Strick,<lb/>
der ſich ſo bedenklich darum zuſammengezogen hatte,<lb/>
zu lockern. Er löſte die infame Schleife und hob ſie<lb/>
über den Kopf, um ſie mit einem Dankgebet gegen den<lb/>
Herrn der Heerſchaaren ſo weit als möglich von ſich<lb/>
zu ſchleudern, als — er plötzlich ſeine Hand gepackt<lb/>
und den heißen, zornigen, wüthenden Athem ſeines<lb/>
widerwilligen <hirendition="#aq">Hospes</hi> dicht vor ſeinem Geſichte fühlte.<lb/>
Der Nebel geſtattete jetzo kaum noch auf zwei Schritte<lb/>
weit, einem Nebenmenſchen Zärtlichkeit oder Grimm aus<lb/>
den Augen abzuleſen und dem einen wie dem andern<lb/>
in der richtigen Weiſe mit dem Herzen oder der Gallen¬<lb/>
blaſe, mit den geöffneten Armen oder mit der Fauſt<lb/>
entgegen zu kommen.</p><lb/><p>„Herr,“ſchrie der ſeiner Zeiten Noth völlig unter¬<lb/>
liegende, völlig unterlegene Kloſteramtmann von Ame¬<lb/>
lungsborn, aus den Armen von Weib und Kind ſich<lb/>
losmachend, den letzten wirklichen Kollaborator der großen<lb/>
Schule von Amelungsborn an. „Herr, Er iſt es, der<lb/>
mir als ſchwarzer Unglücksrabe auf dem Dach unter<lb/>
meinem Dache ſitzt. Er iſt's, den mir der Satan als<lb/>
Spuk bei Tage und bei Nacht aufgeladen hat! Was<lb/><fwplace="bottom"type="sig">10 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[147/0155]
herrſchung in Amelungsborn ſo gut als möglich, wenn
freilich auch ſo unzurechnungsfähig als möglich.
Sie hatten ſich natürlich wieder aufgerappelt vom
zerſtampften naſſen Boden, ſowohl der Amtmann wie
der Magiſter. Der Erſtere befand ſich in den Armen
von Weib und Kind, der Zweite griff ſich an den Hals,
weniger um die Binde als um den franzöſiſchen Strick,
der ſich ſo bedenklich darum zuſammengezogen hatte,
zu lockern. Er löſte die infame Schleife und hob ſie
über den Kopf, um ſie mit einem Dankgebet gegen den
Herrn der Heerſchaaren ſo weit als möglich von ſich
zu ſchleudern, als — er plötzlich ſeine Hand gepackt
und den heißen, zornigen, wüthenden Athem ſeines
widerwilligen Hospes dicht vor ſeinem Geſichte fühlte.
Der Nebel geſtattete jetzo kaum noch auf zwei Schritte
weit, einem Nebenmenſchen Zärtlichkeit oder Grimm aus
den Augen abzuleſen und dem einen wie dem andern
in der richtigen Weiſe mit dem Herzen oder der Gallen¬
blaſe, mit den geöffneten Armen oder mit der Fauſt
entgegen zu kommen.
„Herr,“ ſchrie der ſeiner Zeiten Noth völlig unter¬
liegende, völlig unterlegene Kloſteramtmann von Ame¬
lungsborn, aus den Armen von Weib und Kind ſich
losmachend, den letzten wirklichen Kollaborator der großen
Schule von Amelungsborn an. „Herr, Er iſt es, der
mir als ſchwarzer Unglücksrabe auf dem Dach unter
meinem Dache ſitzt. Er iſt's, den mir der Satan als
Spuk bei Tage und bei Nacht aufgeladen hat! Was
10 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/155>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.