Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

jetzt unter den Trophäen der Frau Fechtmeisterin
Feucht, wo er uns nunmehr wie ein Kind von seinen
Plänen für die nächste Zukunft sprach, als von dem
Selbstverständlichsten, was auf dieser Erde von Jeder¬
mann vorgenommen werden könne.

Er schob es Alles aus dem Wege, was ich ein¬
zuwenden hatte; -- die alte ritterliche Frau und
Leonie hatten keine Waffen gegen ihn: das schöne
Mädchen übrigens auch keine anderen als ihre
melancholisch scheuen, ihre großen, sehnsüchtigen
Augen, die ihre liebe Gewalt nur hinter seinem
Rücken kundgeben konnten und von deren ihm ge¬
hörenden Wunderreichthum er nichts wußte.

Wir waren sehr "heiter" an dem Morgen, vor¬
züglich als auch Leon, der um diese Lebensstunde
zu der elegantesten Tiergartenritterschaft der jungen
Weltstadt gehörte, in Stiefeln und Sporen dazukam.

"Als ich vorhin von Ihrem dreibeinigen Roß
hinter Ihrem Pult mich herabschwang, lieber Freund,
habe ich doch auch eine Genugthuung gehabt," sagte
Velten. "Ihr Papa hat mich auf die Schulter ge¬
klopft und gemeint: ,Sehen Sie, cher ami, nicht
bloß Ihre Herren Professoren können Vorlesungen
halten und Examina anstellen und Diplome verleihen,
auf welche hin selbst so 'n Belletriste wie Sie sich
durch die Welt schlagen und es in ihr zu etwas bringen

jetzt unter den Trophäen der Frau Fechtmeiſterin
Feucht, wo er uns nunmehr wie ein Kind von ſeinen
Plänen für die nächſte Zukunft ſprach, als von dem
Selbſtverſtändlichſten, was auf dieſer Erde von Jeder¬
mann vorgenommen werden könne.

Er ſchob es Alles aus dem Wege, was ich ein¬
zuwenden hatte; — die alte ritterliche Frau und
Leonie hatten keine Waffen gegen ihn: das ſchöne
Mädchen übrigens auch keine anderen als ihre
melancholiſch ſcheuen, ihre großen, ſehnſüchtigen
Augen, die ihre liebe Gewalt nur hinter ſeinem
Rücken kundgeben konnten und von deren ihm ge¬
hörenden Wunderreichthum er nichts wußte.

Wir waren ſehr „heiter“ an dem Morgen, vor¬
züglich als auch Leon, der um dieſe Lebensſtunde
zu der eleganteſten Tiergartenritterſchaft der jungen
Weltſtadt gehörte, in Stiefeln und Sporen dazukam.

„Als ich vorhin von Ihrem dreibeinigen Roß
hinter Ihrem Pult mich herabſchwang, lieber Freund,
habe ich doch auch eine Genugthuung gehabt,“ ſagte
Velten. „Ihr Papa hat mich auf die Schulter ge¬
klopft und gemeint: ‚Sehen Sie, cher ami, nicht
bloß Ihre Herren Profeſſoren können Vorleſungen
halten und Examina anſtellen und Diplome verleihen,
auf welche hin ſelbſt ſo 'n Belletriſte wie Sie ſich
durch die Welt ſchlagen und es in ihr zu etwas bringen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0168" n="158"/>
jetzt unter den Trophäen der Frau Fechtmei&#x017F;terin<lb/>
Feucht, wo er uns nunmehr wie ein Kind von &#x017F;einen<lb/>
Plänen für die näch&#x017F;te Zukunft &#x017F;prach, als von dem<lb/>
Selb&#x017F;tver&#x017F;tändlich&#x017F;ten, was auf die&#x017F;er Erde von Jeder¬<lb/>
mann vorgenommen werden könne.</p><lb/>
      <p>Er &#x017F;chob es Alles aus dem Wege, was ich ein¬<lb/>
zuwenden hatte; &#x2014; die alte ritterliche Frau und<lb/>
Leonie hatten keine Waffen gegen ihn: das &#x017F;chöne<lb/>
Mädchen übrigens auch keine anderen als ihre<lb/>
melancholi&#x017F;ch &#x017F;cheuen, ihre großen, &#x017F;ehn&#x017F;üchtigen<lb/>
Augen, die ihre liebe Gewalt nur hinter &#x017F;einem<lb/>
Rücken kundgeben konnten und von deren ihm ge¬<lb/>
hörenden Wunderreichthum er nichts wußte.</p><lb/>
      <p>Wir waren &#x017F;ehr &#x201E;heiter&#x201C; an dem Morgen, vor¬<lb/>
züglich als auch Leon, der um die&#x017F;e Lebens&#x017F;tunde<lb/>
zu der elegante&#x017F;ten Tiergartenritter&#x017F;chaft der jungen<lb/>
Welt&#x017F;tadt gehörte, in Stiefeln und Sporen dazukam.</p><lb/>
      <p>&#x201E;Als ich vorhin von Ihrem dreibeinigen Roß<lb/>
hinter Ihrem Pult mich herab&#x017F;chwang, lieber Freund,<lb/>
habe ich doch auch eine Genugthuung gehabt,&#x201C; &#x017F;agte<lb/>
Velten. &#x201E;Ihr Papa hat mich auf die Schulter ge¬<lb/>
klopft und gemeint: &#x201A;Sehen Sie, <hi rendition="#aq">cher ami</hi>, nicht<lb/>
bloß Ihre Herren Profe&#x017F;&#x017F;oren können Vorle&#x017F;ungen<lb/>
halten und Examina an&#x017F;tellen und Diplome verleihen,<lb/>
auf welche hin &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o 'n Belletri&#x017F;te wie Sie &#x017F;ich<lb/>
durch die Welt &#x017F;chlagen und es in ihr zu etwas bringen<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0168] jetzt unter den Trophäen der Frau Fechtmeiſterin Feucht, wo er uns nunmehr wie ein Kind von ſeinen Plänen für die nächſte Zukunft ſprach, als von dem Selbſtverſtändlichſten, was auf dieſer Erde von Jeder¬ mann vorgenommen werden könne. Er ſchob es Alles aus dem Wege, was ich ein¬ zuwenden hatte; — die alte ritterliche Frau und Leonie hatten keine Waffen gegen ihn: das ſchöne Mädchen übrigens auch keine anderen als ihre melancholiſch ſcheuen, ihre großen, ſehnſüchtigen Augen, die ihre liebe Gewalt nur hinter ſeinem Rücken kundgeben konnten und von deren ihm ge¬ hörenden Wunderreichthum er nichts wußte. Wir waren ſehr „heiter“ an dem Morgen, vor¬ züglich als auch Leon, der um dieſe Lebensſtunde zu der eleganteſten Tiergartenritterſchaft der jungen Weltſtadt gehörte, in Stiefeln und Sporen dazukam. „Als ich vorhin von Ihrem dreibeinigen Roß hinter Ihrem Pult mich herabſchwang, lieber Freund, habe ich doch auch eine Genugthuung gehabt,“ ſagte Velten. „Ihr Papa hat mich auf die Schulter ge¬ klopft und gemeint: ‚Sehen Sie, cher ami, nicht bloß Ihre Herren Profeſſoren können Vorleſungen halten und Examina anſtellen und Diplome verleihen, auf welche hin ſelbſt ſo 'n Belletriſte wie Sie ſich durch die Welt ſchlagen und es in ihr zu etwas bringen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/168
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/168>, abgerufen am 27.11.2024.