der ihn zu nehmen wisse, einen unbegrenzten Kredit bei seinem Herrn Vater in der Tasche.
"Das geht ja noch über Schlappe!" seufzten unsere Zeitgenossen in der Heimath, fügten jedoch be¬ ruhigt hinzu: "Na, er wird wohl wieder nichts damit anzufangen wissen und seine guten Karten nicht aus Dummheit, sondern purer Suffisance abermals aus der Hand geben."
"Was haben Sie den Herrschaften hier eigentlich über mich aufgebunden?" fragte wohl (und hatte das Recht dazu) der Sohn und Erbe des jetzt wohl¬ habendsten und berühmtesten Schneidermeisters von Berlin an der Spree, in gewohnter, schüchterner Verlegenheit die Hände aneinander reibend. "Die Leute sind doch ganz gewiß nicht meinetwegen so liebenswürdig gegen mich an diesem entzückenden Orte."
"Bloß Ihretwegen, Leon! Ich habe nur bei¬ läufig fallen lassen, daß Sie mein guter Freund sind, und daß mir Ihr Herr Vater sein Haus und einen Credit illimite, das heißt Riesenpump, bei sich eröffnet habe. Krumhardt kann das bezeugen, und unsere Alte da auch, Monsieur le vicomte."
"Ja, ja!" lachte die Frau Doktorin Andres. "Beruhigen Sie sich aber nur, mein lieber Freund; solchen schlimmen Ruf unter den Leuten können Sie
der ihn zu nehmen wiſſe, einen unbegrenzten Kredit bei ſeinem Herrn Vater in der Taſche.
„Das geht ja noch über Schlappe!“ ſeufzten unſere Zeitgenoſſen in der Heimath, fügten jedoch be¬ ruhigt hinzu: „Na, er wird wohl wieder nichts damit anzufangen wiſſen und ſeine guten Karten nicht aus Dummheit, ſondern purer Suffiſance abermals aus der Hand geben.“
„Was haben Sie den Herrſchaften hier eigentlich über mich aufgebunden?“ fragte wohl (und hatte das Recht dazu) der Sohn und Erbe des jetzt wohl¬ habendſten und berühmteſten Schneidermeiſters von Berlin an der Spree, in gewohnter, ſchüchterner Verlegenheit die Hände aneinander reibend. „Die Leute ſind doch ganz gewiß nicht meinetwegen ſo liebenswürdig gegen mich an dieſem entzückenden Orte.“
„Bloß Ihretwegen, Leon! Ich habe nur bei¬ läufig fallen laſſen, daß Sie mein guter Freund ſind, und daß mir Ihr Herr Vater ſein Haus und einen Credit illimité, das heißt Rieſenpump, bei ſich eröffnet habe. Krumhardt kann das bezeugen, und unſere Alte da auch, Monsieur le vicomte.“
„Ja, ja!“ lachte die Frau Doktorin Andres. „Beruhigen Sie ſich aber nur, mein lieber Freund; ſolchen ſchlimmen Ruf unter den Leuten können Sie
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0149"n="139"/>
der ihn zu nehmen wiſſe, einen unbegrenzten Kredit<lb/>
bei ſeinem Herrn Vater in der Taſche.</p><lb/><p>„Das geht ja noch über Schlappe!“ſeufzten<lb/>
unſere Zeitgenoſſen in der Heimath, fügten jedoch be¬<lb/>
ruhigt hinzu: „Na, er wird wohl wieder nichts<lb/>
damit anzufangen wiſſen und ſeine guten Karten<lb/>
nicht aus Dummheit, ſondern purer Suffiſance<lb/>
abermals aus der Hand geben.“</p><lb/><p>„Was haben Sie den Herrſchaften hier eigentlich<lb/>
über mich aufgebunden?“ fragte wohl (und hatte das<lb/>
Recht dazu) der Sohn und Erbe des jetzt wohl¬<lb/>
habendſten und berühmteſten Schneidermeiſters von<lb/>
Berlin an der Spree, in gewohnter, ſchüchterner<lb/>
Verlegenheit die Hände aneinander reibend. „Die<lb/>
Leute ſind doch ganz gewiß nicht meinetwegen ſo<lb/>
liebenswürdig gegen mich an dieſem entzückenden<lb/>
Orte.“</p><lb/><p>„Bloß Ihretwegen, Leon! Ich habe nur bei¬<lb/>
läufig fallen laſſen, daß Sie mein guter Freund<lb/>ſind, und daß mir Ihr Herr Vater ſein Haus und<lb/>
einen <hirendition="#aq">Credit illimité</hi>, das heißt Rieſenpump, bei<lb/>ſich eröffnet habe. Krumhardt kann das bezeugen,<lb/>
und unſere Alte da auch, <hirendition="#aq">Monsieur le vicomte</hi>.“</p><lb/><p>„Ja, ja!“ lachte die Frau Doktorin Andres.<lb/>„Beruhigen Sie ſich aber nur, mein <hirendition="#g">lieber</hi> Freund;<lb/>ſolchen ſchlimmen Ruf unter den Leuten können Sie<lb/></p></body></text></TEI>
[139/0149]
der ihn zu nehmen wiſſe, einen unbegrenzten Kredit
bei ſeinem Herrn Vater in der Taſche.
„Das geht ja noch über Schlappe!“ ſeufzten
unſere Zeitgenoſſen in der Heimath, fügten jedoch be¬
ruhigt hinzu: „Na, er wird wohl wieder nichts
damit anzufangen wiſſen und ſeine guten Karten
nicht aus Dummheit, ſondern purer Suffiſance
abermals aus der Hand geben.“
„Was haben Sie den Herrſchaften hier eigentlich
über mich aufgebunden?“ fragte wohl (und hatte das
Recht dazu) der Sohn und Erbe des jetzt wohl¬
habendſten und berühmteſten Schneidermeiſters von
Berlin an der Spree, in gewohnter, ſchüchterner
Verlegenheit die Hände aneinander reibend. „Die
Leute ſind doch ganz gewiß nicht meinetwegen ſo
liebenswürdig gegen mich an dieſem entzückenden
Orte.“
„Bloß Ihretwegen, Leon! Ich habe nur bei¬
läufig fallen laſſen, daß Sie mein guter Freund
ſind, und daß mir Ihr Herr Vater ſein Haus und
einen Credit illimité, das heißt Rieſenpump, bei
ſich eröffnet habe. Krumhardt kann das bezeugen,
und unſere Alte da auch, Monsieur le vicomte.“
„Ja, ja!“ lachte die Frau Doktorin Andres.
„Beruhigen Sie ſich aber nur, mein lieber Freund;
ſolchen ſchlimmen Ruf unter den Leuten können Sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/149>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.