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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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Ja, sieh mich nicht so an, Bestie. Gehörst wohl auch
zu denen, die heute Abend mit mir zu Schaaren von
der Weser kamen?"

Die letzten Worte waren natürlich an den aus
seinem Winkel vorgehüpften Vogel gerichtet, der Ma¬
gister sah noch eine geraume Weile von dem einen Gast
auf den andern, bis er sich so weit gefaßt hatte, die
schwarzen Manchesternen wieder in die Höhe zu ziehen,
sie zurecht zu rücken und zu rufen:

"Täuscht mich mein Gesicht nicht? Er, Musjeh?
Monsieur von Münchhausen? Um diese mitternächtige
Stunde? Wie kommet Er hierher, Musjeh? wo kom¬
met Er her, Musjeh? Was will Er -- gerade Er
wieder in Amelungsborn? O ihr Götter, hat Er ge¬
rade es nicht mit dem allerhöchsten Ueberdruß an christ¬
licher und heidnischer Schulzucht und Ordnung verlassen?
Hat der Herr Amtmann nicht --"

"Dreimal drei Kreuze hinter der ärgsten Canaille
im ganzen Cötus her gemacht? Jawohl, Domine, einen
feinen Duft haben wir hinter uns gelassen; aber Sie
wissen es ja am besten: Ducunt volentem fata --"

"Nolentem trahunt," schloß der alte Herr. "Also
wollend -- mit Seinem guten Willen folgt Er Seinem
Fatum hieher?"

"Gutwillig, mit meinem allerbesten Willen. Ab¬
gesehen von dem Tritt, den sie mir in Holzminden
auf die Posteriora versetzet hatten, meinen Weg in die
weite Welt zu befördern. Der Herr Magister Buchius

Ja, ſieh mich nicht ſo an, Beſtie. Gehörſt wohl auch
zu denen, die heute Abend mit mir zu Schaaren von
der Weſer kamen?“

Die letzten Worte waren natürlich an den aus
ſeinem Winkel vorgehüpften Vogel gerichtet, der Ma¬
giſter ſah noch eine geraume Weile von dem einen Gaſt
auf den andern, bis er ſich ſo weit gefaßt hatte, die
ſchwarzen Mancheſternen wieder in die Höhe zu ziehen,
ſie zurecht zu rücken und zu rufen:

„Täuſcht mich mein Geſicht nicht? Er, Musjeh?
Monſieur von Münchhauſen? Um dieſe mitternächtige
Stunde? Wie kommet Er hierher, Musjeh? wo kom¬
met Er her, Musjeh? Was will Er — gerade Er
wieder in Amelungsborn? O ihr Götter, hat Er ge¬
rade es nicht mit dem allerhöchſten Ueberdruß an chriſt¬
licher und heidniſcher Schulzucht und Ordnung verlaſſen?
Hat der Herr Amtmann nicht —“

„Dreimal drei Kreuze hinter der ärgſten Canaille
im ganzen Cötus her gemacht? Jawohl, Domine, einen
feinen Duft haben wir hinter uns gelaſſen; aber Sie
wiſſen es ja am beſten: Ducunt volentem fata —“

Nolentem trahunt,“ ſchloß der alte Herr. „Alſo
wollend — mit Seinem guten Willen folgt Er Seinem
Fatum hieher?“

„Gutwillig, mit meinem allerbeſten Willen. Ab¬
geſehen von dem Tritt, den ſie mir in Holzminden
auf die Poſteriora verſetzet hatten, meinen Weg in die
weite Welt zu befördern. Der Herr Magiſter Buchius

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[95/0103] Ja, ſieh mich nicht ſo an, Beſtie. Gehörſt wohl auch zu denen, die heute Abend mit mir zu Schaaren von der Weſer kamen?“ Die letzten Worte waren natürlich an den aus ſeinem Winkel vorgehüpften Vogel gerichtet, der Ma¬ giſter ſah noch eine geraume Weile von dem einen Gaſt auf den andern, bis er ſich ſo weit gefaßt hatte, die ſchwarzen Mancheſternen wieder in die Höhe zu ziehen, ſie zurecht zu rücken und zu rufen: „Täuſcht mich mein Geſicht nicht? Er, Musjeh? Monſieur von Münchhauſen? Um dieſe mitternächtige Stunde? Wie kommet Er hierher, Musjeh? wo kom¬ met Er her, Musjeh? Was will Er — gerade Er wieder in Amelungsborn? O ihr Götter, hat Er ge¬ rade es nicht mit dem allerhöchſten Ueberdruß an chriſt¬ licher und heidniſcher Schulzucht und Ordnung verlaſſen? Hat der Herr Amtmann nicht —“ „Dreimal drei Kreuze hinter der ärgſten Canaille im ganzen Cötus her gemacht? Jawohl, Domine, einen feinen Duft haben wir hinter uns gelaſſen; aber Sie wiſſen es ja am beſten: Ducunt volentem fata —“ „Nolentem trahunt,“ ſchloß der alte Herr. „Alſo wollend — mit Seinem guten Willen folgt Er Seinem Fatum hieher?“ „Gutwillig, mit meinem allerbeſten Willen. Ab¬ geſehen von dem Tritt, den ſie mir in Holzminden auf die Poſteriora verſetzet hatten, meinen Weg in die weite Welt zu befördern. Der Herr Magiſter Buchius

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/103>, abgerufen am 24.11.2024.