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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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"Ja, die Beiden auch. Sie erinnern sich der
Zeit wohl, wo das Vorderhaus noch stand, und wir
Alle, selbst ich, noch jung waren. Nun war es im
September, und er hatte sich vollkommen bei mir
eingerichtet, das heißt eigentlich ich ihm Alles. Nicht
aus meinem Geldbeutel; in seiner Brieftasche hat er
genug Scheine aus aller möglichen Herren Länder
gehabt, daß ich ihm davon nicht bloß noch ein halb
Dutzend Hemden, sondern auch alles Übrige besorgen
konnte -- nach seinem jetzigen kuriosen Leben wohl
noch auf Jahre hinaus. Auch in der Leihbibliothek
hatte ich ihn abonniren müssen; denn ausgegangen
ist er kaum mehr; da entschuldigte er sich immer mit
seinen kranken Füßen. Auf seinem alten Studenten¬
sofa und seinem Bett hat er gelegen und den lieben
langen Tag und auch manchmal die Nacht durch ge¬
lesen, Alles, was ihm einmal gefallen hat in seiner
Kindheit und Jugend, und immer aus den alten,
schmierigen, ekligen, zerrissenen Bänden von Olims
Zeiten. Brachte ich ihm ein, neues Exemplar, ließ
er's liegen und meinte: ,Mutter Feucht, das ist das
Rechte nicht.' -- Ja, ja, man konnte sich bei Allem
irgend etwas denken, aber man mußte sich wirklich
sehr in seine Grillen und Schrullen hineinfinden.
Und sehen Sie mal, Herr Oberregierungsrath, das ist
jetzt denn auch wirklich mein Stolz und meine Freude,

„Ja, die Beiden auch. Sie erinnern ſich der
Zeit wohl, wo das Vorderhaus noch ſtand, und wir
Alle, ſelbſt ich, noch jung waren. Nun war es im
September, und er hatte ſich vollkommen bei mir
eingerichtet, das heißt eigentlich ich ihm Alles. Nicht
aus meinem Geldbeutel; in ſeiner Brieftaſche hat er
genug Scheine aus aller möglichen Herren Länder
gehabt, daß ich ihm davon nicht bloß noch ein halb
Dutzend Hemden, ſondern auch alles Übrige beſorgen
konnte — nach ſeinem jetzigen kurioſen Leben wohl
noch auf Jahre hinaus. Auch in der Leihbibliothek
hatte ich ihn abonniren müſſen; denn ausgegangen
iſt er kaum mehr; da entſchuldigte er ſich immer mit
ſeinen kranken Füßen. Auf ſeinem alten Studenten¬
ſofa und ſeinem Bett hat er gelegen und den lieben
langen Tag und auch manchmal die Nacht durch ge¬
leſen, Alles, was ihm einmal gefallen hat in ſeiner
Kindheit und Jugend, und immer aus den alten,
ſchmierigen, ekligen, zerriſſenen Bänden von Olims
Zeiten. Brachte ich ihm ein, neues Exemplar, ließ
er's liegen und meinte: ‚Mutter Feucht, das iſt das
Rechte nicht.‘ — Ja, ja, man konnte ſich bei Allem
irgend etwas denken, aber man mußte ſich wirklich
ſehr in ſeine Grillen und Schrullen hineinfinden.
Und ſehen Sie mal, Herr Oberregierungsrath, das iſt
jetzt denn auch wirklich mein Stolz und meine Freude,

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[297/0307] „Ja, die Beiden auch. Sie erinnern ſich der Zeit wohl, wo das Vorderhaus noch ſtand, und wir Alle, ſelbſt ich, noch jung waren. Nun war es im September, und er hatte ſich vollkommen bei mir eingerichtet, das heißt eigentlich ich ihm Alles. Nicht aus meinem Geldbeutel; in ſeiner Brieftaſche hat er genug Scheine aus aller möglichen Herren Länder gehabt, daß ich ihm davon nicht bloß noch ein halb Dutzend Hemden, ſondern auch alles Übrige beſorgen konnte — nach ſeinem jetzigen kurioſen Leben wohl noch auf Jahre hinaus. Auch in der Leihbibliothek hatte ich ihn abonniren müſſen; denn ausgegangen iſt er kaum mehr; da entſchuldigte er ſich immer mit ſeinen kranken Füßen. Auf ſeinem alten Studenten¬ ſofa und ſeinem Bett hat er gelegen und den lieben langen Tag und auch manchmal die Nacht durch ge¬ leſen, Alles, was ihm einmal gefallen hat in ſeiner Kindheit und Jugend, und immer aus den alten, ſchmierigen, ekligen, zerriſſenen Bänden von Olims Zeiten. Brachte ich ihm ein, neues Exemplar, ließ er's liegen und meinte: ‚Mutter Feucht, das iſt das Rechte nicht.‘ — Ja, ja, man konnte ſich bei Allem irgend etwas denken, aber man mußte ſich wirklich ſehr in ſeine Grillen und Schrullen hineinfinden. Und ſehen Sie mal, Herr Oberregierungsrath, das iſt jetzt denn auch wirklich mein Stolz und meine Freude,

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/307>, abgerufen am 24.11.2024.