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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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in die Gegend!" Wie schwer sie einem aufs Herz
fallen kann, das sollte ich am Begräbnißtage meines
Vaters im vollsten Maaße erfahren.

Ich war nicht so häufig in die Gegend ge¬
kommen, wie ich gesollt hatte, und nun war gerade
die rechte Gelegenheit, um zu erkennen, wie sehr sie
sich verändert hatte, nicht seit unseren Kinderjahren,
sondern seit dem Tage, an welchem die Nachbarin
Andres, die Frau Doktern, dort von uns Allen allein
zurückgelassen worden war.

Es giebt auch eine Redensart: "Das ist mir
bis jetzt nicht aufgefallen!" und dann kommt plötz¬
lich die Gelegenheit, der Augenblick, die Stunde, der
Tag, wo das um so eindringlicher Einem ans Herz
gelegt wird. Ich hatte wirklich so viel mit meinen
persönlichen Lebensangelegenheiten, mit mir selber zu
schaffen gehabt, daß ich mich um das, was hinter
mir lag und wenn auch in nächster Nähe, wenig be¬
kümmern konnte, und der Vogelsang war mir davon
nicht ausgenommen gewesen. --

Zwischen den neuen Mauern der Fabriken,
Miethshäuser, Tanzlokale war's allein die alte Frau,
die Mutter Veltens, welche, wie sie es dem Sohne
versprochen hatte, nicht von ihrer Heimstätte ge¬
wichen war, und trotz des neuen Lebens, das ihr
von allen Seiten unbehaglich, spöttisch, ja drohend

in die Gegend!“ Wie ſchwer ſie einem aufs Herz
fallen kann, das ſollte ich am Begräbnißtage meines
Vaters im vollſten Maaße erfahren.

Ich war nicht ſo häufig in die Gegend ge¬
kommen, wie ich geſollt hatte, und nun war gerade
die rechte Gelegenheit, um zu erkennen, wie ſehr ſie
ſich verändert hatte, nicht ſeit unſeren Kinderjahren,
ſondern ſeit dem Tage, an welchem die Nachbarin
Andres, die Frau Doktern, dort von uns Allen allein
zurückgelaſſen worden war.

Es giebt auch eine Redensart: „Das iſt mir
bis jetzt nicht aufgefallen!“ und dann kommt plötz¬
lich die Gelegenheit, der Augenblick, die Stunde, der
Tag, wo das um ſo eindringlicher Einem ans Herz
gelegt wird. Ich hatte wirklich ſo viel mit meinen
perſönlichen Lebensangelegenheiten, mit mir ſelber zu
ſchaffen gehabt, daß ich mich um das, was hinter
mir lag und wenn auch in nächſter Nähe, wenig be¬
kümmern konnte, und der Vogelſang war mir davon
nicht ausgenommen geweſen. —

Zwiſchen den neuen Mauern der Fabriken,
Miethshäuſer, Tanzlokale war's allein die alte Frau,
die Mutter Veltens, welche, wie ſie es dem Sohne
verſprochen hatte, nicht von ihrer Heimſtätte ge¬
wichen war, und trotz des neuen Lebens, das ihr
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[203/0213] in die Gegend!“ Wie ſchwer ſie einem aufs Herz fallen kann, das ſollte ich am Begräbnißtage meines Vaters im vollſten Maaße erfahren. Ich war nicht ſo häufig in die Gegend ge¬ kommen, wie ich geſollt hatte, und nun war gerade die rechte Gelegenheit, um zu erkennen, wie ſehr ſie ſich verändert hatte, nicht ſeit unſeren Kinderjahren, ſondern ſeit dem Tage, an welchem die Nachbarin Andres, die Frau Doktern, dort von uns Allen allein zurückgelaſſen worden war. Es giebt auch eine Redensart: „Das iſt mir bis jetzt nicht aufgefallen!“ und dann kommt plötz¬ lich die Gelegenheit, der Augenblick, die Stunde, der Tag, wo das um ſo eindringlicher Einem ans Herz gelegt wird. Ich hatte wirklich ſo viel mit meinen perſönlichen Lebensangelegenheiten, mit mir ſelber zu ſchaffen gehabt, daß ich mich um das, was hinter mir lag und wenn auch in nächſter Nähe, wenig be¬ kümmern konnte, und der Vogelſang war mir davon nicht ausgenommen geweſen. — Zwiſchen den neuen Mauern der Fabriken, Miethshäuſer, Tanzlokale war's allein die alte Frau, die Mutter Veltens, welche, wie ſie es dem Sohne verſprochen hatte, nicht von ihrer Heimſtätte ge¬ wichen war, und trotz des neuen Lebens, das ihr von allen Seiten unbehaglich, ſpöttiſch, ja drohend

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/213>, abgerufen am 24.11.2024.