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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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Mit den besten Wünschen für Dich und Dein
Haus

Helene Trotzendorff, Widow Mungo."


"Was hältst Du so den Kopf mit beiden Hän¬
den?" fragte mich recht spät am Abend meine Frau,
nachdem die Kinder längst gekommen waren, um mir
eine gute Nacht zu wünschen. "Hast Du heute wieder
mal kein Stündchen Zeit für uns übrig gehabt, armes
Männchen? Großer Gott, diese Berge von Akten!
Was haben wir denn eigentlich noch von Dir?"

Sie lehnte sich bei diesen Worten über meine
Stuhllehne und legte mir ihre kühle Hand auf die
Stirn.

"Die bösen Akten sind es diesmal nicht, mein
armes Weibchen. Es ist etwas viel Grimmigeres.
Was erschrickst Du denn? Dich und Deine Kinder
geht es nur recht mittelbar was an."

Ich gab ihr den Brief der Wittwe Mungo, der
mich in dieser Nacht über die gewohnte Zeit hinaus
von dem allabendlichen Plauderstündchen im Wohn¬
zimmer ferngehalten hatte, und Anna nahm ihn,
wenn nicht erschreckt, so doch sehr verwundert und ge¬
spannt, und sah natürlich zuerst nach der Unterschrift.

Mit den beſten Wünſchen für Dich und Dein
Haus

Helene Trotzendorff, Widow Mungo.“


„Was hältſt Du ſo den Kopf mit beiden Hän¬
den?“ fragte mich recht ſpät am Abend meine Frau,
nachdem die Kinder längſt gekommen waren, um mir
eine gute Nacht zu wünſchen. „Haſt Du heute wieder
mal kein Stündchen Zeit für uns übrig gehabt, armes
Männchen? Großer Gott, dieſe Berge von Akten!
Was haben wir denn eigentlich noch von Dir?“

Sie lehnte ſich bei dieſen Worten über meine
Stuhllehne und legte mir ihre kühle Hand auf die
Stirn.

„Die böſen Akten ſind es diesmal nicht, mein
armes Weibchen. Es iſt etwas viel Grimmigeres.
Was erſchrickſt Du denn? Dich und Deine Kinder
geht es nur recht mittelbar was an.“

Ich gab ihr den Brief der Wittwe Mungo, der
mich in dieſer Nacht über die gewohnte Zeit hinaus
von dem allabendlichen Plauderſtündchen im Wohn¬
zimmer ferngehalten hatte, und Anna nahm ihn,
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ſpannt, und ſah natürlich zuerſt nach der Unterſchrift.

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[4/0014] Mit den beſten Wünſchen für Dich und Dein Haus Helene Trotzendorff, Widow Mungo.“ „Was hältſt Du ſo den Kopf mit beiden Hän¬ den?“ fragte mich recht ſpät am Abend meine Frau, nachdem die Kinder längſt gekommen waren, um mir eine gute Nacht zu wünſchen. „Haſt Du heute wieder mal kein Stündchen Zeit für uns übrig gehabt, armes Männchen? Großer Gott, dieſe Berge von Akten! Was haben wir denn eigentlich noch von Dir?“ Sie lehnte ſich bei dieſen Worten über meine Stuhllehne und legte mir ihre kühle Hand auf die Stirn. „Die böſen Akten ſind es diesmal nicht, mein armes Weibchen. Es iſt etwas viel Grimmigeres. Was erſchrickſt Du denn? Dich und Deine Kinder geht es nur recht mittelbar was an.“ Ich gab ihr den Brief der Wittwe Mungo, der mich in dieſer Nacht über die gewohnte Zeit hinaus von dem allabendlichen Plauderſtündchen im Wohn¬ zimmer ferngehalten hatte, und Anna nahm ihn, wenn nicht erſchreckt, ſo doch ſehr verwundert und ge¬ ſpannt, und ſah natürlich zuerſt nach der Unterſchrift.

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/14>, abgerufen am 21.11.2024.