Die Hauptsache war, daß ich meinen idealischen Schneider herausriß. Was sich nachher sachgemäß mit den Herren Kommilitonen an den Vorgang knüpfte, ist erledigt und Rechenschaft nach Goethes sämtlichen Werken Band eins gegeben worden. Selbstverständ¬ lich fühlte auch ich mich ein Mansen und
gedachte meiner Pflicht,
Und ich hieb dem langen Hansen
Gleich die Schmarre durchs Gesicht.
Wie sagt doch der andere Kerl aus Weimar? . . . Die Blinden in Genua horchen auf meinen Schritt, oder so ungefähr. Fürs Erste glaube ich mich in dieser Hinsicht hier bei euch im großen Weltleben gut genug geraucht zu haben. -- Meinen zitternden Schneidersohn nahm ich unterm Arm: Nu, nur nicht ohnmächtig werden, Sie armes nasses Huhn. Sagen Sie mir um Gottes willen, was wollten Sie hier in dieser gemischten Gesellschaft? und dann, wo wohnen Sie; -- mein Name ist übrigens Andres. -- Meiner des Beaux -- Leon des Beaux, stammelte das Geschöpf. -- Aus Paris? -- Aus der Dorotheen¬ straße. Da wir denn so ziemlich unter einem Dache wohnten, wie sich auswies, benutzten wir ein und die¬ selbe Droschke nach Hause, denn der Knabe war zum Gehen nicht mehr ganz in der nöthigen Beinverfassung. Daß er mir am folgenden Tage bei meiner Frau
Die Hauptſache war, daß ich meinen idealiſchen Schneider herausriß. Was ſich nachher ſachgemäß mit den Herren Kommilitonen an den Vorgang knüpfte, iſt erledigt und Rechenſchaft nach Goethes ſämtlichen Werken Band eins gegeben worden. Selbſtverſtänd¬ lich fühlte auch ich mich ein Manſen und
gedachte meiner Pflicht,
Und ich hieb dem langen Hanſen
Gleich die Schmarre durchs Geſicht.
Wie ſagt doch der andere Kerl aus Weimar? . . . Die Blinden in Genua horchen auf meinen Schritt, oder ſo ungefähr. Fürs Erſte glaube ich mich in dieſer Hinſicht hier bei euch im großen Weltleben gut genug geraucht zu haben. — Meinen zitternden Schneiderſohn nahm ich unterm Arm: Nu, nur nicht ohnmächtig werden, Sie armes naſſes Huhn. Sagen Sie mir um Gottes willen, was wollten Sie hier in dieſer gemiſchten Geſellſchaft? und dann, wo wohnen Sie; — mein Name iſt übrigens Andres. — Meiner des Beaux — Leon des Beaux, ſtammelte das Geſchöpf. — Aus Paris? — Aus der Dorotheen¬ ſtraße. Da wir denn ſo ziemlich unter einem Dache wohnten, wie ſich auswies, benutzten wir ein und die¬ ſelbe Droſchke nach Hauſe, denn der Knabe war zum Gehen nicht mehr ganz in der nöthigen Beinverfaſſung. Daß er mir am folgenden Tage bei meiner Frau
<TEI><text><body><pxml:id="p-0127"next="p-0129"><pbfacs="#f0129"n="119"/>
Die Hauptſache war, daß ich meinen idealiſchen<lb/>
Schneider herausriß. Was ſich nachher ſachgemäß<lb/>
mit den Herren Kommilitonen an den Vorgang knüpfte,<lb/>
iſt erledigt und Rechenſchaft nach Goethes ſämtlichen<lb/>
Werken Band eins gegeben worden. Selbſtverſtänd¬<lb/>
lich fühlte auch ich mich ein Manſen und</p><lb/><lgtype="poem"><lrendition="#et">gedachte meiner Pflicht,</l><lb/><lrendition="#et">Und ich hieb dem langen Hanſen</l><lb/><lrendition="#et">Gleich die Schmarre durchs Geſicht.</l><lb/></lg><pxml:id="p-0129"prev="p-0127">Wie ſagt doch der andere Kerl aus Weimar? . . .<lb/>
Die Blinden in Genua horchen auf meinen Schritt,<lb/>
oder ſo ungefähr. Fürs Erſte glaube ich mich in<lb/>
dieſer Hinſicht hier bei euch im großen Weltleben<lb/>
gut genug geraucht zu haben. — Meinen zitternden<lb/>
Schneiderſohn nahm ich unterm Arm: Nu, nur<lb/>
nicht ohnmächtig werden, Sie armes naſſes Huhn.<lb/>
Sagen Sie mir um Gottes willen, was wollten Sie<lb/>
hier in dieſer gemiſchten Geſellſchaft? und dann, wo<lb/>
wohnen Sie; — mein Name iſt übrigens Andres. —<lb/>
Meiner des Beaux — Leon des Beaux, ſtammelte<lb/>
das Geſchöpf. — Aus Paris? — Aus der Dorotheen¬<lb/>ſtraße. Da wir denn ſo ziemlich unter einem Dache<lb/>
wohnten, wie ſich auswies, benutzten wir ein und die¬<lb/>ſelbe Droſchke nach Hauſe, denn der Knabe war zum<lb/>
Gehen nicht mehr ganz in der nöthigen Beinverfaſſung.<lb/>
Daß er mir am folgenden Tage bei meiner Frau<lb/></p></body></text></TEI>
[119/0129]
Die Hauptſache war, daß ich meinen idealiſchen
Schneider herausriß. Was ſich nachher ſachgemäß
mit den Herren Kommilitonen an den Vorgang knüpfte,
iſt erledigt und Rechenſchaft nach Goethes ſämtlichen
Werken Band eins gegeben worden. Selbſtverſtänd¬
lich fühlte auch ich mich ein Manſen und
gedachte meiner Pflicht,
Und ich hieb dem langen Hanſen
Gleich die Schmarre durchs Geſicht.
Wie ſagt doch der andere Kerl aus Weimar? . . .
Die Blinden in Genua horchen auf meinen Schritt,
oder ſo ungefähr. Fürs Erſte glaube ich mich in
dieſer Hinſicht hier bei euch im großen Weltleben
gut genug geraucht zu haben. — Meinen zitternden
Schneiderſohn nahm ich unterm Arm: Nu, nur
nicht ohnmächtig werden, Sie armes naſſes Huhn.
Sagen Sie mir um Gottes willen, was wollten Sie
hier in dieſer gemiſchten Geſellſchaft? und dann, wo
wohnen Sie; — mein Name iſt übrigens Andres. —
Meiner des Beaux — Leon des Beaux, ſtammelte
das Geſchöpf. — Aus Paris? — Aus der Dorotheen¬
ſtraße. Da wir denn ſo ziemlich unter einem Dache
wohnten, wie ſich auswies, benutzten wir ein und die¬
ſelbe Droſchke nach Hauſe, denn der Knabe war zum
Gehen nicht mehr ganz in der nöthigen Beinverfaſſung.
Daß er mir am folgenden Tage bei meiner Frau
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/129>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.