und wann an dem Federhalter nage, meiner Privat¬ gefühle, Stimmungen, Meinungen und so weiter wegen, so bitte ich die geehrten Herren und Damen auf dem Richterstuhle des Erdenlebens, hier, in Sachen Trotzendorff gegen Andres, oder Velten Andres contra Wittwe Mungo, nicht darauf zu achten. Meine Frau sagte seiner Zeit:
"Guter Gott, wie dankbar können wir doch sein, daß Du nicht so warst wie die beiden Anderen von euch. So haben wir doch wenigstens unser geregeltes Dasein und unsere Kinder um uns. Aber auf deren vernünftige, ordentliche Erziehung wollen wir auch recht Achtung geben. Es wäre mir zu entsetzlich, wenn eines von ihnen auch so ins Wilde wüchse!" --
Dr. med. Valentin Andres, der Vater unseres Freundes Velten Andres, war ein echter und gerechter Vorstadtdoktor, ein gutmüthiger Mensch und ein guter Arzt, welchem letztern nur die Berge und die übrige schöne Natur für seine Liebhaberei, die Insektenkunde, oft zu nahe lagen. Er war recht häufig nicht zu finden, wenn er an einem Krankenbette, bei einem Unglücksfall oder sonst in seinem Beruf höchst nötig war. Seine Abhandlung über Cynips scutellaris; die Gallapfelwespe, machte seiner Zeit in den be¬ treffenden Kreisen Aufsehen und ist auch heute noch von den Fachgenossen geschätzt. Zum Sanitätsrath
und wann an dem Federhalter nage, meiner Privat¬ gefühle, Stimmungen, Meinungen und ſo weiter wegen, ſo bitte ich die geehrten Herren und Damen auf dem Richterſtuhle des Erdenlebens, hier, in Sachen Trotzendorff gegen Andres, oder Velten Andres contra Wittwe Mungo, nicht darauf zu achten. Meine Frau ſagte ſeiner Zeit:
„Guter Gott, wie dankbar können wir doch ſein, daß Du nicht ſo warſt wie die beiden Anderen von euch. So haben wir doch wenigſtens unſer geregeltes Daſein und unſere Kinder um uns. Aber auf deren vernünftige, ordentliche Erziehung wollen wir auch recht Achtung geben. Es wäre mir zu entſetzlich, wenn eines von ihnen auch ſo ins Wilde wüchſe!“ —
Dr. med. Valentin Andres, der Vater unſeres Freundes Velten Andres, war ein echter und gerechter Vorſtadtdoktor, ein gutmüthiger Menſch und ein guter Arzt, welchem letztern nur die Berge und die übrige ſchöne Natur für ſeine Liebhaberei, die Inſektenkunde, oft zu nahe lagen. Er war recht häufig nicht zu finden, wenn er an einem Krankenbette, bei einem Unglücksfall oder ſonſt in ſeinem Beruf höchſt nötig war. Seine Abhandlung über Cynips scutellaris; die Gallapfelweſpe, machte ſeiner Zeit in den be¬ treffenden Kreiſen Aufſehen und iſt auch heute noch von den Fachgenoſſen geſchätzt. Zum Sanitätsrath
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und wann an dem Federhalter nage, meiner Privat¬
gefühle, Stimmungen, Meinungen und ſo weiter
wegen, ſo bitte ich die geehrten Herren und Damen
auf dem Richterſtuhle des Erdenlebens, hier, in
Sachen Trotzendorff gegen Andres, oder Velten Andres
contra Wittwe Mungo, nicht darauf zu achten. Meine
Frau ſagte ſeiner Zeit:
„Guter Gott, wie dankbar können wir doch ſein,
daß Du nicht ſo warſt wie die beiden Anderen von
euch. So haben wir doch wenigſtens unſer geregeltes
Daſein und unſere Kinder um uns. Aber auf deren
vernünftige, ordentliche Erziehung wollen wir auch
recht Achtung geben. Es wäre mir zu entſetzlich,
wenn eines von ihnen auch ſo ins Wilde wüchſe!“ —
Dr. med. Valentin Andres, der Vater unſeres
Freundes Velten Andres, war ein echter und gerechter
Vorſtadtdoktor, ein gutmüthiger Menſch und ein guter
Arzt, welchem letztern nur die Berge und die übrige
ſchöne Natur für ſeine Liebhaberei, die Inſektenkunde,
oft zu nahe lagen. Er war recht häufig nicht zu
finden, wenn er an einem Krankenbette, bei einem
Unglücksfall oder ſonſt in ſeinem Beruf höchſt nötig
war. Seine Abhandlung über Cynips scutellaris;
die Gallapfelweſpe, machte ſeiner Zeit in den be¬
treffenden Kreiſen Aufſehen und iſt auch heute noch
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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/23>, abgerufen am 24.11.2024.
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