Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

hinaus verlor sich unsere Kenntniß des Besitzstandes
in der Nacht der Zeiten. Es war jedenfalls ein
altes Haus, das nicht nur die drei schlesischen Kriege,
sondern auch den spanischen Erbfolgekrieg miterlebt
hatte als Zeitengenosse. Das Nachbarhäuschen, das
seiner äußeren Erscheinung nach etwas jünger war,
hatte Dr. med. Andres erst bei seiner Niederlassung
in der Stadt und der Vorstadt Vogelsang käuflich
an sich gebracht. Seine Wittwe und sein Junge
gründeten ihre Wohnorts- und (möglicherweise) auch
ihre Unterstützungsberechtigung auf diesen, der Zeit
nach noch ziemlich naheliegenden "Eintrag" ins
Hypothekenbuch; aber auch sie fühlten sich ihres Be¬
sitzthums sicher und gehörten von Anfang an dazu
-- nämlich zur Nachbarschaft im alten, echten Sinne,
und mein Vater war nach dem Tode des Doktors
ganz selbstverständlich von der Obervormundschaft der
Witwe als "Familienfreund" beigegeben worden.

Zugezogen war nur, jenseits der Grünen Gasse,
Mrs. Trotzendorff from New York, in eine Mieth¬
wohnung. Wie aber deren Kind sein Bürgerrecht
unter dem Osterberge im Vogelsang erwarb und es
aufgab, darüber mögen denn diese Akten mit allen
dazu gehörigen Dokumenten das Nähere berichten.
Ich werde mir die möglichste Mühe geben, nur als
Protokollist des Falles aufzutreten. Wenn ich dann

hinaus verlor ſich unſere Kenntniß des Beſitzſtandes
in der Nacht der Zeiten. Es war jedenfalls ein
altes Haus, das nicht nur die drei ſchleſiſchen Kriege,
ſondern auch den ſpaniſchen Erbfolgekrieg miterlebt
hatte als Zeitengenoſſe. Das Nachbarhäuschen, das
ſeiner äußeren Erſcheinung nach etwas jünger war,
hatte Dr. med. Andres erſt bei ſeiner Niederlaſſung
in der Stadt und der Vorſtadt Vogelſang käuflich
an ſich gebracht. Seine Wittwe und ſein Junge
gründeten ihre Wohnorts- und (möglicherweiſe) auch
ihre Unterſtützungsberechtigung auf dieſen, der Zeit
nach noch ziemlich naheliegenden „Eintrag“ ins
Hypothekenbuch; aber auch ſie fühlten ſich ihres Be¬
ſitzthums ſicher und gehörten von Anfang an dazu
— nämlich zur Nachbarſchaft im alten, echten Sinne,
und mein Vater war nach dem Tode des Doktors
ganz ſelbſtverſtändlich von der Obervormundſchaft der
Witwe als „Familienfreund“ beigegeben worden.

Zugezogen war nur, jenſeits der Grünen Gaſſe,
Mrs. Trotzendorff from New York, in eine Mieth¬
wohnung. Wie aber deren Kind ſein Bürgerrecht
unter dem Oſterberge im Vogelſang erwarb und es
aufgab, darüber mögen denn dieſe Akten mit allen
dazu gehörigen Dokumenten das Nähere berichten.
Ich werde mir die möglichſte Mühe geben, nur als
Protokolliſt des Falles aufzutreten. Wenn ich dann

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0022" n="12"/>
hinaus verlor &#x017F;ich un&#x017F;ere Kenntniß des Be&#x017F;itz&#x017F;tandes<lb/>
in der Nacht der Zeiten. Es war jedenfalls ein<lb/>
altes Haus, das nicht nur die drei &#x017F;chle&#x017F;i&#x017F;chen Kriege,<lb/>
&#x017F;ondern auch den &#x017F;pani&#x017F;chen Erbfolgekrieg miterlebt<lb/>
hatte als Zeitengeno&#x017F;&#x017F;e. Das Nachbarhäuschen, das<lb/>
&#x017F;einer äußeren Er&#x017F;cheinung nach etwas jünger war,<lb/>
hatte <hi rendition="#aq">Dr. med.</hi> Andres er&#x017F;t bei &#x017F;einer Niederla&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
in der Stadt und der Vor&#x017F;tadt Vogel&#x017F;ang käuflich<lb/>
an &#x017F;ich gebracht. Seine Wittwe und &#x017F;ein Junge<lb/>
gründeten ihre Wohnorts- und (möglicherwei&#x017F;e) auch<lb/>
ihre Unter&#x017F;tützungsberechtigung auf die&#x017F;en, der Zeit<lb/>
nach noch ziemlich naheliegenden &#x201E;Eintrag&#x201C; ins<lb/>
Hypothekenbuch; aber auch &#x017F;ie fühlten &#x017F;ich ihres Be¬<lb/>
&#x017F;itzthums &#x017F;icher und gehörten von Anfang an dazu<lb/>
&#x2014; nämlich zur Nachbar&#x017F;chaft im alten, echten Sinne,<lb/>
und mein Vater war nach dem Tode des Doktors<lb/>
ganz &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich von der Obervormund&#x017F;chaft der<lb/>
Witwe als &#x201E;Familienfreund&#x201C; beigegeben worden.</p><lb/>
      <p>Zugezogen war nur, jen&#x017F;eits der Grünen Ga&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
Mrs. Trotzendorff <hi rendition="#aq">from New York</hi>, in eine Mieth¬<lb/>
wohnung. Wie aber deren Kind &#x017F;ein Bürgerrecht<lb/>
unter dem O&#x017F;terberge im Vogel&#x017F;ang erwarb und es<lb/>
aufgab, darüber mögen denn die&#x017F;e Akten mit allen<lb/>
dazu gehörigen Dokumenten das Nähere berichten.<lb/>
Ich werde mir die möglich&#x017F;te Mühe geben, nur als<lb/>
Protokolli&#x017F;t des Falles aufzutreten. Wenn ich dann<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0022] hinaus verlor ſich unſere Kenntniß des Beſitzſtandes in der Nacht der Zeiten. Es war jedenfalls ein altes Haus, das nicht nur die drei ſchleſiſchen Kriege, ſondern auch den ſpaniſchen Erbfolgekrieg miterlebt hatte als Zeitengenoſſe. Das Nachbarhäuschen, das ſeiner äußeren Erſcheinung nach etwas jünger war, hatte Dr. med. Andres erſt bei ſeiner Niederlaſſung in der Stadt und der Vorſtadt Vogelſang käuflich an ſich gebracht. Seine Wittwe und ſein Junge gründeten ihre Wohnorts- und (möglicherweiſe) auch ihre Unterſtützungsberechtigung auf dieſen, der Zeit nach noch ziemlich naheliegenden „Eintrag“ ins Hypothekenbuch; aber auch ſie fühlten ſich ihres Be¬ ſitzthums ſicher und gehörten von Anfang an dazu — nämlich zur Nachbarſchaft im alten, echten Sinne, und mein Vater war nach dem Tode des Doktors ganz ſelbſtverſtändlich von der Obervormundſchaft der Witwe als „Familienfreund“ beigegeben worden. Zugezogen war nur, jenſeits der Grünen Gaſſe, Mrs. Trotzendorff from New York, in eine Mieth¬ wohnung. Wie aber deren Kind ſein Bürgerrecht unter dem Oſterberge im Vogelſang erwarb und es aufgab, darüber mögen denn dieſe Akten mit allen dazu gehörigen Dokumenten das Nähere berichten. Ich werde mir die möglichſte Mühe geben, nur als Protokolliſt des Falles aufzutreten. Wenn ich dann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/22
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/22>, abgerufen am 24.11.2024.