Ich habe weiter zu berichten, was sich in der nächsten Nähe um mich her zutrug.
Der Erste, der nach Velten den Vogelsang ver¬ ließ, und auch nie wieder, was der Freund doch that, darin vorsprach, war Nachbar Hartleben. Er sagte, als er zum letzten Mal in seinem Rollstuhl vor unserer Gartenthür hielt:
"Weißt Du, Junge, Herr Assessor Krumhardt sollte ich sagen, weißt Du, ein Vergnügen ist es nicht, so als so ein Sack voll Elend, schlechtem Appetit und nächtlicher Wehklage und Schlaflosigkeit sich um sein zerstückelt Anwesen rumrollen zu lassen; aber so ist der Mensch: so lange er Luft schnappen kann, giebt er den Athem nicht gern auf. Also da bin ich noch und mache so lange Gebrauch von dem alten Freund¬ schaftsverkehr über die Straße, als es angeht. Noch pläsirlicher hielte ich den Jammer natürlich aus, wenn mir mein Wald da oben hinterm Osterberge nicht immer im Kopfe herumginge. Das ist der leidige Satan! Und vorzüglich jetzt so im ange¬ nehmsten Sommer, wenn das so grün da herunter¬ winket und Einer mit seinem Holzverkehr und Handel, von seinen Sägemühlenabnehmern gar nicht zu reden, nur eine lahme Faust zurück und aufwärts machen kann. Da gucken Sie nur, Herr Obergerichtssekre¬ tarius, wie das da oben auf meinem Schluderkopfe
Ich habe weiter zu berichten, was ſich in der nächſten Nähe um mich her zutrug.
Der Erſte, der nach Velten den Vogelſang ver¬ ließ, und auch nie wieder, was der Freund doch that, darin vorſprach, war Nachbar Hartleben. Er ſagte, als er zum letzten Mal in ſeinem Rollſtuhl vor unſerer Gartenthür hielt:
„Weißt Du, Junge, Herr Aſſeſſor Krumhardt ſollte ich ſagen, weißt Du, ein Vergnügen iſt es nicht, ſo als ſo ein Sack voll Elend, ſchlechtem Appetit und nächtlicher Wehklage und Schlafloſigkeit ſich um ſein zerſtückelt Anweſen rumrollen zu laſſen; aber ſo iſt der Menſch: ſo lange er Luft ſchnappen kann, giebt er den Athem nicht gern auf. Alſo da bin ich noch und mache ſo lange Gebrauch von dem alten Freund¬ ſchaftsverkehr über die Straße, als es angeht. Noch pläſirlicher hielte ich den Jammer natürlich aus, wenn mir mein Wald da oben hinterm Oſterberge nicht immer im Kopfe herumginge. Das iſt der leidige Satan! Und vorzüglich jetzt ſo im ange¬ nehmſten Sommer, wenn das ſo grün da herunter¬ winket und Einer mit ſeinem Holzverkehr und Handel, von ſeinen Sägemühlenabnehmern gar nicht zu reden, nur eine lahme Fauſt zurück und aufwärts machen kann. Da gucken Sie nur, Herr Obergerichtsſekre¬ tarius, wie das da oben auf meinem Schluderkopfe
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Ich habe weiter zu berichten, was ſich in der
nächſten Nähe um mich her zutrug.
Der Erſte, der nach Velten den Vogelſang ver¬
ließ, und auch nie wieder, was der Freund doch that,
darin vorſprach, war Nachbar Hartleben. Er ſagte,
als er zum letzten Mal in ſeinem Rollſtuhl vor
unſerer Gartenthür hielt:
„Weißt Du, Junge, Herr Aſſeſſor Krumhardt
ſollte ich ſagen, weißt Du, ein Vergnügen iſt es nicht,
ſo als ſo ein Sack voll Elend, ſchlechtem Appetit und
nächtlicher Wehklage und Schlafloſigkeit ſich um ſein
zerſtückelt Anweſen rumrollen zu laſſen; aber ſo iſt
der Menſch: ſo lange er Luft ſchnappen kann, giebt
er den Athem nicht gern auf. Alſo da bin ich noch
und mache ſo lange Gebrauch von dem alten Freund¬
ſchaftsverkehr über die Straße, als es angeht. Noch
pläſirlicher hielte ich den Jammer natürlich aus,
wenn mir mein Wald da oben hinterm Oſterberge
nicht immer im Kopfe herumginge. Das iſt der
leidige Satan! Und vorzüglich jetzt ſo im ange¬
nehmſten Sommer, wenn das ſo grün da herunter¬
winket und Einer mit ſeinem Holzverkehr und Handel,
von ſeinen Sägemühlenabnehmern gar nicht zu reden,
nur eine lahme Fauſt zurück und aufwärts machen
kann. Da gucken Sie nur, Herr Obergerichtsſekre¬
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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/204>, abgerufen am 24.11.2024.
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