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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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durch die gute Singart eines bessern überzeuget worden, wieder verlassen. Wie aber nur selten eine Copey dem Urbilde ganz ähnlich wird; man aber oftmals in dem Scholaren den Meister zu hören glaubet, und jenen auf dieses seine Unkosten zu schätzen pfleget: so kann es gar wohl seyn, daß einige von dieses berühmten Violinisten seinen Scholaren, deren er seit geraumer Zeit eine ziemliche Anzahl gezogen, ein Vieles zu seinem Nachtheile beygetragen haben. Sie haben vielleicht, entweder seine Art zu spielen nicht recht begriffen; oder sie sind durch die Verschiedenheit der Gemüthsart verleitet worden, dieselbe noch bizarrer zu machen, und also denen, die wieder von ihnen gelernet haben, in einer viel verschlimmerten Gestalt beyzubringen. Folglich ist wohl zu glauben, daß er selbst Vieles, an Unterschiedenen, die sich rühmen in seinem Geschmacke zu spielen, nicht gut heißen würde.

Es ist deswegen einem jeden jungen Musikus anzurathen, nicht eher nach Italien zu gehen, als bis er das Gute vom Bösen in der Musik zu unterscheiden weis: denn wer nicht von musikalischer Wissenschaft etwas mit hinein bringt; der bringt auch, zumal itziger Zeit, schwerlich was mit heraus. Ein angehender Musikus muß ferner, in Italien, immer mehr von Sängern, als von Instrumentisten, zu profitiren suchen. Wen aber nicht etwan das Vorurtheil verleitet, der findet nunmehro das, was er sonst in Italien und in Frankreich sich hätte zu Nutzen machen können, in Deutschland.
60. §.

Ich habe die vorhin erwähnten beyden berühmten, und, in mehr als einer Betrachtung, brafen Männer nicht angeführet, um ihre Verdienste zu schätzen, oder das, was sie wirklich Gutes haben, zu verkleinern. Ich habe es nur gethan, um einiger maßen den Ursprung zu entdecken, woher es gekommen ist, daß die heutigen welschen Instrumentisten, besonders aber die Violinisten, mehrentheils einen besondern, der guten Singart so sehr entgegen stehenden Geschmack angenommen haben: da doch der wahre und gute Geschmack allgemein seyn sollte. Einigen unter ihnen fehlet es zwar weder an der Erkenntniß, noch an der Empfindung dessen, was zum guten Singen gehöret: dennoch suchen sie solches auf ihren Instrumenten nicht nachzuahmen: sondern, was sie bey den Sängern für was Vortreffliches halten, das finden sie auf dem Instrumente zu schlecht, und zu gering. Sie loben den Sänger, wenn er deutlich und ausdrückend singt; sie hingegen finden es für gut, wenn sie auf dem Instrumente dunkel und ohne Ausdruck spielen. Sie billigen an dem Sänger einen modesten und schmeichelnden Vortrag; der ihrige hingegen

durch die gute Singart eines bessern überzeuget worden, wieder verlassen. Wie aber nur selten eine Copey dem Urbilde ganz ähnlich wird; man aber oftmals in dem Scholaren den Meister zu hören glaubet, und jenen auf dieses seine Unkosten zu schätzen pfleget: so kann es gar wohl seyn, daß einige von dieses berühmten Violinisten seinen Scholaren, deren er seit geraumer Zeit eine ziemliche Anzahl gezogen, ein Vieles zu seinem Nachtheile beygetragen haben. Sie haben vielleicht, entweder seine Art zu spielen nicht recht begriffen; oder sie sind durch die Verschiedenheit der Gemüthsart verleitet worden, dieselbe noch bizarrer zu machen, und also denen, die wieder von ihnen gelernet haben, in einer viel verschlimmerten Gestalt beyzubringen. Folglich ist wohl zu glauben, daß er selbst Vieles, an Unterschiedenen, die sich rühmen in seinem Geschmacke zu spielen, nicht gut heißen würde.

Es ist deswegen einem jeden jungen Musikus anzurathen, nicht eher nach Italien zu gehen, als bis er das Gute vom Bösen in der Musik zu unterscheiden weis: denn wer nicht von musikalischer Wissenschaft etwas mit hinein bringt; der bringt auch, zumal itziger Zeit, schwerlich was mit heraus. Ein angehender Musikus muß ferner, in Italien, immer mehr von Sängern, als von Instrumentisten, zu profitiren suchen. Wen aber nicht etwan das Vorurtheil verleitet, der findet nunmehro das, was er sonst in Italien und in Frankreich sich hätte zu Nutzen machen können, in Deutschland.
60. §.

Ich habe die vorhin erwähnten beyden berühmten, und, in mehr als einer Betrachtung, brafen Männer nicht angeführet, um ihre Verdienste zu schätzen, oder das, was sie wirklich Gutes haben, zu verkleinern. Ich habe es nur gethan, um einiger maßen den Ursprung zu entdecken, woher es gekommen ist, daß die heutigen welschen Instrumentisten, besonders aber die Violinisten, mehrentheils einen besondern, der guten Singart so sehr entgegen stehenden Geschmack angenommen haben: da doch der wahre und gute Geschmack allgemein seyn sollte. Einigen unter ihnen fehlet es zwar weder an der Erkenntniß, noch an der Empfindung dessen, was zum guten Singen gehöret: dennoch suchen sie solches auf ihren Instrumenten nicht nachzuahmen: sondern, was sie bey den Sängern für was Vortreffliches halten, das finden sie auf dem Instrumente zu schlecht, und zu gering. Sie loben den Sänger, wenn er deutlich und ausdrückend singt; sie hingegen finden es für gut, wenn sie auf dem Instrumente dunkel und ohne Ausdruck spielen. Sie billigen an dem Sänger einen modesten und schmeichelnden Vortrag; der ihrige hingegen

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[311/0325] durch die gute Singart eines bessern überzeuget worden, wieder verlassen. Wie aber nur selten eine Copey dem Urbilde ganz ähnlich wird; man aber oftmals in dem Scholaren den Meister zu hören glaubet, und jenen auf dieses seine Unkosten zu schätzen pfleget: so kann es gar wohl seyn, daß einige von dieses berühmten Violinisten seinen Scholaren, deren er seit geraumer Zeit eine ziemliche Anzahl gezogen, ein Vieles zu seinem Nachtheile beygetragen haben. Sie haben vielleicht, entweder seine Art zu spielen nicht recht begriffen; oder sie sind durch die Verschiedenheit der Gemüthsart verleitet worden, dieselbe noch bizarrer zu machen, und also denen, die wieder von ihnen gelernet haben, in einer viel verschlimmerten Gestalt beyzubringen. Folglich ist wohl zu glauben, daß er selbst Vieles, an Unterschiedenen, die sich rühmen in seinem Geschmacke zu spielen, nicht gut heißen würde. Es ist deswegen einem jeden jungen Musikus anzurathen, nicht eher nach Italien zu gehen, als bis er das Gute vom Bösen in der Musik zu unterscheiden weis: denn wer nicht von musikalischer Wissenschaft etwas mit hinein bringt; der bringt auch, zumal itziger Zeit, schwerlich was mit heraus. Ein angehender Musikus muß ferner, in Italien, immer mehr von Sängern, als von Instrumentisten, zu profitiren suchen. Wen aber nicht etwan das Vorurtheil verleitet, der findet nunmehro das, was er sonst in Italien und in Frankreich sich hätte zu Nutzen machen können, in Deutschland. 60. §. Ich habe die vorhin erwähnten beyden berühmten, und, in mehr als einer Betrachtung, brafen Männer nicht angeführet, um ihre Verdienste zu schätzen, oder das, was sie wirklich Gutes haben, zu verkleinern. Ich habe es nur gethan, um einiger maßen den Ursprung zu entdecken, woher es gekommen ist, daß die heutigen welschen Instrumentisten, besonders aber die Violinisten, mehrentheils einen besondern, der guten Singart so sehr entgegen stehenden Geschmack angenommen haben: da doch der wahre und gute Geschmack allgemein seyn sollte. Einigen unter ihnen fehlet es zwar weder an der Erkenntniß, noch an der Empfindung dessen, was zum guten Singen gehöret: dennoch suchen sie solches auf ihren Instrumenten nicht nachzuahmen: sondern, was sie bey den Sängern für was Vortreffliches halten, das finden sie auf dem Instrumente zu schlecht, und zu gering. Sie loben den Sänger, wenn er deutlich und ausdrückend singt; sie hingegen finden es für gut, wenn sie auf dem Instrumente dunkel und ohne Ausdruck spielen. Sie billigen an dem Sänger einen modesten und schmeichelnden Vortrag; der ihrige hingegen

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/325>, abgerufen am 22.12.2024.