Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

und weit in die Welt hinaus müssen, ihr Guten;
aber wo ich auch sein mag, will ich die Sicherheit
dieses meines Eigenthums haben; denn nicht wahr
Mutter, Du läßt mir diesen Raum und duldest nicht
daß sie die Worte da an der Wand übertünchen!
Und wenn ich zu Dir komme, nimmst Du mich auf
wie -- ihn?"

"Aber Kind, ich bin neunzig Jahre alt --"

"Wenn ich nicht zu Dir komme wie Velten
Andres, und Du hast mich nöthig wie er Dich, so
merke ich das und erfahre es, wo ich auch sein mag.
Fürs Erste gehe ich ja auch nicht weit von hier weg.
Laß es so sein, wie ich sage!" -- -- -- -- -- --

Nun schritten wir durch die menschenvollen
Gassen der Stadt, die Wittwe Mungo und ich. Um
uns her schienen sie wirklich noch ein anderes heftiges,
leidenschaftliches Interesse an dem Besitz und Eigenthum
der Erde zu nehmen. Ich weiß es in der That nicht,
um was für ein staatliches, politisches, soziales Problem
es sich unter den Leuten handelte, welche Menschen¬
versammlung einberufen oder auseinandergetrieben
worden war, und über welche Frage man wieder
mal nicht einig hatte werden können. Namen von
Führern im Gezerr klangen um uns her -- sehr
berühmt für den Tag, sehr zeitungsgerecht -- mit
Wuth, Hohn, Spott oder jubelndem Beifall aus¬

und weit in die Welt hinaus müſſen, ihr Guten;
aber wo ich auch ſein mag, will ich die Sicherheit
dieſes meines Eigenthums haben; denn nicht wahr
Mutter, Du läßt mir dieſen Raum und duldeſt nicht
daß ſie die Worte da an der Wand übertünchen!
Und wenn ich zu Dir komme, nimmſt Du mich auf
wie — ihn?“

„Aber Kind, ich bin neunzig Jahre alt —“

„Wenn ich nicht zu Dir komme wie Velten
Andres, und Du haſt mich nöthig wie er Dich, ſo
merke ich das und erfahre es, wo ich auch ſein mag.
Fürs Erſte gehe ich ja auch nicht weit von hier weg.
Laß es ſo ſein, wie ich ſage!“ — — — — — —

Nun ſchritten wir durch die menſchenvollen
Gaſſen der Stadt, die Wittwe Mungo und ich. Um
uns her ſchienen ſie wirklich noch ein anderes heftiges,
leidenſchaftliches Intereſſe an dem Beſitz und Eigenthum
der Erde zu nehmen. Ich weiß es in der That nicht,
um was für ein ſtaatliches, politiſches, ſoziales Problem
es ſich unter den Leuten handelte, welche Menſchen¬
verſammlung einberufen oder auseinandergetrieben
worden war, und über welche Frage man wieder
mal nicht einig hatte werden können. Namen von
Führern im Gezerr klangen um uns her — ſehr
berühmt für den Tag, ſehr zeitungsgerecht — mit
Wuth, Hohn, Spott oder jubelndem Beifall aus¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0327" n="317"/>
und weit in die Welt hinaus mü&#x017F;&#x017F;en, ihr Guten;<lb/>
aber wo ich auch &#x017F;ein mag, will ich die Sicherheit<lb/>
die&#x017F;es meines Eigenthums haben; denn nicht wahr<lb/>
Mutter, Du läßt mir die&#x017F;en Raum und dulde&#x017F;t nicht<lb/>
daß &#x017F;ie die Worte da an der Wand übertünchen!<lb/>
Und wenn ich zu Dir komme, nimm&#x017F;t Du mich auf<lb/>
wie &#x2014; ihn?&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Aber Kind, ich bin neunzig Jahre alt &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Wenn ich nicht zu Dir komme wie Velten<lb/>
Andres, und Du ha&#x017F;t mich nöthig wie er Dich, &#x017F;o<lb/>
merke ich das und erfahre es, wo ich auch &#x017F;ein mag.<lb/>
Fürs Er&#x017F;te gehe ich ja auch nicht weit von hier weg.<lb/>
Laß es &#x017F;o &#x017F;ein, wie ich &#x017F;age!&#x201C; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
      <p>Nun &#x017F;chritten wir durch die men&#x017F;chenvollen<lb/>
Ga&#x017F;&#x017F;en der Stadt, die Wittwe Mungo und ich. Um<lb/>
uns her &#x017F;chienen &#x017F;ie wirklich noch ein anderes heftiges,<lb/>
leiden&#x017F;chaftliches Intere&#x017F;&#x017F;e an dem Be&#x017F;itz und Eigenthum<lb/>
der Erde zu nehmen. Ich weiß es in der That nicht,<lb/>
um was für ein &#x017F;taatliches, politi&#x017F;ches, &#x017F;oziales Problem<lb/>
es &#x017F;ich unter den Leuten handelte, welche Men&#x017F;chen¬<lb/>
ver&#x017F;ammlung einberufen oder auseinandergetrieben<lb/>
worden war, und über welche Frage man wieder<lb/>
mal nicht einig hatte werden können. Namen von<lb/>
Führern im Gezerr klangen um uns her &#x2014; &#x017F;ehr<lb/>
berühmt für den Tag, &#x017F;ehr zeitungsgerecht &#x2014; mit<lb/>
Wuth, Hohn, Spott oder jubelndem Beifall aus¬<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0327] und weit in die Welt hinaus müſſen, ihr Guten; aber wo ich auch ſein mag, will ich die Sicherheit dieſes meines Eigenthums haben; denn nicht wahr Mutter, Du läßt mir dieſen Raum und duldeſt nicht daß ſie die Worte da an der Wand übertünchen! Und wenn ich zu Dir komme, nimmſt Du mich auf wie — ihn?“ „Aber Kind, ich bin neunzig Jahre alt —“ „Wenn ich nicht zu Dir komme wie Velten Andres, und Du haſt mich nöthig wie er Dich, ſo merke ich das und erfahre es, wo ich auch ſein mag. Fürs Erſte gehe ich ja auch nicht weit von hier weg. Laß es ſo ſein, wie ich ſage!“ — — — — — — Nun ſchritten wir durch die menſchenvollen Gaſſen der Stadt, die Wittwe Mungo und ich. Um uns her ſchienen ſie wirklich noch ein anderes heftiges, leidenſchaftliches Intereſſe an dem Beſitz und Eigenthum der Erde zu nehmen. Ich weiß es in der That nicht, um was für ein ſtaatliches, politiſches, ſoziales Problem es ſich unter den Leuten handelte, welche Menſchen¬ verſammlung einberufen oder auseinandergetrieben worden war, und über welche Frage man wieder mal nicht einig hatte werden können. Namen von Führern im Gezerr klangen um uns her — ſehr berühmt für den Tag, ſehr zeitungsgerecht — mit Wuth, Hohn, Spott oder jubelndem Beifall aus¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/327
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/327>, abgerufen am 24.11.2024.