ihren Buben hätte. Soll ich eine karthagische Mutter aus ihr machen, die ihr Wurm dem Moloch opfert? Ich glaube, sie sähe es in meinen Armen ebenso gern, wie in denen des feurigen Götzen. Sie hat mich nach braver Frauenart zu gut kennen gelernt im Laufe der letzten Zeit, und ich müßte doch wohl einmal mich über eure Wiege beugen und dem Jungen den Finger hinhalten. Weißt Du, Karl, wir wollen der Guten solches Schwanken zwischen Freundschaft und Mißtrauen, zwischen Neigung und Abneigung ersparen. Und übrigens ist auch Die da nebenan in ihrem stillen Frieden mir immer auch noch Gesellschaft und zu Rath und Trost da. Wir danken euch bestens, alter Freund; aber laßt uns nur unsere letzten Zwiegespräche in diesen Tagen allein mitein¬ ander halten. Wir haben noch Einiges miteinander abzumachen, wobei selbst die freundlichst und freund¬ schaftlichst gesinnten Dritten nur fremd wirken können."
Dagegen war nichts zu sagen; aber ein Achsel¬ zucken eigentlich auch nicht recht angebracht. Ich sah also den Freund nur am Begräbnißtage wieder.
Wir gaben auch der Frau Doktorin Amalie Andres die letzte Ehre, -- diesmal ein kleines Geleit, doch um das Grab eine gar ehrenvolle Corona:, die ältesten und älteren Leute (meistens geringen Standes) aus dem Vogelsang, die noch die ganze Nachbarschaft,
ihren Buben hätte. Soll ich eine karthagiſche Mutter aus ihr machen, die ihr Wurm dem Moloch opfert? Ich glaube, ſie ſähe es in meinen Armen ebenſo gern, wie in denen des feurigen Götzen. Sie hat mich nach braver Frauenart zu gut kennen gelernt im Laufe der letzten Zeit, und ich müßte doch wohl einmal mich über eure Wiege beugen und dem Jungen den Finger hinhalten. Weißt Du, Karl, wir wollen der Guten ſolches Schwanken zwiſchen Freundſchaft und Mißtrauen, zwiſchen Neigung und Abneigung erſparen. Und übrigens iſt auch Die da nebenan in ihrem ſtillen Frieden mir immer auch noch Geſellſchaft und zu Rath und Troſt da. Wir danken euch beſtens, alter Freund; aber laßt uns nur unſere letzten Zwiegeſpräche in dieſen Tagen allein mitein¬ ander halten. Wir haben noch Einiges miteinander abzumachen, wobei ſelbſt die freundlichſt und freund¬ ſchaftlichſt geſinnten Dritten nur fremd wirken können.“
Dagegen war nichts zu ſagen; aber ein Achſel¬ zucken eigentlich auch nicht recht angebracht. Ich ſah alſo den Freund nur am Begräbnißtage wieder.
Wir gaben auch der Frau Doktorin Amalie Andres die letzte Ehre, — diesmal ein kleines Geleit, doch um das Grab eine gar ehrenvolle Corona:, die älteſten und älteren Leute (meiſtens geringen Standes) aus dem Vogelſang, die noch die ganze Nachbarſchaft,
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ihren Buben hätte. Soll ich eine karthagiſche Mutter
aus ihr machen, die ihr Wurm dem Moloch opfert?
Ich glaube, ſie ſähe es in meinen Armen ebenſo
gern, wie in denen des feurigen Götzen. Sie hat
mich nach braver Frauenart zu gut kennen gelernt
im Laufe der letzten Zeit, und ich müßte doch wohl
einmal mich über eure Wiege beugen und dem
Jungen den Finger hinhalten. Weißt Du, Karl,
wir wollen der Guten ſolches Schwanken zwiſchen
Freundſchaft und Mißtrauen, zwiſchen Neigung und
Abneigung erſparen. Und übrigens iſt auch Die da
nebenan in ihrem ſtillen Frieden mir immer auch noch
Geſellſchaft und zu Rath und Troſt da. Wir danken
euch beſtens, alter Freund; aber laßt uns nur unſere
letzten Zwiegeſpräche in dieſen Tagen allein mitein¬
ander halten. Wir haben noch Einiges miteinander
abzumachen, wobei ſelbſt die freundlichſt und freund¬
ſchaftlichſt geſinnten Dritten nur fremd wirken können.“
Dagegen war nichts zu ſagen; aber ein Achſel¬
zucken eigentlich auch nicht recht angebracht. Ich
ſah alſo den Freund nur am Begräbnißtage wieder.
Wir gaben auch der Frau Doktorin Amalie
Andres die letzte Ehre, — diesmal ein kleines Geleit,
doch um das Grab eine gar ehrenvolle Corona:, die
älteſten und älteren Leute (meiſtens geringen Standes)
aus dem Vogelſang, die noch die ganze Nachbarſchaft,
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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/262>, abgerufen am 22.11.2024.
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