Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

laufenden Banknoten und Wechsel zu deutschem
Gelde zu machen hat, glaubt er doch im Grunde an
sie nie recht und hat immer das Gefühl, der trans¬
atlantische Telegraph sei ihm bei dem Bankier mit
dem einheimischen Staatsanwalt zuvorgekommen und
zwar in lakedämonischer Kürze durch das eine Wort:
Schwindel! Er ist ein eifriger Zeitungsleser und
weiß, daß merkwürdige Sachen in der Welt vor¬
kommen und
merkwürdige Leute ein kurioses Glück
haben, nicht bloß in den Vereinigten Staaten von
Nordamerika, sondern auch im deutschen Vaterlande,
aber an seinen alten Schulbankgenossen Charles
Trotzendorff glaubt er weder im deutschen Vaterlande
noch in den Vereinigten Staaten von Nordamerika;
Es giebt auch Illusionen der Verneinung. Sie
nehmen überhaupt wunderliche Formen und Farben
an, unsere -- Täuschungen im Dasein auf dieser
Erde. --

Wie deutlich die verstörte Gruppe in der Garten¬
laube mir heute noch vor Augen steht! Mistreß
Trotzendorff in kindischen Thränen, Helene in
trotzigen; meine Mutter in verhaltenen, verlegenen,
aber ganz und in Allem der "Ansicht des Vaters".
Freund Velten mit einem zugekniffenen und einem
nach Miß Ellen hinüberblinzelnden Auge und über¬
haupt einem Gesicht wie: "Herr Gott, wozu Dein

laufenden Banknoten und Wechſel zu deutſchem
Gelde zu machen hat, glaubt er doch im Grunde an
ſie nie recht und hat immer das Gefühl, der trans¬
atlantiſche Telegraph ſei ihm bei dem Bankier mit
dem einheimiſchen Staatsanwalt zuvorgekommen und
zwar in lakedämoniſcher Kürze durch das eine Wort:
Schwindel! Er iſt ein eifriger Zeitungsleſer und
weiß, daß merkwürdige Sachen in der Welt vor¬
kommen und
merkwürdige Leute ein kurioſes Glück
haben, nicht bloß in den Vereinigten Staaten von
Nordamerika, ſondern auch im deutſchen Vaterlande,
aber an ſeinen alten Schulbankgenoſſen Charles
Trotzendorff glaubt er weder im deutſchen Vaterlande
noch in den Vereinigten Staaten von Nordamerika;
Es giebt auch Illuſionen der Verneinung. Sie
nehmen überhaupt wunderliche Formen und Farben
an, unſere — Täuſchungen im Daſein auf dieſer
Erde. —

Wie deutlich die verſtörte Gruppe in der Garten¬
laube mir heute noch vor Augen ſteht! Miſtreß
Trotzendorff in kindiſchen Thränen, Helene in
trotzigen; meine Mutter in verhaltenen, verlegenen,
aber ganz und in Allem der „Anſicht des Vaters“.
Freund Velten mit einem zugekniffenen und einem
nach Miß Ellen hinüberblinzelnden Auge und über¬
haupt einem Geſicht wie: „Herr Gott, wozu Dein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0071" n="61"/>
laufenden Banknoten und Wech&#x017F;el zu deut&#x017F;chem<lb/>
Gelde zu machen hat, glaubt er doch im Grunde an<lb/>
&#x017F;ie nie recht und hat immer das Gefühl, der trans¬<lb/>
atlanti&#x017F;che Telegraph &#x017F;ei ihm bei dem Bankier mit<lb/>
dem einheimi&#x017F;chen Staatsanwalt zuvorgekommen und<lb/>
zwar in lakedämoni&#x017F;cher Kürze durch das eine Wort:<lb/>
Schwindel! Er i&#x017F;t ein eifriger Zeitungsle&#x017F;er und<lb/>
weiß, daß merkwürdige Sachen in der Welt <choice><sic>vor¬<lb/>
und kommen</sic><corr>vor¬<lb/>
kommen und</corr></choice> merkwürdige Leute ein kurio&#x017F;es Glück<lb/>
haben, nicht bloß in den Vereinigten Staaten von<lb/>
Nordamerika, &#x017F;ondern auch im deut&#x017F;chen Vaterlande,<lb/>
aber an &#x017F;einen alten Schulbankgeno&#x017F;&#x017F;en Charles<lb/>
Trotzendorff glaubt er weder im deut&#x017F;chen Vaterlande<lb/>
noch in den Vereinigten Staaten von Nordamerika;<lb/>
Es giebt auch Illu&#x017F;ionen der Verneinung. Sie<lb/>
nehmen überhaupt wunderliche Formen und Farben<lb/>
an, un&#x017F;ere &#x2014; Täu&#x017F;chungen im Da&#x017F;ein auf die&#x017F;er<lb/>
Erde. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Wie deutlich die ver&#x017F;törte Gruppe in der Garten¬<lb/>
laube mir heute noch vor Augen &#x017F;teht! Mi&#x017F;treß<lb/>
Trotzendorff in kindi&#x017F;chen Thränen, Helene in<lb/>
trotzigen; meine Mutter in verhaltenen, verlegenen,<lb/>
aber ganz und in Allem der &#x201E;An&#x017F;icht des Vaters&#x201C;.<lb/>
Freund Velten mit einem zugekniffenen und einem<lb/>
nach Miß Ellen hinüberblinzelnden Auge und über¬<lb/>
haupt einem Ge&#x017F;icht wie: &#x201E;Herr Gott, wozu Dein<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0071] laufenden Banknoten und Wechſel zu deutſchem Gelde zu machen hat, glaubt er doch im Grunde an ſie nie recht und hat immer das Gefühl, der trans¬ atlantiſche Telegraph ſei ihm bei dem Bankier mit dem einheimiſchen Staatsanwalt zuvorgekommen und zwar in lakedämoniſcher Kürze durch das eine Wort: Schwindel! Er iſt ein eifriger Zeitungsleſer und weiß, daß merkwürdige Sachen in der Welt vor¬ kommen und merkwürdige Leute ein kurioſes Glück haben, nicht bloß in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, ſondern auch im deutſchen Vaterlande, aber an ſeinen alten Schulbankgenoſſen Charles Trotzendorff glaubt er weder im deutſchen Vaterlande noch in den Vereinigten Staaten von Nordamerika; Es giebt auch Illuſionen der Verneinung. Sie nehmen überhaupt wunderliche Formen und Farben an, unſere — Täuſchungen im Daſein auf dieſer Erde. — Wie deutlich die verſtörte Gruppe in der Garten¬ laube mir heute noch vor Augen ſteht! Miſtreß Trotzendorff in kindiſchen Thränen, Helene in trotzigen; meine Mutter in verhaltenen, verlegenen, aber ganz und in Allem der „Anſicht des Vaters“. Freund Velten mit einem zugekniffenen und einem nach Miß Ellen hinüberblinzelnden Auge und über¬ haupt einem Geſicht wie: „Herr Gott, wozu Dein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/71
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/71>, abgerufen am 25.11.2024.