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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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Kammer fort und bot mir eine Cigarre an. Er
zündete eine an, und so lehnten wir wieder in dem
kleinen Garten an der letzten grünen Hecke unserer
Jugendzeit. Ich fröstelnd in dem kalten Mauerschatten
von meiner Eltern Anwesen her, und ohne zu wissen,
was ich ihm sagen sollte. So sprach denn auch ich,
wie unbewußt und nicht zu ihm, sondern für mich
den furchtbaren Rath:

"Sei gefühllos!
Ein leichtbewegtes Herz
Ist ein elend Gut
Auf der wankenden Erde."

"Der schickte seine Vulpius nach Frankfurt am
Main, um den Hausrath seiner Mutter zu versteigern;
aber der Thor hatte selbst sich schon längst einen
neuen gesammelt und sammelte weiter daran, um
ihn Erben zu hinterlassen, denen er schwer auflag.
Ja, so seid ihr, Karl Krumhardt! Du hast es
ebenfalls recht behaglich in Deinen sicheren vier
Wänden und doch aus dem alten, verschwundenen
Neste, weiland hier zur Linken, manches mit in das
neue Haus hinübergenommen, was Kindern und
Kindeskindern dereinst schwer aufliegen wird."

Nun wendete er sich von der lebendigen, staubigen,
gemeinen Vorstadtgasse ab und gegen sein Elternhaus,
sagte jedoch weiter nichts: ich aber habe oft, oft an
seinen Blick und die begleitende Bewegung mit der

Kammer fort und bot mir eine Cigarre an. Er
zündete eine an, und ſo lehnten wir wieder in dem
kleinen Garten an der letzten grünen Hecke unſerer
Jugendzeit. Ich fröſtelnd in dem kalten Mauerſchatten
von meiner Eltern Anweſen her, und ohne zu wiſſen,
was ich ihm ſagen ſollte. So ſprach denn auch ich,
wie unbewußt und nicht zu ihm, ſondern für mich
den furchtbaren Rath:

„Sei gefühllos!
Ein leichtbewegtes Herz
Iſt ein elend Gut
Auf der wankenden Erde.“

„Der ſchickte ſeine Vulpius nach Frankfurt am
Main, um den Hausrath ſeiner Mutter zu verſteigern;
aber der Thor hatte ſelbſt ſich ſchon längſt einen
neuen geſammelt und ſammelte weiter daran, um
ihn Erben zu hinterlaſſen, denen er ſchwer auflag.
Ja, ſo ſeid ihr, Karl Krumhardt! Du haſt es
ebenfalls recht behaglich in Deinen ſicheren vier
Wänden und doch aus dem alten, verſchwundenen
Neſte, weiland hier zur Linken, manches mit in das
neue Haus hinübergenommen, was Kindern und
Kindeskindern dereinſt ſchwer aufliegen wird.“

Nun wendete er ſich von der lebendigen, ſtaubigen,
gemeinen Vorſtadtgaſſe ab und gegen ſein Elternhaus,
ſagte jedoch weiter nichts: ich aber habe oft, oft an
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[250/0260] Kammer fort und bot mir eine Cigarre an. Er zündete eine an, und ſo lehnten wir wieder in dem kleinen Garten an der letzten grünen Hecke unſerer Jugendzeit. Ich fröſtelnd in dem kalten Mauerſchatten von meiner Eltern Anweſen her, und ohne zu wiſſen, was ich ihm ſagen ſollte. So ſprach denn auch ich, wie unbewußt und nicht zu ihm, ſondern für mich den furchtbaren Rath: „Sei gefühllos! Ein leichtbewegtes Herz Iſt ein elend Gut Auf der wankenden Erde.“ „Der ſchickte ſeine Vulpius nach Frankfurt am Main, um den Hausrath ſeiner Mutter zu verſteigern; aber der Thor hatte ſelbſt ſich ſchon längſt einen neuen geſammelt und ſammelte weiter daran, um ihn Erben zu hinterlaſſen, denen er ſchwer auflag. Ja, ſo ſeid ihr, Karl Krumhardt! Du haſt es ebenfalls recht behaglich in Deinen ſicheren vier Wänden und doch aus dem alten, verſchwundenen Neſte, weiland hier zur Linken, manches mit in das neue Haus hinübergenommen, was Kindern und Kindeskindern dereinſt ſchwer aufliegen wird.“ Nun wendete er ſich von der lebendigen, ſtaubigen, gemeinen Vorſtadtgaſſe ab und gegen ſein Elternhaus, ſagte jedoch weiter nichts: ich aber habe oft, oft an ſeinen Blick und die begleitende Bewegung mit der

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/260>, abgerufen am 25.11.2024.