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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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meinte, meinen Vater durch ihre unvermuthete Hin¬
weisung und den Angriff auf den armen guten
Velten ganz für ihre sonstigen Anschauungen, sowie
überhaupt ihre Lebensanschauung gewonnen zu haben.
Es war dem ernsten würdigen Herrn Manches nicht
recht an meinem besten Freunde, aber eigentlich
gar nichts an Mistreß Agathe Trotzendorff und gar
an Mr. Charles Trotzendorff.

Nun, was den Letzteren anbetraf, so genügte fast
immer eine wegschleudernde Handbewegung und eine
lang hingeblasene Tabakswolke, um den vollkommen
und für immer aus Raum, Zeit und Kausalität für
den Obergerichtssekretär Krumhardt hinauszuweisen.

Da er dazu aufgefordert worden ist, so nimmt
er das Wort, mein seliger Vater, und sagt der
Nachbarin Agathe seine Meinung, giebt sie vor der
gesammten Freundschaft umher zu Protokoll. Ohne
im geringsten wegen Injurien belangt werden zu
können, erklärt er sie für die albernste, unzurechnungs¬
fähigste Gans, die jemals dem Vogelsang durch ihr
Gegacker und Geschnatter die Harmonie gestört habe.
Wie er selbst meinetwegen wohl seine Hoffnungen
hat, aber sich keine Illusionen macht, so sind ihm
Illusionen des Nebenmenschen vollkommen unerfind¬
lich und also auch unbegreiflich. Obgleich er selber
die mehr oder weniger spärlich aus Amerika ein¬

meinte, meinen Vater durch ihre unvermuthete Hin¬
weiſung und den Angriff auf den armen guten
Velten ganz für ihre ſonſtigen Anſchauungen, ſowie
überhaupt ihre Lebensanſchauung gewonnen zu haben.
Es war dem ernſten würdigen Herrn Manches nicht
recht an meinem beſten Freunde, aber eigentlich
gar nichts an Miſtreß Agathe Trotzendorff und gar
an Mr. Charles Trotzendorff.

Nun, was den Letzteren anbetraf, ſo genügte faſt
immer eine wegſchleudernde Handbewegung und eine
lang hingeblaſene Tabakswolke, um den vollkommen
und für immer aus Raum, Zeit und Kauſalität für
den Obergerichtsſekretär Krumhardt hinauszuweiſen.

Da er dazu aufgefordert worden iſt, ſo nimmt
er das Wort, mein ſeliger Vater, und ſagt der
Nachbarin Agathe ſeine Meinung, giebt ſie vor der
geſammten Freundſchaft umher zu Protokoll. Ohne
im geringſten wegen Injurien belangt werden zu
können, erklärt er ſie für die albernſte, unzurechnungs¬
fähigſte Gans, die jemals dem Vogelſang durch ihr
Gegacker und Geſchnatter die Harmonie geſtört habe.
Wie er ſelbſt meinetwegen wohl ſeine Hoffnungen
hat, aber ſich keine Illuſionen macht, ſo ſind ihm
Illuſionen des Nebenmenſchen vollkommen unerfind¬
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die mehr oder weniger ſpärlich aus Amerika ein¬

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[60/0070] meinte, meinen Vater durch ihre unvermuthete Hin¬ weiſung und den Angriff auf den armen guten Velten ganz für ihre ſonſtigen Anſchauungen, ſowie überhaupt ihre Lebensanſchauung gewonnen zu haben. Es war dem ernſten würdigen Herrn Manches nicht recht an meinem beſten Freunde, aber eigentlich gar nichts an Miſtreß Agathe Trotzendorff und gar an Mr. Charles Trotzendorff. Nun, was den Letzteren anbetraf, ſo genügte faſt immer eine wegſchleudernde Handbewegung und eine lang hingeblaſene Tabakswolke, um den vollkommen und für immer aus Raum, Zeit und Kauſalität für den Obergerichtsſekretär Krumhardt hinauszuweiſen. Da er dazu aufgefordert worden iſt, ſo nimmt er das Wort, mein ſeliger Vater, und ſagt der Nachbarin Agathe ſeine Meinung, giebt ſie vor der geſammten Freundſchaft umher zu Protokoll. Ohne im geringſten wegen Injurien belangt werden zu können, erklärt er ſie für die albernſte, unzurechnungs¬ fähigſte Gans, die jemals dem Vogelſang durch ihr Gegacker und Geſchnatter die Harmonie geſtört habe. Wie er ſelbſt meinetwegen wohl ſeine Hoffnungen hat, aber ſich keine Illuſionen macht, ſo ſind ihm Illuſionen des Nebenmenſchen vollkommen unerfind¬ lich und alſo auch unbegreiflich. Obgleich er ſelber die mehr oder weniger ſpärlich aus Amerika ein¬

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/70>, abgerufen am 24.11.2024.