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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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mal wäre mir das lieber gewesen, als wie daß ich
diesen Winter durch das liebe Ihrige selber mit in
meiner Schürze habe in den Ofen und auf den
Küchenherd tragen müssen! Lieber Herr Assessor,
Herzenskarlchen, ich habe ja auch zu Ihnen gehört,
und Sie auf den Armen getragen, und auch bei
Ihren lieben Eltern bin ich ein- und ausgegangen
in guten Tagen und habe zugegriffen in bösen --
Sie können es mir bezeugen, daß ich mich habe zu¬
sammennehmen können und ihm nicht die guten,
lieben Sachen vor die Füße geschmissen habe und
nicht die Schürze über den Kopf geschlagen habe und
ihm nicht wie eine Verrückte aus dem Hause gelaufen
bin! Nun gucke Einer, wie mich das schwarze Mohren¬
gesicht hier aus dem Tivoli angrinst! Nicht wahr,
Herr Assessor, da von Spukmeyers seligem Gras¬
garten her, und hier, wo ich auf Ihres Herrn Vaters
Grundstück als junges Kindsmädchen auch ihm das
Laufen gelehrt habe, ihm, der sich jetzt diese Gesell¬
schaft hergebeten hat, um sich mit anzusehen, wie er
sein Vater- und Mutterhaus zu einer Brandstatt und
Räuberhöhle macht. Da holt sich die lahme Brandten
ihr ungesegnet Theil am Eigenthum mit dem Waschfaß,
in dem ich ihm seiner seligen Mutter Hemden ge¬
waschen habe! Vor meinen Augen, als ob ich allein
zu gar nichts gehörte, und ich kein Herz im Leib

mal wäre mir das lieber geweſen, als wie daß ich
dieſen Winter durch das liebe Ihrige ſelber mit in
meiner Schürze habe in den Ofen und auf den
Küchenherd tragen müſſen! Lieber Herr Aſſeſſor,
Herzenskarlchen, ich habe ja auch zu Ihnen gehört,
und Sie auf den Armen getragen, und auch bei
Ihren lieben Eltern bin ich ein- und ausgegangen
in guten Tagen und habe zugegriffen in böſen —
Sie können es mir bezeugen, daß ich mich habe zu¬
ſammennehmen können und ihm nicht die guten,
lieben Sachen vor die Füße geſchmiſſen habe und
nicht die Schürze über den Kopf geſchlagen habe und
ihm nicht wie eine Verrückte aus dem Hauſe gelaufen
bin! Nun gucke Einer, wie mich das ſchwarze Mohren¬
geſicht hier aus dem Tivoli angrinſt! Nicht wahr,
Herr Aſſeſſor, da von Spukmeyers ſeligem Gras¬
garten her, und hier, wo ich auf Ihres Herrn Vaters
Grundſtück als junges Kindsmädchen auch ihm das
Laufen gelehrt habe, ihm, der ſich jetzt dieſe Geſell¬
ſchaft hergebeten hat, um ſich mit anzuſehen, wie er
ſein Vater- und Mutterhaus zu einer Brandſtatt und
Räuberhöhle macht. Da holt ſich die lahme Brandten
ihr ungeſegnet Theil am Eigenthum mit dem Waſchfaß,
in dem ich ihm ſeiner ſeligen Mutter Hemden ge¬
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zu gar nichts gehörte, und ich kein Herz im Leib

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[271/0281] mal wäre mir das lieber geweſen, als wie daß ich dieſen Winter durch das liebe Ihrige ſelber mit in meiner Schürze habe in den Ofen und auf den Küchenherd tragen müſſen! Lieber Herr Aſſeſſor, Herzenskarlchen, ich habe ja auch zu Ihnen gehört, und Sie auf den Armen getragen, und auch bei Ihren lieben Eltern bin ich ein- und ausgegangen in guten Tagen und habe zugegriffen in böſen — Sie können es mir bezeugen, daß ich mich habe zu¬ ſammennehmen können und ihm nicht die guten, lieben Sachen vor die Füße geſchmiſſen habe und nicht die Schürze über den Kopf geſchlagen habe und ihm nicht wie eine Verrückte aus dem Hauſe gelaufen bin! Nun gucke Einer, wie mich das ſchwarze Mohren¬ geſicht hier aus dem Tivoli angrinſt! Nicht wahr, Herr Aſſeſſor, da von Spukmeyers ſeligem Gras¬ garten her, und hier, wo ich auf Ihres Herrn Vaters Grundſtück als junges Kindsmädchen auch ihm das Laufen gelehrt habe, ihm, der ſich jetzt dieſe Geſell¬ ſchaft hergebeten hat, um ſich mit anzuſehen, wie er ſein Vater- und Mutterhaus zu einer Brandſtatt und Räuberhöhle macht. Da holt ſich die lahme Brandten ihr ungeſegnet Theil am Eigenthum mit dem Waſchfaß, in dem ich ihm ſeiner ſeligen Mutter Hemden ge¬ waſchen habe! Vor meinen Augen, als ob ich allein zu gar nichts gehörte, und ich kein Herz im Leib

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/281>, abgerufen am 22.11.2024.