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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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Assessor Krumhardt. Sehen Sie wohl, daß Ihnen
die Schmarre über der Nase daheim bei Ihren Leuten
am grünen Tisch nichts geschadet hat! Und der Andere
Tresenhüpfer und Ellenreiter drunten bei des Beaux
Sohn und Nachfolger! Sie kennen doch Fräulein
Leonie des Beaux noch, Herr Kommilitone?"

O, wohl kannte ich sie noch! Das liebe Mädchen
erhob sich wie sonst aus ihrem Sessel, der absonder¬
lichen, greisen Freundin gegenüber, sie schien mir noch
ruhig-schöner, stattlich-vornehmer geworden zu sein
und lächelte:

"So leicht vergißt man doch wohl seine guten
Freunde nicht, Mama Feucht! Vorzüglich wenn man
aus dem Vogelsang --"

"Nach Berlin kommt und endlich einmal wieder
die weißeste Hand aus dem Roman von der Rose
küssen möchte."

Sie reichte sie mir, lächelnd, aber nicht zum Kuß,
und sagte: "Hier, Herr Assessor, wie sonst aus der
Schneiderwerkstatt und dem Herzen der Romantik
heraus; seien Sie uns willkommen. Da mit der
alten Treue unser altes, närrisches Spielzeug doch
auch sein Recht bei Ihnen behalten hat, Messire
Charles du Pre-aux-clercs."

"Von der Schreiberwiese!" rief ich, die feine
Ironie wohl verstehend. "Jawohl, jawohl, gnädiges

Aſſeſſor Krumhardt. Sehen Sie wohl, daß Ihnen
die Schmarre über der Naſe daheim bei Ihren Leuten
am grünen Tiſch nichts geſchadet hat! Und der Andere
Treſenhüpfer und Ellenreiter drunten bei des Beaux
Sohn und Nachfolger! Sie kennen doch Fräulein
Leonie des Beaux noch, Herr Kommilitone?“

O, wohl kannte ich ſie noch! Das liebe Mädchen
erhob ſich wie ſonſt aus ihrem Seſſel, der abſonder¬
lichen, greiſen Freundin gegenüber, ſie ſchien mir noch
ruhig-ſchöner, ſtattlich-vornehmer geworden zu ſein
und lächelte:

„So leicht vergißt man doch wohl ſeine guten
Freunde nicht, Mama Feucht! Vorzüglich wenn man
aus dem Vogelſang —“

„Nach Berlin kommt und endlich einmal wieder
die weißeſte Hand aus dem Roman von der Roſe
küſſen möchte.“

Sie reichte ſie mir, lächelnd, aber nicht zum Kuß,
und ſagte: „Hier, Herr Aſſeſſor, wie ſonſt aus der
Schneiderwerkſtatt und dem Herzen der Romantik
heraus; ſeien Sie uns willkommen. Da mit der
alten Treue unſer altes, närriſches Spielzeug doch
auch ſein Recht bei Ihnen behalten hat, Messire
Charles du Pré-aux-clercs.“

Von der Schreiberwieſe!“ rief ich, die feine
Ironie wohl verſtehend. „Jawohl, jawohl, gnädiges

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[155/0165] Aſſeſſor Krumhardt. Sehen Sie wohl, daß Ihnen die Schmarre über der Naſe daheim bei Ihren Leuten am grünen Tiſch nichts geſchadet hat! Und der Andere Treſenhüpfer und Ellenreiter drunten bei des Beaux Sohn und Nachfolger! Sie kennen doch Fräulein Leonie des Beaux noch, Herr Kommilitone?“ O, wohl kannte ich ſie noch! Das liebe Mädchen erhob ſich wie ſonſt aus ihrem Seſſel, der abſonder¬ lichen, greiſen Freundin gegenüber, ſie ſchien mir noch ruhig-ſchöner, ſtattlich-vornehmer geworden zu ſein und lächelte: „So leicht vergißt man doch wohl ſeine guten Freunde nicht, Mama Feucht! Vorzüglich wenn man aus dem Vogelſang —“ „Nach Berlin kommt und endlich einmal wieder die weißeſte Hand aus dem Roman von der Roſe küſſen möchte.“ Sie reichte ſie mir, lächelnd, aber nicht zum Kuß, und ſagte: „Hier, Herr Aſſeſſor, wie ſonſt aus der Schneiderwerkſtatt und dem Herzen der Romantik heraus; ſeien Sie uns willkommen. Da mit der alten Treue unſer altes, närriſches Spielzeug doch auch ſein Recht bei Ihnen behalten hat, Messire Charles du Pré-aux-clercs.“ „Von der Schreiberwieſe!“ rief ich, die feine Ironie wohl verſtehend. „Jawohl, jawohl, gnädiges

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/165>, abgerufen am 27.11.2024.