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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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"Was hat der Herr mir angerichtet?" schrie der Amt¬
mann, nicht ohne einige Berechtigung, den Magister an.
"Weiß Er mir zu sagen, was die Herren eigentlich von
mir verlangen außer dem letzten Stück Brod, der letzten
Kuh aus dem Stall und dem letzten Hemd vom Leibe?
Messieurs, messieurs, demandez lui! Sakerment, so
helfe der Herr Magister mir doch wenigstens mit
Seinem Französisch! Ist das jetzt Zeit zum Maulaffen¬
reißen? Meine Herren, meine Herren, noch einen Augen¬
blick -- öng Momang, öng Momang; -- Magister
Buchius, Magister Buchius, wem hat Er diese Nacht bei
sich beherberget, der uns dieses zugerichtet hat? Er hat
uns Dieses aus Seinem Prodigium auf dem Odfelde
zugetragen! Monsieur le capitaine noch einen Momang
-- Hand weg, barmherziger Herrgott! Wen hat Er
diesen Morgen in meiner Nichte, der nichtsnutzigen
Gans Schlafkammer gehabt, Magister Buchius?"

Rom sahe nimmer etwas Größeres von Mannes¬
trotz und Männerwürde als jetzo Amelungsborn sah,
und zwar am Magister Noah Buchius. Pädagogische
Entrüstung, herzliche Zuneigung und innige Bewunderung
rangen in seiner braven Seele um den wackern Thedel
Münchhausen; aber nur einen kürzesten Moment. Die
Zeit drängte wahrlich! -- schlimmer als das welsche
Mord- und Raubgesindel konnte sie freilich nicht
drängen.

"Er hat immer in der Conferenz Alles auf sich
genommen!" murmelte der alte Schulmeister. "Er hat

„Was hat der Herr mir angerichtet?“ ſchrie der Amt¬
mann, nicht ohne einige Berechtigung, den Magiſter an.
„Weiß Er mir zu ſagen, was die Herren eigentlich von
mir verlangen außer dem letzten Stück Brod, der letzten
Kuh aus dem Stall und dem letzten Hemd vom Leibe?
Messieurs, messieurs, demandez lui! Sakerment, ſo
helfe der Herr Magiſter mir doch wenigſtens mit
Seinem Franzöſiſch! Iſt das jetzt Zeit zum Maulaffen¬
reißen? Meine Herren, meine Herren, noch einen Augen¬
blick — öng Momang, öng Momang; — Magiſter
Buchius, Magiſter Buchius, wem hat Er dieſe Nacht bei
ſich beherberget, der uns dieſes zugerichtet hat? Er hat
uns Dieſes aus Seinem Prodigium auf dem Odfelde
zugetragen! Monsieur le capitaine noch einen Momang
— Hand weg, barmherziger Herrgott! Wen hat Er
dieſen Morgen in meiner Nichte, der nichtsnutzigen
Gans Schlafkammer gehabt, Magiſter Buchius?“

Rom ſahe nimmer etwas Größeres von Mannes¬
trotz und Männerwürde als jetzo Amelungsborn ſah,
und zwar am Magiſter Noah Buchius. Pädagogiſche
Entrüſtung, herzliche Zuneigung und innige Bewunderung
rangen in ſeiner braven Seele um den wackern Thedel
Münchhauſen; aber nur einen kürzeſten Moment. Die
Zeit drängte wahrlich! — ſchlimmer als das welſche
Mord- und Raubgeſindel konnte ſie freilich nicht
drängen.

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[142/0150] „Was hat der Herr mir angerichtet?“ ſchrie der Amt¬ mann, nicht ohne einige Berechtigung, den Magiſter an. „Weiß Er mir zu ſagen, was die Herren eigentlich von mir verlangen außer dem letzten Stück Brod, der letzten Kuh aus dem Stall und dem letzten Hemd vom Leibe? Messieurs, messieurs, demandez lui! Sakerment, ſo helfe der Herr Magiſter mir doch wenigſtens mit Seinem Franzöſiſch! Iſt das jetzt Zeit zum Maulaffen¬ reißen? Meine Herren, meine Herren, noch einen Augen¬ blick — öng Momang, öng Momang; — Magiſter Buchius, Magiſter Buchius, wem hat Er dieſe Nacht bei ſich beherberget, der uns dieſes zugerichtet hat? Er hat uns Dieſes aus Seinem Prodigium auf dem Odfelde zugetragen! Monsieur le capitaine noch einen Momang — Hand weg, barmherziger Herrgott! Wen hat Er dieſen Morgen in meiner Nichte, der nichtsnutzigen Gans Schlafkammer gehabt, Magiſter Buchius?“ Rom ſahe nimmer etwas Größeres von Mannes¬ trotz und Männerwürde als jetzo Amelungsborn ſah, und zwar am Magiſter Noah Buchius. Pädagogiſche Entrüſtung, herzliche Zuneigung und innige Bewunderung rangen in ſeiner braven Seele um den wackern Thedel Münchhauſen; aber nur einen kürzeſten Moment. Die Zeit drängte wahrlich! — ſchlimmer als das welſche Mord- und Raubgeſindel konnte ſie freilich nicht drängen. „Er hat immer in der Conferenz Alles auf ſich genommen!“ murmelte der alte Schulmeiſter. „Er hat

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/150>, abgerufen am 21.11.2024.