"Was hat der Herr mir angerichtet?" schrie der Amt¬ mann, nicht ohne einige Berechtigung, den Magister an. "Weiß Er mir zu sagen, was die Herren eigentlich von mir verlangen außer dem letzten Stück Brod, der letzten Kuh aus dem Stall und dem letzten Hemd vom Leibe? Messieurs, messieurs, demandez lui! Sakerment, so helfe der Herr Magister mir doch wenigstens mit Seinem Französisch! Ist das jetzt Zeit zum Maulaffen¬ reißen? Meine Herren, meine Herren, noch einen Augen¬ blick -- öng Momang, öng Momang; -- Magister Buchius, Magister Buchius, wem hat Er diese Nacht bei sich beherberget, der uns dieses zugerichtet hat? Er hat uns Dieses aus Seinem Prodigium auf dem Odfelde zugetragen! Monsieur le capitaine noch einen Momang -- Hand weg, barmherziger Herrgott! Wen hat Er diesen Morgen in meiner Nichte, der nichtsnutzigen Gans Schlafkammer gehabt, Magister Buchius?"
Rom sahe nimmer etwas Größeres von Mannes¬ trotz und Männerwürde als jetzo Amelungsborn sah, und zwar am Magister Noah Buchius. Pädagogische Entrüstung, herzliche Zuneigung und innige Bewunderung rangen in seiner braven Seele um den wackern Thedel Münchhausen; aber nur einen kürzesten Moment. Die Zeit drängte wahrlich! -- schlimmer als das welsche Mord- und Raubgesindel konnte sie freilich nicht drängen.
"Er hat immer in der Conferenz Alles auf sich genommen!" murmelte der alte Schulmeister. "Er hat
„Was hat der Herr mir angerichtet?“ ſchrie der Amt¬ mann, nicht ohne einige Berechtigung, den Magiſter an. „Weiß Er mir zu ſagen, was die Herren eigentlich von mir verlangen außer dem letzten Stück Brod, der letzten Kuh aus dem Stall und dem letzten Hemd vom Leibe? Messieurs, messieurs, demandez lui! Sakerment, ſo helfe der Herr Magiſter mir doch wenigſtens mit Seinem Franzöſiſch! Iſt das jetzt Zeit zum Maulaffen¬ reißen? Meine Herren, meine Herren, noch einen Augen¬ blick — öng Momang, öng Momang; — Magiſter Buchius, Magiſter Buchius, wem hat Er dieſe Nacht bei ſich beherberget, der uns dieſes zugerichtet hat? Er hat uns Dieſes aus Seinem Prodigium auf dem Odfelde zugetragen! Monsieur le capitaine noch einen Momang — Hand weg, barmherziger Herrgott! Wen hat Er dieſen Morgen in meiner Nichte, der nichtsnutzigen Gans Schlafkammer gehabt, Magiſter Buchius?“
Rom ſahe nimmer etwas Größeres von Mannes¬ trotz und Männerwürde als jetzo Amelungsborn ſah, und zwar am Magiſter Noah Buchius. Pädagogiſche Entrüſtung, herzliche Zuneigung und innige Bewunderung rangen in ſeiner braven Seele um den wackern Thedel Münchhauſen; aber nur einen kürzeſten Moment. Die Zeit drängte wahrlich! — ſchlimmer als das welſche Mord- und Raubgeſindel konnte ſie freilich nicht drängen.
„Er hat immer in der Conferenz Alles auf ſich genommen!“ murmelte der alte Schulmeiſter. „Er hat
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0150"n="142"/><p>„Was hat der Herr mir angerichtet?“ſchrie der Amt¬<lb/>
mann, nicht ohne einige Berechtigung, den Magiſter an.<lb/>„Weiß Er mir zu ſagen, was die Herren eigentlich von<lb/>
mir verlangen außer dem letzten Stück Brod, der letzten<lb/>
Kuh aus dem Stall und dem letzten Hemd vom Leibe?<lb/><hirendition="#aq">Messieurs</hi>, <hirendition="#aq">messieurs</hi>, <hirendition="#aq">demandez lui</hi>! Sakerment, ſo<lb/>
helfe der Herr Magiſter mir doch wenigſtens mit<lb/>
Seinem Franzöſiſch! Iſt das jetzt Zeit zum Maulaffen¬<lb/>
reißen? Meine Herren, meine Herren, noch einen Augen¬<lb/>
blick — öng Momang, öng Momang; — Magiſter<lb/>
Buchius, Magiſter Buchius, wem hat Er dieſe Nacht bei<lb/>ſich beherberget, der uns dieſes zugerichtet hat? Er hat<lb/>
uns Dieſes aus Seinem Prodigium auf dem Odfelde<lb/>
zugetragen! <hirendition="#aq">Monsieur le capitaine</hi> noch einen Momang<lb/>— Hand weg, barmherziger Herrgott! Wen hat Er<lb/>
dieſen Morgen in meiner Nichte, der nichtsnutzigen<lb/>
Gans Schlafkammer gehabt, Magiſter Buchius?“</p><lb/><p>Rom ſahe nimmer etwas Größeres von Mannes¬<lb/>
trotz und Männerwürde als jetzo Amelungsborn ſah,<lb/>
und zwar am Magiſter Noah Buchius. Pädagogiſche<lb/>
Entrüſtung, herzliche Zuneigung und innige Bewunderung<lb/>
rangen in ſeiner braven Seele um den wackern Thedel<lb/>
Münchhauſen; aber nur einen kürzeſten Moment. Die<lb/>
Zeit drängte wahrlich! —ſchlimmer als das welſche<lb/>
Mord- und Raubgeſindel konnte ſie freilich nicht<lb/>
drängen.</p><lb/><p>„Er hat immer in der Conferenz Alles auf ſich<lb/>
genommen!“ murmelte der alte Schulmeiſter. „Er hat<lb/></p></div></body></text></TEI>
[142/0150]
„Was hat der Herr mir angerichtet?“ ſchrie der Amt¬
mann, nicht ohne einige Berechtigung, den Magiſter an.
„Weiß Er mir zu ſagen, was die Herren eigentlich von
mir verlangen außer dem letzten Stück Brod, der letzten
Kuh aus dem Stall und dem letzten Hemd vom Leibe?
Messieurs, messieurs, demandez lui! Sakerment, ſo
helfe der Herr Magiſter mir doch wenigſtens mit
Seinem Franzöſiſch! Iſt das jetzt Zeit zum Maulaffen¬
reißen? Meine Herren, meine Herren, noch einen Augen¬
blick — öng Momang, öng Momang; — Magiſter
Buchius, Magiſter Buchius, wem hat Er dieſe Nacht bei
ſich beherberget, der uns dieſes zugerichtet hat? Er hat
uns Dieſes aus Seinem Prodigium auf dem Odfelde
zugetragen! Monsieur le capitaine noch einen Momang
— Hand weg, barmherziger Herrgott! Wen hat Er
dieſen Morgen in meiner Nichte, der nichtsnutzigen
Gans Schlafkammer gehabt, Magiſter Buchius?“
Rom ſahe nimmer etwas Größeres von Mannes¬
trotz und Männerwürde als jetzo Amelungsborn ſah,
und zwar am Magiſter Noah Buchius. Pädagogiſche
Entrüſtung, herzliche Zuneigung und innige Bewunderung
rangen in ſeiner braven Seele um den wackern Thedel
Münchhauſen; aber nur einen kürzeſten Moment. Die
Zeit drängte wahrlich! — ſchlimmer als das welſche
Mord- und Raubgeſindel konnte ſie freilich nicht
drängen.
„Er hat immer in der Conferenz Alles auf ſich
genommen!“ murmelte der alte Schulmeiſter. „Er hat
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/150>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.