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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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dorff, Velten Andres und Karl Krumhardt, Nachbar¬
kinder im Vogelsang unter dem Osterberge waren.
Bauschutt, Fabrikaschenwege, Kanalisationsarbeiten
und dergleichen gab es auch noch nicht zu unserer
Zeit in der Vorstadt, genannt "Zum Vogelsang".
Die Vögel hatten dort wirklich noch nicht ihr Recht
verloren, der Erde Loblied zu singen; sie brauchten
noch nicht ihre Baupläne dem Stadtbauamt zur Be¬
gutachtung vorzulegen. Wir hatten von ihren Nestern
unsere Hecken, Büsche und Bäume voll und unsere
Freude dran; trugen aber dessenungeachtet nicht auf
eine "Katzensteuer" an, und schlugen oder schossen
jeden wackern Kater todt, der nach seinem Rechte mal im
Bauplan der guten Mutter Natur mit einem: "Immer
und ewig Mäuse?" herumstieg und von der sämtlichen
Käfer-, Fliegen-, Raupen-, Schmetterlings- und
Würmerwelt nicht nur als ein Wohlthäter, sondern
auch als ein Rächer geachtet wurde.

Wohin reißt mich dieses Rückgedenken? Bedenke
Dich, Oberregierungsrath, Doctor juris K. Krumhardt
und bleibe bei der Sache! Bei der Stange! würde
Dein Freund Velten zu jener Zeit -- unserer Zeit
gesagt haben. --

Mein Vater, Oberregierungssekretär Krumhardt,
hatte sein Haus im Vogelsang von seinem Vater
geerbt, und der wieder von seinem Vater. Darüber

dorff, Velten Andres und Karl Krumhardt, Nachbar¬
kinder im Vogelſang unter dem Oſterberge waren.
Bauſchutt, Fabrikaſchenwege, Kanaliſationsarbeiten
und dergleichen gab es auch noch nicht zu unſerer
Zeit in der Vorſtadt, genannt „Zum Vogelſang“.
Die Vögel hatten dort wirklich noch nicht ihr Recht
verloren, der Erde Loblied zu ſingen; ſie brauchten
noch nicht ihre Baupläne dem Stadtbauamt zur Be¬
gutachtung vorzulegen. Wir hatten von ihren Neſtern
unſere Hecken, Büſche und Bäume voll und unſere
Freude dran; trugen aber deſſenungeachtet nicht auf
eine „Katzenſteuer“ an, und ſchlugen oder ſchoſſen
jeden wackern Kater todt, der nach ſeinem Rechte mal im
Bauplan der guten Mutter Natur mit einem: „Immer
und ewig Mäuſe?“ herumſtieg und von der ſämtlichen
Käfer-, Fliegen-, Raupen-, Schmetterlings- und
Würmerwelt nicht nur als ein Wohlthäter, ſondern
auch als ein Rächer geachtet wurde.

Wohin reißt mich dieſes Rückgedenken? Bedenke
Dich, Oberregierungsrath, Doctor juris K. Krumhardt
und bleibe bei der Sache! Bei der Stange! würde
Dein Freund Velten zu jener Zeit — unſerer Zeit
geſagt haben. —

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[11/0021] dorff, Velten Andres und Karl Krumhardt, Nachbar¬ kinder im Vogelſang unter dem Oſterberge waren. Bauſchutt, Fabrikaſchenwege, Kanaliſationsarbeiten und dergleichen gab es auch noch nicht zu unſerer Zeit in der Vorſtadt, genannt „Zum Vogelſang“. Die Vögel hatten dort wirklich noch nicht ihr Recht verloren, der Erde Loblied zu ſingen; ſie brauchten noch nicht ihre Baupläne dem Stadtbauamt zur Be¬ gutachtung vorzulegen. Wir hatten von ihren Neſtern unſere Hecken, Büſche und Bäume voll und unſere Freude dran; trugen aber deſſenungeachtet nicht auf eine „Katzenſteuer“ an, und ſchlugen oder ſchoſſen jeden wackern Kater todt, der nach ſeinem Rechte mal im Bauplan der guten Mutter Natur mit einem: „Immer und ewig Mäuſe?“ herumſtieg und von der ſämtlichen Käfer-, Fliegen-, Raupen-, Schmetterlings- und Würmerwelt nicht nur als ein Wohlthäter, ſondern auch als ein Rächer geachtet wurde. Wohin reißt mich dieſes Rückgedenken? Bedenke Dich, Oberregierungsrath, Doctor juris K. Krumhardt und bleibe bei der Sache! Bei der Stange! würde Dein Freund Velten zu jener Zeit — unſerer Zeit geſagt haben. — Mein Vater, Oberregierungsſekretär Krumhardt, hatte ſein Haus im Vogelſang von ſeinem Vater geerbt, und der wieder von ſeinem Vater. Darüber

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/21>, abgerufen am 24.11.2024.