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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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oldendorfer Jahrmarkt das letzte Zuckerherz von meinem
letzten Pfennig in der Welt brachte, hat sie mit dem
Herrn Magister Lessing gesprochen:

"Wähl selbst. Du kannst mich Doris,
Und Galathee und Chloris
Und wie Du willst mich nennen;
Nur nenne mich die Deine."

"Mamsell Fegebanck heißt sie!" ächzte Magister
Buchius, jetzo die Hände über dem Haupte zusammen¬
schlagend. "Ja, ihr Vaters-Name ist Fegebanck, und
sie ist des Herrn Amtmanns angenommene Vetters
Tochter --"

"Da geht er mit dem Brod unter den Tisch!" rief
Thedel Münchhausen. "Halt da, Canaille, Cujon! Bei
der Belagerung von Saguntum, Numantia und Jeru¬
salem haben sie ihre Schuhe und das Leder von ihren
Schilden gefressen; aber ich fresse den Tisch und Dich
selber, dirum mortalibus omen, Du schwarzer Galgen¬
strick, wenn Du den Rest vom Ueberfluß nicht gut¬
willig herausgiebst!"

Schon war er dem schwarzen Vogel unter den
Tisch nachgefahren. Jetzt hielt er den Rest von des
Magisters schwarzem Brod zwischen den Fäusten, jetzt
biß er hinein und riß mit dem guten Gebiß ab, er --
fraß, und --

"Allbarmherziger Gott, und wir haben weiter nichts
übrig gelassen von unserm Mahl!" ächzte der alte Herr,
"wir haben Alles allein gemogt! ich habe nichts weiter

oldendorfer Jahrmarkt das letzte Zuckerherz von meinem
letzten Pfennig in der Welt brachte, hat ſie mit dem
Herrn Magiſter Leſſing geſprochen:

„Wähl ſelbſt. Du kannſt mich Doris,
Und Galathee und Chloris
Und wie Du willſt mich nennen;
Nur nenne mich die Deine.“

„Mamſell Fegebanck heißt ſie!“ ächzte Magiſter
Buchius, jetzo die Hände über dem Haupte zuſammen¬
ſchlagend. „Ja, ihr Vaters-Name iſt Fegebanck, und
ſie iſt des Herrn Amtmanns angenommene Vetters
Tochter —“

„Da geht er mit dem Brod unter den Tiſch!“ rief
Thedel Münchhauſen. „Halt da, Canaille, Cujon! Bei
der Belagerung von Saguntum, Numantia und Jeru¬
ſalem haben ſie ihre Schuhe und das Leder von ihren
Schilden gefreſſen; aber ich freſſe den Tiſch und Dich
ſelber, dirum mortalibus omen, Du ſchwarzer Galgen¬
ſtrick, wenn Du den Reſt vom Ueberfluß nicht gut¬
willig herausgiebſt!“

Schon war er dem ſchwarzen Vogel unter den
Tiſch nachgefahren. Jetzt hielt er den Reſt von des
Magiſters ſchwarzem Brod zwiſchen den Fäuſten, jetzt
biß er hinein und riß mit dem guten Gebiß ab, er —
fraß, und —

„Allbarmherziger Gott, und wir haben weiter nichts
übrig gelaſſen von unſerm Mahl!“ ächzte der alte Herr,
„wir haben Alles allein gemogt! ich habe nichts weiter

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[104/0112] oldendorfer Jahrmarkt das letzte Zuckerherz von meinem letzten Pfennig in der Welt brachte, hat ſie mit dem Herrn Magiſter Leſſing geſprochen: „Wähl ſelbſt. Du kannſt mich Doris, Und Galathee und Chloris Und wie Du willſt mich nennen; Nur nenne mich die Deine.“ „Mamſell Fegebanck heißt ſie!“ ächzte Magiſter Buchius, jetzo die Hände über dem Haupte zuſammen¬ ſchlagend. „Ja, ihr Vaters-Name iſt Fegebanck, und ſie iſt des Herrn Amtmanns angenommene Vetters Tochter —“ „Da geht er mit dem Brod unter den Tiſch!“ rief Thedel Münchhauſen. „Halt da, Canaille, Cujon! Bei der Belagerung von Saguntum, Numantia und Jeru¬ ſalem haben ſie ihre Schuhe und das Leder von ihren Schilden gefreſſen; aber ich freſſe den Tiſch und Dich ſelber, dirum mortalibus omen, Du ſchwarzer Galgen¬ ſtrick, wenn Du den Reſt vom Ueberfluß nicht gut¬ willig herausgiebſt!“ Schon war er dem ſchwarzen Vogel unter den Tiſch nachgefahren. Jetzt hielt er den Reſt von des Magiſters ſchwarzem Brod zwiſchen den Fäuſten, jetzt biß er hinein und riß mit dem guten Gebiß ab, er — fraß, und — „Allbarmherziger Gott, und wir haben weiter nichts übrig gelaſſen von unſerm Mahl!“ ächzte der alte Herr, „wir haben Alles allein gemogt! ich habe nichts weiter

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/112>, abgerufen am 21.11.2024.