Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

kann. Meinem eigenen Jungen sind Sie wahrhaftig
schon um mehrere Nasenlängen vor im Weltver¬
ständniß. In einem halben Jahre schicke ich Sie
dahin, wohin ich ihn befördern wollte, offen gestan¬
den, Herr Andres, um ihn Ihren übeln Einwirkungen
zu entziehen. In Tailor made suits drüben überm
Ocean Ihr deutsches Gemüth zur Sache hinzugethan,
und Sie können dreist dort den Laden aufmachen,
wie hier am Ort mein Großpapa, Monsieur Ray¬
mond Guy des Beaux
, dessen Papa, wie wir in
unserm Familienarchiv haben, dem alten Fritz nach
Kunersdorf auf den Ruinen von Küstrin im Chorrock
und Bäffchen französisch predigen und ihn trösten
durfte".

Wie Schade, wie Schade war es, daß er auch
jetzt von den Augen, die ihn aus dem Verborgenen
auf allen Wegen und bei allen Worten begleiteten,
nichts wissen sollte, nach dem Willen des Geschicks!



Wir haben, seit ich angefangen habe, diese Akten
des Vogelsangs zu kollationiren, das bekommen, was
man einen schönen Winter nennt -- erfrischenden,
jahreszeitgemäßen Frost, wenig Heulstürme, aber viel
Schnee. Auch in der Nacht, in der ich jetzt weiter

kann. Meinem eigenen Jungen ſind Sie wahrhaftig
ſchon um mehrere Naſenlängen vor im Weltver¬
ſtändniß. In einem halben Jahre ſchicke ich Sie
dahin, wohin ich ihn befördern wollte, offen geſtan¬
den, Herr Andres, um ihn Ihren übeln Einwirkungen
zu entziehen. In Tailor made suits drüben überm
Ocean Ihr deutſches Gemüth zur Sache hinzugethan,
und Sie können dreiſt dort den Laden aufmachen,
wie hier am Ort mein Großpapa, Monsieur Ray¬
mond Guy des Beaux
, deſſen Papa, wie wir in
unſerm Familienarchiv haben, dem alten Fritz nach
Kunersdorf auf den Ruinen von Küſtrin im Chorrock
und Bäffchen franzöſiſch predigen und ihn tröſten
durfte“.

Wie Schade, wie Schade war es, daß er auch
jetzt von den Augen, die ihn aus dem Verborgenen
auf allen Wegen und bei allen Worten begleiteten,
nichts wiſſen ſollte, nach dem Willen des Geſchicks!



Wir haben, ſeit ich angefangen habe, dieſe Akten
des Vogelſangs zu kollationiren, das bekommen, was
man einen ſchönen Winter nennt — erfriſchenden,
jahreszeitgemäßen Froſt, wenig Heulſtürme, aber viel
Schnee. Auch in der Nacht, in der ich jetzt weiter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0169" n="159"/>
kann. Meinem eigenen Jungen &#x017F;ind Sie wahrhaftig<lb/>
&#x017F;chon um mehrere Na&#x017F;enlängen vor im Weltver¬<lb/>
&#x017F;tändniß. In einem halben Jahre &#x017F;chicke ich Sie<lb/>
dahin, wohin ich ihn befördern wollte, offen ge&#x017F;tan¬<lb/>
den, Herr Andres, um ihn Ihren übeln Einwirkungen<lb/>
zu entziehen. In <hi rendition="#aq">Tailor made suits</hi> drüben überm<lb/>
Ocean Ihr deut&#x017F;ches Gemüth zur Sache hinzugethan,<lb/>
und Sie können drei&#x017F;t dort den Laden aufmachen,<lb/>
wie hier am Ort mein Großpapa, <hi rendition="#aq">Monsieur Ray¬<lb/>
mond Guy des Beaux</hi>, de&#x017F;&#x017F;en Papa, wie wir in<lb/>
un&#x017F;erm Familienarchiv haben, dem alten Fritz nach<lb/>
Kunersdorf auf den Ruinen von Kü&#x017F;trin im Chorrock<lb/>
und Bäffchen franzö&#x017F;i&#x017F;ch predigen und ihn trö&#x017F;ten<lb/>
durfte&#x201C;.</p><lb/>
      <p>Wie Schade, wie Schade war es, daß <hi rendition="#g">er</hi> auch<lb/>
jetzt von den Augen, die ihn aus dem Verborgenen<lb/>
auf allen Wegen und bei allen Worten begleiteten,<lb/>
nichts wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollte, nach dem Willen des Ge&#x017F;chicks!</p><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <p xml:id="p-0169" next="p-0170">Wir haben, &#x017F;eit ich angefangen habe, die&#x017F;e Akten<lb/>
des Vogel&#x017F;angs zu kollationiren, das bekommen, was<lb/>
man einen &#x017F;chönen Winter nennt &#x2014; erfri&#x017F;chenden,<lb/>
jahreszeitgemäßen Fro&#x017F;t, wenig Heul&#x017F;türme, aber viel<lb/>
Schnee. Auch in der Nacht, in der ich jetzt weiter<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0169] kann. Meinem eigenen Jungen ſind Sie wahrhaftig ſchon um mehrere Naſenlängen vor im Weltver¬ ſtändniß. In einem halben Jahre ſchicke ich Sie dahin, wohin ich ihn befördern wollte, offen geſtan¬ den, Herr Andres, um ihn Ihren übeln Einwirkungen zu entziehen. In Tailor made suits drüben überm Ocean Ihr deutſches Gemüth zur Sache hinzugethan, und Sie können dreiſt dort den Laden aufmachen, wie hier am Ort mein Großpapa, Monsieur Ray¬ mond Guy des Beaux, deſſen Papa, wie wir in unſerm Familienarchiv haben, dem alten Fritz nach Kunersdorf auf den Ruinen von Küſtrin im Chorrock und Bäffchen franzöſiſch predigen und ihn tröſten durfte“. Wie Schade, wie Schade war es, daß er auch jetzt von den Augen, die ihn aus dem Verborgenen auf allen Wegen und bei allen Worten begleiteten, nichts wiſſen ſollte, nach dem Willen des Geſchicks! Wir haben, ſeit ich angefangen habe, dieſe Akten des Vogelſangs zu kollationiren, das bekommen, was man einen ſchönen Winter nennt — erfriſchenden, jahreszeitgemäßen Froſt, wenig Heulſtürme, aber viel Schnee. Auch in der Nacht, in der ich jetzt weiter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/169
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/169>, abgerufen am 27.11.2024.